Home MusikKonzertberichte Rock am Ring – Bericht zum Festival am Nürburgring, 17.-19. Mai 2002

Rock am Ring – Bericht zum Festival am Nürburgring, 17.-19. Mai 2002

Autor: Tobi

Früh schon war es dieses Jahr soweit – Mitte Mai bereits Pfingsten, Mitte Mai bereits “Rock am Ring” (wie auch “Rock im Park” im Nürnberger Frankenstadion, das Parallelfestival, das hier aber nicht betrachtet wird). Letztes jahr war es zu Pfingsten Anfang Juni soooo kalt, dass die Stimmung hierunter klar litt und viele der Angereisten Zitternächte und Regentage anstatt des erhofften Spaßes hatten. Da es zwei Wochen vorher, Mitte Mai, noch richtig warm gewesen war, bestand die Hoffnung auf bessere Aussichten im Jahr 2002.

Voila, here we go – die Sonne schien wunderbar vom Himmel herab und die Temperaturen forderten kurze Behosung, als ROCK AM RING 2002 startete. Die Campingplätze waren wie immer voll, die Stimmung war dieses Jahr endlich wieder so, wie man sie sehen will – auf dem Höhepunkt. Musik vielfältigster Sorte dröhnte aus den Boxen derjenigen, die ihre Anlagen mit zum Camping gebracht hatten. Von Metal über Pop bis zu Schlager vermischt sich hier alles, so dass man sehen sollte, ein eher lautes Modul in der Nähe zu haben, um nicht immer einen Brei aus drei oder mehr Songs ertragen zu müssen. Die Bierchen, Weinchen und Schnäpschen flossen munter die Kehlen runter, jeder war gut drauf – das festival konnte beginnen.

Am Freitag startete man auf der Hauptbühne etwas gelassener, mit Soft-Popper Laith Al-Deen, mit der starken Songwriterin Jewel und mit den Counting Crows – während auf der Alternastage härtere Töne aufgefahren wurden, von A, von den Beatsteaks, von Such A Surge oder den H-Blockx. Auch Alien Ant Farm und Bush waren hier zu sehen, allerdings ließ das Programm der Center Stage dies für mich nicht zu. Michael Mittermeier war als Comedian das erste richtige Highlight auf der Hauptbühne, vor der sich nun auch schon viele menschen versammelt hatten. Seine witzige Wort-Show (er kam nicht mit seinen Songs) brachte die Masse zum Lachen, und selbst der Festivalsponsor MTV bekam für seine Moderatorinnen etwas Fett ab. Herrlich!
Es folgten Faithless, die wieder einmal den Beweis erbrachten, dass man Dance-Musik auch live wunderbar und spannend umsetzen kann, wenn man gute Musiker in den Reihen hat und sich ein packendes Konzept überlegt. Einzelne Parts ihrer Hits “Insomnia” und “God Is A DJ” wurden schon lange, bevor diese dann auch ertönten, in andere Songs mit eingespielt, so dass man durch diese kurzen Appetizer dann bereits wieder elektrisiert war, obwohl die anderen Stücke es nicht nötig hatten, eine Weckfunktion einzubauen – sehr starker Auftritt.

Carlos Santana war vor zwei Jahren schon mit seiner “Supernatural”-Show am Ring dabei, und auch diesmal kam der Altmeister wieder an den Nürburgring – da musste die Sonne ja scheinen! Südländische Klänge, Melodie-verliebt Gitarre, Gemütlichkeit – Santana war und bleibt ein Meister seiner Kunst, einfach gute Stimmung zu verbreiten, mit relaxten Rhythmen, mit natürlich tollem Saitenspiel, mit starken Songs.
Abgeschlossen wurde der Abend auf der center Stage von Lenny Kravitz, der zeigte, dass er einfach ein super Musiker ist. Mit einem Bassisten und einer Schlagzeugerin nur ging er ans Werk und überzeugte jeden Fan oder auch einfachen Zuhörer mit seinen Hits wie “American Woman”, “Fly Away” oder dem aktuellen “Stillness Of Heart”, aber auch mit seinen nicht jedermann bekannten Stücken. Tolles Konzert.
Wer noch nicht genug hatte, der pilgerte nun zur Alternastage – oder er versuchte es zumindest. Durch Umbau (das Talent Forum befand sich nun nicht mehr im Zelt, sondern links auf der Rennstrecke hinter dem Eingang) musste man durch eine relativ schmale Gasse zur zweiten Bühne, vor der es jetzt auch keinen Rasen mehr gibt – etwas unschön. Rasen hätte man nun aber sowieso nicht mehr gesehen, es war voll, sehr voll, so dass man als Nachzügler nicht mehr nach vorne kommen konnte, wenn man nicht gerade zum brutalen Drängler geboren ist. Warum die vielen Leute? Ärzte-Spaßvogel Farin Urlaub spielte live, nachdem er ja ein richtiges gutes Solo-Album an den Start gebracht hatte. Als Band hatte er sich ein paar Damen zusammengestellt, die allerdings noch nicht optimal eingespielt waren, so musste er z.B. einmal mit “Du machst das gut, aber können wir das Lied vorher noch spielen!?” seine Drummerin stoppen. Dass es bei Farin witzig werden würde, war klar, und so hatten diejenigen, die einen PLatz vor der Bühne ergattern konnten, ihren Spaß.

Der Samstag brachte zuerst einmal die Erkenntnis, dass ROCK AM RING mal wieder nicht nur bei Sonnenschein stattfinden würde – es begann zu regnen und wurde somit auch merklich kühler. Die Fans ließen sich allerdings hiervon – und es war ja im Vergleich zum Vorjahr fast noch subtropisch – nicht die Laune verderben, man saß zusammen unter den Pavillons, konsumierte den mitgebrachten Alkohol, nagelte (sprich: versuchte, mit weniger Versuchen als die anderen einen Nagel mit der flachen Seite einer Axt in einen Baumstumpf zu versenken – manche nagelten aber sicher auch anderweitig) und hatte Hoffnung, der Regen würde sich verziehen.
Auf der Alternastage machten sich Stars deutscher Musik breit – die Sportfreunde Stiller rockten in bekannter Weise drauflos, die großartigen Element Of Crime, deren Musik ja durchaus zu Regen passt, verbreiteten Melancholie, und Tocotronic stellten ihr neues, gleichnamiges Album vor, wobei sie nicht jeden überzeugen konnten. Der Knaller auf der Alternastage aber war für nachts angesetzt, wo schon lange keine Regen mehr vom Himmel fiel – gegen Abend verschwand dieser nämlich glücklicherweise. Muse spielten wieder einmal am Ring, und wer die Jungs um Sänger und Gitarrist Matthew Bellamy schon einmal live erleben durfte, der freute sich mit Sicherheit schon im Vorfeld mit am meisten auf die Drei aus Südengland. Zum Freuen hatte er dann auch gleich noch Bonuszeit, kamen Muse doch erst mit einer Stunde Verspätung auf die Bühne. was sie dann aber wieder einmal an Liveshow und großartigster Musik boten, sucht seinesgleichen. Muse rockten den Ring in Grund und Boden, begeisterten die Fans vor der Alternastage, zündeten ihr eigenes Feuerwerk. Mal wieder: wow!
Auf der Hauptbühne war als erster richtig großer Act nach Gomez und Natalie Merchant der gute Wyclef Jean angesagt, der mit seiner herzlichen Musik zwischen HipHop, R&B und Pop die hier noch vom Regen nassen Herzen erwärmte. Es folgten Jamiroquai, die mit ihrer Musik voll überzeugen konnten. Frontmann Jay Kay ist ein klasse Performer, und die Songs machen einfach Spaß. Den Abschluss bildete am Samstag auf der großen Bühne Altmeister Neil Young, dessen Liedermachergut für viele der Fans vielleicht schon gar nicht mehr zum Musikwissen gehört. Er bot ein solides Konzert, gerade die richtige Vorbereitung auf Muse (siehe oben).

