22 Bahnen
Darsteller: Luna Wedler, Jannis Niewöhner, Laura Tonke, Zoë Baier
Regie: Mia Maariel Meyer
Dauer: 102 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: constantin.film/kino/22-bahnen
Facebook: facebook.com/constantinfilm
Instagram: instagram.com/constantinfilm
Kinostart: 4. September 2025
„22 Bahnen“, weniger durften es im Schwimmbecken für Tilda, Protagonistin in Caroline Wahls 2023 veröffentlichtem Bestseller, nicht sein um ihren Alltag wenigstens für eine kurze Zeit vergessen zu können. Ein eindrücklich geschildertes Schicksal, das auch Regisseurin Mia Maariel Meyer nicht kaltließ und zu ihrer gleichnamigen Kinoadaption des Stoffes veranlasste, in der sie uns jetzt einfühlsam die Sorgen und Nöte der Tochter einer Alkoholikerin präsentiert.
Luna Wedler gibt Meyers Mathestudentin Tilda wunderbar hin- und hergerissen zwischen vollem Einsatz für die Kleinfamilie ihrer alkoholkranken Mutter (Laura Tonke) und natürlichem Freiheitsdrang einer normalen Mittzwanzigerin. Der wird noch größer, als der begabten Mathematikerin von ihrem Professor eine verlockende Promotionsstelle in Berlin in Aussicht gestellt wird, mit der sie ihr belastendes Leben in der Provinz endgültig hinter sich lassen könnte. Aber schließlich gibt es da ja noch Ida (Zoë Baier), ihre kleine Schwester und Ein und Alles, die sie verantwortungsbewusst keinesfalls mit der unzuverlässigen Mutter alleinlassen kann.
Denn die entspricht ganz dem typischen Muster einer schwer Suchtkranken, gelobt mit schuldbewussten Entschuldigungen nach dem jüngsten Fehltritt zwar Besserung, nur um am nächsten Tag wieder komplett alkoholisiert fast die Wohnung abzufackeln. Trotz aller Hoffnungen Idas hat sich die abgeklärtere Tilda da Mitleid und Vergebung angesichts jahrelanger Enttäuschungen schon zum eigenen Schutz längst abgewöhnt und die Verantwortung für einen funktionierenden Haushalt schon geraume Zeit von der oftmals unpässlichen Mutter übernommen. Das spielt Luna Wedler beeindruckend natürlich, macht uns vertraut mit den täglichen Herausforderungen ihrer Tilda zwischen Studium, Job an der Supermarktkasse und den nächsten Entgleisungen ihrer Mutter, zu der sie so gern ein normales Verhältnis aufbauen würde.

Ida (Zoë Baier) und Tilda (Luna Wedler)
(© Constantin Film Distribution / Gordon A. Timpen)
Aus Erfahrung jedoch weiß sie es besser, schottet sich lieber emotional ab und funktioniert einfach nüchtern, hauptsächlich um der kleinen Ida ihr eigenes Schicksal und eine weitere Eskalation der Familiensituation zu erparen. Und dann sind da ja auch noch die bösen Geister der Vergangenheit, denen Tilda bei ihren Schwimmbadbesuchen mit Ida regelmäßig in Person des ungemein attraktiven Viktor (Jannes Niewöhner) begegnet. Der verkörpert als Bruder ihres früheren Schulfreundes Ivan nämlich ein mysteriöses Trauma, saß er doch bei einem tragischen Unfall mit im Auto, der damals Ivan das Leben kostete. Fast schon zu viel an emotionalem Ballast, den die viel zu schnell erwachsen gewordene Tilda hier mit sich herumträgt und jetzt mit der Annäherung an Viktor endlich aufzuarbeiten beginnt.
Das alles reicht uns Meyer in ruhigem Erzähltempo dar und gibt ihrem Ensemble damit ausreichend Raum zur Entfaltung. Den weiß dies, allen voran Luna Wedler und Laura Tonke in ihrer unheimlich authentischen Auseinandersetzung zwischen desillusionierter Tochter und immer wieder abstürzender Mutter, ausdrucksstark zu nutzen und involviert uns ergreifend in die tragische Geschichte. Dabei gelingt es der Regisseurin, die realistische Schilderung der Probleme von Angehörigen Suchtkranker, die schon der Romanvorlage zu ihrem enormen Erfolg verhalf, ungefiltert auf die Leinwand zu übertragen und uns so bestens zu unterhalten.
Manchmal ist es geradezu schmerzhaft, mitansehen zu müssen, wie Tilda unter den Verfehlungen ihrer Mutter zu leiden und neben ihrem Studium noch so viel zu stemmen hat. Und doch macht uns Luna Wedler als starke Tilda, die nie den Schutz ihrer kleinen Schwester aus den Augen verliert, Hoffnung, dass selbst ausweglose Situationen mit fast übermenschlicher Anstrengung zu meistern sind. Langsam schwimmt die sich mit der größtmöglichen Ertüchtigung Idas zum selbstverantwortlichen Leben ganz zum Titel passend frei und bringt Meyers bewegenden Film trotz aller Dramatik zu einem versöhnlichen Ende.
Trailer:
Bewertung: 7 von 10 Punkten
