Home Film “Napoleon” – Ridley Scotts Historienepos mit Joaquin Phoenix ist das erhoffte Meisterwerk

“Napoleon” – Ridley Scotts Historienepos mit Joaquin Phoenix ist das erhoffte Meisterwerk

Autor: Tobi

"Napoleon" Filmplakat (© 2023 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH)

Napoleon

Darsteller: Joaquin Phoenix, Vanessa Kirby, Ludivine Sagnier, Tahar Rahim
Regie: Ridley Scott
Dauer: 158 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.Napoleon-Film.de
Facebook: facebook.com/SonyPicturesGermany
Instagram: instagram.com/SonyPictures.de
Kinostart: 23. November 2023


Wenn man mal auf Kinder und ihre Familien ausgerichtete Animationsstreifen ausklammert, dürfte kaum ein Film im Herbst 2023 vom Kinopublikum so heiß erwartet werden wie “Napoleon”. Das Historienepos vereint Regisseur und Produzent Ridley Scott und Oscar®-Preisträger Joaquin Phoenix wieder, mehr als zwei Jahrzehnte nach dem fünffach Oscar®-gekrönten, gemeinsamen Erfolg “Gladiator” (2000). Scott beschert uns kurz vor seinem 86. Geburtstag einen mit 158 Minuten durchaus langen Kinofilm, der aber über seine gesamte Spieldauer zu überzeugen weiß und nie langatmig wird.

Gedreht in England und auf Malta zeigt der Streifen den Werdegang des 1769 auf Korsika geborenen Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix), der während der Französischen Revolution mit all ihren Unruhen, das Volk immer weiter aufpuschenden, öffentlichen Guillotine-Hinrichtungen und auch innerpolitischen Querelen durch militärische Erfolge immer weiter aufsteigt. Spätestens nach der geschickt geplanten Rückeroberung der Stadt und vor allem des Hafens von Toulon von den Briten im Jahr 1793 ist der Artillerie-Kommandant zu einem gefragten Berater und Ausführer in kritischen Momenten geworden – und so wird es ihm auch überlassen, den royalistischen Aufstand 1795 mit brutalem Kanonenfeuer auf die marschierenden Anhänger des Königtums zu beenden, was ihm die Beförderung zum Divisionsgeneral einbringt.

Nachdem er auf einer pompösen Feier Joséphine de Beauharnais (Vanessa Kirby) kennenlernt, fühlt sich der zwar äußerst selbstbewusste, aber in Frauenangelegenheiten doch auch ungelenke Stratege zu der attraktiven, ihm aber nicht direkt verfallenen Schönheit hingezogen – und nachdem er bald erfährt, dass ihr Mann und Vater der gemeinsamen Kinder im Kampf verstarb, nähert er sich ihr weiter an und die beiden verlieben sich, bis im März 1796 geheiratet wird. Während Napoleon aber mit eigener Armee in Italien und Ägypten einmarschiert und militärisch dabei ist, weitere Erfolge zu feiern, wird ihm zugetragen, dass seine Frau einen jungen Liebhaber habe, worüber bald sogar die sensationslustigen Zeitungen schreiben. Also kehrt der gekränkte Bonaparte früher als geplant aus Afrika zurück und stellt Joséphine zur Rede. Es kommt zum Streit, aber nicht zur Trennung, da sie ihm, der auch schon Liebschaften hatte, nun Treue schwört.

Nachdem privat also wieder Ordnung einkehrt, kann der politische Aufstieg fortgesetzt werden. Nach einem Staatsstreich im November 1799 ist er einer von drei regierenden Konsuln, wird als Erster Konsul hierbei immer mächtiger, bis er schließlich im Dezember 1804 zum Kaiser gekrönt wird – ein Herrscher, der sich aber nicht zu schade ist, immer noch ins Feld zu ziehen und Schlachten vor Ort zu befehligen und anzuführen, was ihm Ansehen bringt. Dann aber geht es doch bergab – in jeder Beziehung. Als ihm Joséphine keinen Thronfolger gebärt, wird Ende 1809 trotz Liebe die Scheidung vollzogen, in Folge derer die beiden aber in regem Kontakt bleiben, persönlich und in zahlreichen Briefen. Und auch sonst geht es nicht siegreich weiter – wird der Russlandfeldzug 1812 doch zum Debakel und muss er sich in der Völkerschlacht bei Leipzig zurück ziehen. Entmachtung, Verbannung auf die Insel Elba, Rückkehr und Marsch auf Paris, neue Macht und die Schlacht von Waterloo – Ridley Scott lässt kaum einen wichtigen Eckpunkt aus.