Am Sonntag sah alles in puncto Wetter wieder freundlicher aus – die Sonne lachte zwischen Wolken ab und an hervor, es war wieder wärmer … alles wird gut! Bei diesem Wetter ließen es sich viele der Fans nicht nehmen, die Spaßgeräte auf dem Festivalgelände noch einmal auszutesten, auch wenn man hierfür nicht wenig löhnen durfte. Ob beim Bungeejumping kopfüber nach unten, beim Sky Seat in einer Kugel rotierenderweise nach oben oder zu zweit oder dritt wie Superman am Seil aus der Höhe hin und her schwingen (Superman ist mehr das “hin”, wobei er allerdings ohne Seil agierte) – hier alles möglich. Insgesamt muss man übrigens anmerken, dass offensichtlich weniger Besucher den Weg zu ROCK AM RING 2002 gesucht hatten als z.B. noch vor zwei Jahren – vielleicht eine Folge des mieswettrigen Vorjahres. trotzdem aber war es antürlich noch gut voll.
Musike am Sonntag? Auf der Alternastage war spielte HipHop die erste Geige, auch wenn mit Britpopper und Avantgarde-Musiker Ian Brown mal etwas anderes dazwischen gerutscht war. Dieser tippelte vor nur wenigen Zuschauern britpoplike mit den Füßen hin und her, spielte mit einem Inder (oder ähnlich) an Rhythmusgeräten seine Musik aber etwas emotionslos herunter – ist auf CD sicher besser als live. Ansonsten ließen Chima, Gentleman, Blumentopf und Eins, Zwo schon mal Reggae und Sprechgesang hoch leben, bevor die Groove Armada ihre Mixtur aus elektronischer Musik, Pop, Dance, HipHop und – dem Namen folgend – viel Groove präsentierte – klasse Konzert. Hightlight des Abends auf der Alternastage waren Fettes Brot, die von den Fans auch stürmisch gefeiert wurden, nicht nur bei “Schwule Mädchen”, was sie als Zugabe eines insgesamt eher kurzen Konzertes darboten, sondern auch bei der im 80er-Discostyle daherkommenden “Nordisch By Nature”, bei “The Grosser” und anderen Stücken. Abschließend spielte noch Macy Gray und gab dem Ganzen die internationale Komponente zurück.
Auf der Hauptbühne ging es unterdessen, wie schon die letzten Jahre, hart zu am Sonntag. Die Heavy Metaller der Black Label Society und Drowning Pool heizten die Stimmung an und lockten die Fans nach und nach vor die Bühne, ehe die momentan ja sehr angesagten Gottesboten von P.O.D. das erste Highlight hier setzen, mit einem soliden Konzert, bei dem natürlich vor allem die Singles “Youth Of The Nation” und “Alive” gefeiert wurden. Es folgten die immer großartigen Punkrock-Veteranen von Bad Religion, die eine prima Mixtur aus alten und neuen Stücken spielten – ja wieder mit Gründungsmitglied Brett Gurewitz vereint, der sichtlich auch Spaß hatte. Prima Musik, nach wie vor.

System Of A Down hatten kürzlich mit “Chop Suey” einen Szene-Hit, der sie prompt auf die Hauptbühne bei Rock am Ring beförderte, wo sie nun zeigen konnten, dass ihre eigenwillige, avantgardistische Art des Metal wirklich sehr interessant ist und sie eine gute Show abliefern. Dann wurden die Kameras abgeschaltet, nix mehr war’s mit Konzertübertragung auf die Großleinwände neben der Bühne. Grund: Tool spielten auf, mit einer Show der anderen Art. Sänger Maynard James Keenan stand nicht vorne auf der Bühne, sondern etwas links, etwas erhöht auf einem kleinen Podest, vor einer Leinwand. Auf dieser, hinten auf der Bühne und auf den Großleinwänden neben ihr waren nun kunstvolle, das gesamte Konzert begleitende Videoeinspielungen zu sehen – zuckende Körper hauptsächlich, irgendwie krank und faszinierend zugleich. Musikalisch konnten Tool voll überzeugen – Maynards Stimme ist sehr stark, und die Songs sind abwechslungsreicher Metal par excellence. Klasse. Nicht so klasse war der finale Akt auf der Hauptbühne. Uralt-Rocker Ozzy Osbourne feierte eine kleine private Party für die vorderen Reihen – die Großleinwände nämlich blieben schwarz, und dies im gegensatz zu Tool ohne Grund. Vielleicht wollte Ozzy nicht, dass man die Spuren jahrzentelangen Rockerdaseins in seinem Gesicht lesen kann. Auch musikalisch bot Ozzy wenig von dem, was man heute noch hören will – man merkt’s, ich bin kein Fan, werde auch keiner. Die meisten anderen Anwesenden dachten hier wohl ähnlich, und als Ozzy nach nur knapp einer Stunde von der Bühne ging und das Feuerwerk das Ende für 2002 auf der Hauptbühne untermauerte, sehnten sich viele wohl den letztjährigen Headliner Limp Bizkit wieder herbei.

Insgesamt war ROCK AM RING 2002 in jedem Fall ein gelungenes Festival – spaßig, friedlich, oft sonnig und mit jeder Menge guter Musik gespickt. Pfingsten 2003 kann kommen…

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Website von Rock am Ring

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