Gloria!
Darsteller: Galatéa Bellugi, Carlotta Gamba, Paolo Rossi, Veronica Lucchesi
Regie: Margherita Vicario
Dauer: 108 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.neuevisionen.de/de/filme/gloria-147
Facebook: facebook.com/neuevisionenfilmverleihgmbh
Instagram: instagram.com/neue_visionen
Kinostart: 29. August 2024
In Italien ist Margherita Vicario wohl bestens bekannt, hat die 1988 in Rom geborene Landsfrau doch seit 2008 als Schauspielerin schon in diversen Filmen und Fernsehserien mitgewirkt, zudem als Popsängerin seit 2014 schon zwei Alben und mehr als 20 Singles veröffentlicht. Als Regisseurin sammelte sie 2011 mit dem Kurzfilm “Se riesco parto” erste Erfahrungen, legt nun aber mit “Gloria!” einen ersten Langfilm vor, in den sie ihre Liebe zur Musik voll einbringt, ob nun in die Handlung, für die sie das Drehbuch mit Anita Rivarolli schrieb, oder in den Soundtrack, den sie mit Davide Pavanello erarbeitete. Nachdem die italienisch-schweizerische Co-Produktion im Februar 2024 im Rahmen der 74. Berlinale uraufgeführt wurde, ist der Streifen nun Ende August für alle im Kino zu sehen.
“Gloria!” nimmt uns mit ins Jahr 1800 und in die Nähe von Venedig, genauer gesagt ins Kollegium Sant Ignazio, eine alte Musikschule für Waisen-Mädchen. Diese werden vom gebrechlichen Priester und Kapellmeister Perlina (Paolo Rossi – nein, natürlich nicht der verstorbene Fußballstar) an ihren Instrumenten unterrichtet, wobei er sehr traditionell vorgeht und das massive, in seiner Bauart mit Pedalen innovative Pianoforte, das als Geschenk für die Mädchen gerade ankam, im Keller eines leerstehenden Gebäudes abseits des Haupthauses vor allen anderen versteckt.
Als er dort von einer Ratte erschreckt wird, denkt er nicht lange nach und schickt die im Gegensatz zu den anderen Mädels nur für Putz- und Hilfsdienste genutzte, schüchterne Teresa (Galatéa Bellugi) ins Gewölbe, um mal richtig durchzukehren. Hierbei stößt sie, die von allen nur “die Stumme” genannt wird, weil sie es zu sein scheint, nicht nur auf Ungeziefer, sondern auch auf das tolle Instrument. Zunächst spielt nur sie nachts heimlich hier, dann aber offenbart sie sich den anderen Mädchen nicht nur verbal, kann sie nämlich doch sprechen, sondern auch als Musikliebhaberin, und sie zeigt ihnen das Piano.
Nun sind es gleich mehrere der Waisen, die nachts hier hin pilgern, wobei der moderne, ganz andere Spielstil von Teresa, die ihre Finger von Emotionen leiten lässt, der viel lieber im Mittelpunkt stehenden Lucia (Carlotta Gamba) aufstößt, die sich immer nach Ablauf einer Sanduhr mit ihr an den Tasten abwechselt und traditionelle Klassik spielt, sehr gekonnt. Beide beginnen mit eigenen Kompositionen, während dem überforderten Perlina, der auf Befehl des Gouverneurs (Natalino Balasso) unter Zeitdruck für den bevorstehenden Besuch des frisch inthronisierten Papstes ein neues Stück präsentieren soll, nichts einfällt. Umso mehr trietzt er die jungen Damen und treibt sie so zur Verzweiflung, die aber auch so gerade existiert bei Teresa, die mit einem alten Vater von zehn Kindern zwangsverheiratet werden soll, und bei Lucia, deren heimlicher Freund ihr und den anderen die erhoffte Rettung aus dem Kollegium dann doch nicht bieten kann.
Mit “Gloria!” widmet sich Margherita Vicario einer Zeit, in der es inmitten patriarchaler Strukturen tatsächlich viele überzogen streng und freiheitsraubend betriebene Musikschulen für Waisen gab. In diesem Rahmen bietet sie eine sehr interessant und unterhaltsam aufgebaute Geschichte, deren dramatische Momente zu berühren wissen, bei der die Musik aber für Leichtigkeit sorgt. Ob die Mädels unter Perlina gekonnt ihre Passagen spielen, nachts heimlich rund um das Pianoforte die Liebe zu Klängen ausleben oder anfangs nur in Teresas Gedanken plötzlich alle Geräusche sich zu einem famosen Werk zusammen fügen – die Musik dieses Films weiß einen mitzureißen. Hinzu kommt, dass zwischen der zunächst biestig anmutenden, aber doch eigentlich warmherzigen Lucia und Teresa ein stark inszenierter Battle des Klavierspiels ausbricht, mit toller, geübter, aber doch eben sehr traditioneller Spielweise auf der einen Seite und intuitiven, von Gefühlen getriebenen, auch weit mehr Rhythmen in sich tragenden, modernen Tönen auf der anderen, in Richtung von Popmusik.
Das lässt sich aber nicht nur gut anhören, der Film ist auch stark gespielt, vor allem vom überzeugenden Trio aus Galatéa Bellugi, Carlotta Gamba und Paolo Rossi, die aus einem generell guten Ensemble heraus ragen. Eine Prise zu viel Aschenputtel-Anleihe steckt vielleicht in Teresas Figur, ansonsten aber ist sie sehr interessant ausgemalt und trägt ein zu entdeckendes Trauma mit sich herum, schließlich stellt sie sich nicht umsonst so lange stumm. Apropos Herumtragen, auch in puncto der Kostüme weiß der Film zu gefallen und mit passender Ausstattung kann man voll in die alte Zeit eintauchen. So lässt sich “Gloria!” bestens anschauen und sorgt für betrübte wie beschwingte Momente.
Trailer:
Bewertung: 9 von 10 Punkten