"Napoleon" Szenenbild (©2023 Apple)

Eine Szene aus Apple Original Films’ und Sony Pictures’ NAPOLEON
Foto mit freundlicher Genehmigung von Sony Pictures/Apple Original Films
(©2023 Apple)

Dass der Film hierbei mehr als zweieinhalb Stunden dauert, macht absolut Sinn – und man hörte ja bereits, dass auch noch ein Director’s Cut existieren soll, der in mehr als vier Stunden neben Napoleon Bonaparte auch Joséphine noch mehr in den Fokus rücken soll, die schon im vorliegenden Schnitt viel Wichtigkeit besitzt. Nachdem der Film von den Apple Studios finanziert und realisiert wurde und nach seiner Kino-Auswertung beim Streamingdienst Apple TV+ zu sehen sein soll, kann also spekuliert werden, ob dort dann vielleicht auch – oder exklusiv nur – die noch weit längere Langfassung verfügbar gemacht wird, was Scott in einem Interview mit dem Total Film Magazin für eine gut denkbare Lösung erachtete.

Der von ihm hoch geschätzte Kollege Stanley Kubrick wollte immer einen Streifen über Napoleon drehen, dem 1999 verstorbenen Filmemacher war dies jedoch nicht vergönnt. Nun tritt Scott also sozusagen sein Erbe an, und er hat tatsächlich das erhoffte Meisterwerk erschaffen, das zu begeistern weiß. Vom Start weg nimmt der Film uns chronologisch und optimal inszeniert mit durch Napoleons Geschichte und bietet in einfach nur großartigen Kulissen tolle Bilder und Szenen, manchmal bombastisch aufgemacht. Natürlich denkt man bei Napoleon an große Schlachten, und von denen werden auch mehr gezeigt als in bisherigen Streifen, stets atemberaubend und actionreich umgesetzt, mit umwerfenden Einstellungen von Kameramann Dariusz Wolski, der schon seit “Prometheus – Dunkle Zeichen” (2012) die Bilder für Scotts Filme einfängt.

Die Kämpfe, bei denen die besonderen Strategien und Taktiken Bonapartes verdeutlicht werden, stehen aber nicht im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Person des Napoleon Bonaparte, der von Joaquin Phoenix brilliant gespielt wird. Durch militärischen Erfolg aufgeblasen ist er affektiert auftretend nicht der Beliebteste, wird dann in der Beziehung zu Joséphine, die von Vanessa Kirby nicht weniger herausragend verkörpert wird, aber auch nahbar – vielleicht weniger, wenn er mit fragwürdigen Mundgeräuschen seiner Lust Ausdruck verleiht, die hübsche Ehefrau mal wieder zu vernaschen, was nicht immer sonderlich zärtlich aussieht, aber doch mehr, wenn er zumindest bei ihr Zweifel durchscheinen lässt, große Liebe in Worten, Gesten und Briefen adressiert, menschlich und verletzlich wird. Die Schlachten sind beeindruckend dargestellt, die Szenen dieser Beziehung aber sind nicht weniger wichtig für die immense Wirkung des Films.

Das Drehbuch von David Scarpa (“Die letzte Festung”), mit dem Scott bereits vor Kurzem für seinen Thriller “Alles Geld der Welt” (2017) zusammengearbeitet hatte, wirkt optimal für solch ein großes Projekt, da es diese Balance zwischen dem Mensch Napoleon und seinen Kämpfen so kurzweilig hinbekommt. Neben ihm konnte sich Scott auf alte Vertraute wie Produktionsdesigner Arthur Max (Oscar®-nominiert für “Gladiator” und “Der Marsianer – Rettet Mark Watney”), Kostümbildnerin Janty Yates (Oscar®-ausgezeichnet für “Gladiator”) und Special-Effects-Koordinator Neil Corbould (zweifacher Oscar®-Gewinner inkl. “Gladiator” sowie für fünf weitere Scott-Streifen aktiv) verlassen – und die musikalische Untermalung von Martin Phipps weiß ebenfalls zu überzeugen.

Auch wenn “Napoleon” vielleicht in einer noch weit längeren Fassung irgendwann auf Apple TV+ zu sehen sein sollte, kann man den Kinobesuch nur empfehlen, sind diese Aufnahmen doch für die große Leinwand gemacht und entfachen hier eine immense Wirkung. Toll inszeniert und großartig gespielt nimmt uns der Film mit durch die Historie einer wichtigen Figur und präsentiert ihren Aufstieg und Fall, wobei man sich bestens unterhalten fühlt.

Trailer:

Bewertung: 10 von 10 Punkten

 

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