Amrum
Darsteller: Jasper Billerbeck, Laura Tonke, Lisa Hagmeister, Diane Kruger
Regie: Fatih Akin
Dauer: 93 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.warnerbros.de/de-de/filme/amrum
Facebook: facebook.com/WarnerBrosDE
Instagram: instagram.com/warnerbrosde
Kinostart: 9. Oktober 2025
Schon das erste Bild verdeutlicht, worum es in Fatih Akins („Auf der anderen Seite“, „Aus dem Nichts“) neuem Werk „Amrum“ gehen soll: Bedrohlich nähert sich da die Bomberstaffel den Feldarbeitern, nur um beim Überfliegen auf ihrem Weg zum Festland zu bestätigen, dass sie Landwirtschaft wirklich als Allerletztes interessiert und sie allerhöchstens ihren Bombenballast über dem Meer abwerfen wollen. Persönliche Erinnerungen, die der Regisseur und Schauspieler Hark Bohm („Nordsee ist Mordsee“, „Yasemin“) in das Drehbuch von Akins Film und anschließend auch gleich in seinen gleichnamigen, autobiografischen Roman gegossen hat. Nach wiederholter Zusammenarbeit („Tschick“, „Aus dem Nichts“) nachvollziehbarerweise eine große Aufgabe, die Akin hier mit der Verfilmung des Buchs seines inzwischen 86-jährigen Freundes und früheren Mentors, für die der nicht mehr die nötige Kraft aufbrachte, übernommen hat.
Die spielt im Frühjahr 1945 auf der titelgebenden, nordfriesischen Insel, auf der der 12-jährige Nanning (sensationell: Jasper Billerbeck) die letzten Wehen des Zweiten Weltkriegs miterlebt. Vor nicht allzu langer Zeit mit Mutter (Laura Tonke), Tante (Lisa Hagmeister) und zwei kleineren Geschwistern vor dem Bombenhagel in Hamburg geflohen, macht der die Erfahrung, dass auch auf der von Kampfhandlungen weitgehend verschonten Insel das Leben gegen Ende des Kriegs keinesfalls ein Zuckerschlecken ist. Denn auch auf dem Land an der Nordsee ist die Versorgungslage alles andere als rosig, und so hilft Nanning seiner Mutter bei der Ernährung der Familie wo er nur kann.
Doch das ist nicht das einzige Problem, fällt die als der Nazi-Ideologie komplett verfallene Gattin eines kriegsgefangenen NS-Funktionärs doch jetzt nach der Geburt ihres vierten Kindes in eine gewaltige Depression, wo sich alle, allen voran Kartoffelbäuerin Tessa (platt sprechend: Diane Kruger), längst nach dem Kriegsende sehnen. Keine einfache Zeit also für den zugereisten „Festländer“ und Sohn aus denunzierendem Nazi-Haus, sich in der überall wahrnehmbaren Umbruchstimmung zu behaupten und dabei auch noch den ungebrochenen Durchhalteparolen seiner Mutter zu trotzen, die den verkündeten Tod des geliebten Führers kaum verkraftet.

(© Warner Bros. Pictures)
Stimmungsvoll und in dezenten Sepiatönen fängt Regisseur Akin hier die Tage der Veränderung ein und bildet damit in ungewohnt ruhigen Bildern wunderbar die Atmosphäre der Ungewissheit ab, die sich in der ruppigen Landbevölkerung an der Nordsee breitmacht, als der Abschied von der Nazidiktatur unmittelbar bevorsteht. Wie aber damit umgehen, wenn wie beim heranwachsenden Nanning die Existenz der Familie davon abhängt, und für Mama Hille eine Welt zusammenbricht. Gut, dass es im Haus mit Tante Ena noch den pragmatischen Gegenpol gibt, der Hille immer wieder einnordet und dem verunsicherten Nanning zumindest etwas Halt gibt. Dem nämlich geht das Heil der Mutter über alles, und so wird deren Wunsch nach einem Weißbrot mit Butter und Honig zur nahezu unerfüllbaren Mission.
Es zeugt schon von enormem Kampfgeist, wie der gutmütige Nanning, von der jungen Entdeckung Jasper Billerbeck genauso natürlich wie ausdrucksstark gespielt, hier zwischen Mobbing durch die Insulaner und Selbstaufgabe der Mutter in deren Wunsch Orientierung und ein neues Ziel findet, dem er alles andere unterordnet. Und dann sind da ja noch die vielen Geflüchteten aus Ostpreußen, deren halbwüchsige Kinder ihm immer wieder das Leben schwer machen.
Anders als in seinen früheren Werken bleiben bei Fatih Akins Coming-of-Age-Geschichte die Paukenschläge diesmal fast gänzlich aus, setzt er eher auf eine behutsame Erzählweise und lässt uns die Problematik des Kriegsendes mit all seinem Durcheinander und neuen Überlebensstrategien präzise durch Nannings Blicke beobachten. Das ist eingebettet in das ruhige Temperament der Nordfriesen nicht nur ungeheuer authentisch und unterhaltsam, sondern setzt gerade zum Ende hin auch noch emotionale Akzente, die noch lange nachwirken.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten
