Home Film “Balconettes” – reichlich unausgegorener Genre-Mix mit feministischer Botschaft

“Balconettes” – reichlich unausgegorener Genre-Mix mit feministischer Botschaft

Autor: Mick

"Balconettes" Filmplakat (© PROGRESS Filmverleih)

Balconettes

Darsteller: Noémie Merlant, Souheila Yacoub, Sanda Codreanu, Lucas Bravo
Regie: Noémie Merlant
Dauer: 104 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.progress.film/de/filmverleih/balconettes
Facebook: facebook.com/progress1950
Instagram: instagram.com/progress1950
Kinostart: 8. Mai 2025


„Balconettes“, die zweite Regiearbeit der französischen Schauspielerin Noémie Merlant wirft von Anfang an Fragen auf. Das ist gewollt und regt angenehm zum Nachdenken an, wirkt aber gleichzeitig immer wieder reichlich irritierend. Keine gute Voraussetzung für einen Streifen, der eine ernste feministische Botschaft übermitteln soll und deswegen ein gewisses Maß an Stimmigkeit gut vertragen könnte. Die jedoch lässt das Drehbuch, das die Regisseurin in ihrer zweiten Zusammenarbeit mit Céline Sciamma – für die stand sie in dem großartigen „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ (2019) noch vor der Kamera – verfasst hat, schon in seiner an Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“ erinnernden Einführung vermissen.

Marseille ächzt hier unter einer Hitzewelle, wer also sollte sich bei Mitte 40°C in die erbarmungslos vom Himmel knallende Sonne auf den titelgebenden Balkon begeben? Natürlich ist die Intention der Autorinnen ersichtlich, das Geschehen vom Privaten der Wohnungen in die von der Nachbarschaft einsehbare Öffentlichkeit zu verlagern. In Erinnerung der letzten heißen Tage aber hinterlässt die eigentlich wunderbar geschaffene Hochsommeratmosphäre beim Betrachten des Treibens vor allem Stirnrunzeln. Doch gehen wir mit Merlants Film mal nicht so hart ins Gericht, schließlich gerät ihre Exposition außer der anfänglichen Verwirrung ja durchaus einfühlsam.

Sie macht uns mit den drei Freundinnen Nicole (Sanda Codreanu), ihrer Mitbewohnerin Ruby (Souheila Yacoub) und der spontan dazustoßenden Elise (Merlant höchstselbst), die gerade ihren übergriffigen Mann verlassen hat, bekannt. Unterschiedlicher als die drei könnten die Charaktere nicht sein – und stellen damit die nächste Frage nach wirklich unvermeidbaren Stereotypen –, denn während die schüchterne Nicole gerade beim Schreiben ihres ersten Romans verzweifelt, verdient die sexuell aufgeschlossene Ruby ihr Geld als Camgirl und die im Marilyn-Monroe-Outfit direkt vom Set anreisende Schauspielerin Elise verkörpert die hemdsärmelige Anpackerin. Gemein allerdings haben sie ihr Schwärmen für den überaus attraktiven Magnani (Lucas Bravo) von gegenüber, der sich natürlich immer wieder spärlich bekleidet am Fenster zeigt.

"Balconettes" Szenenbild (© 2024 PROGRESS Filmverleih - Nord-Ouest Films - France 2 Cinéma)

(© 2024 PROGRESS Filmverleih – Nord-Ouest Films – France 2 Cinéma)

Das alles mutet zunächst wie ein weibliches Buddy-Movie an, ist temporeich-schrill inszeniert und lässt in den besten Momenten tatsächlich an Pedro Almodóvars abgedrehte Frauenkomödien denken, wenn sich die drei für ein spontanes, schwül-heißes Date bei Magnani einfinden. Augenblicklich aber schlägt die Szenerie in grotesken Splatter um, als sich nach Rubys anschließendem nächtlichen Schäferstündchen der Fotograf morgens tot auf seinem eigenen, meterhohen Stativ steckend wiederfindet. Der erwies sich zuvor als zudringlicher Vergewaltiger, und so sind die skurrilen Aufräumarbeiten der Freundinnen nach Rubys rasch rekonstruierter Selbstverteidigung durchaus erheiternd.

Schnell macht die Regisseurin klar, ihre Protagonistinnen wissen sich der omnipräsenten männlichen Übergriffigkeit zu erwehren und geben ihrer deutlich feministischen Botschaft ein Gesicht. Warum sie ihre bis dahin wirklich unterhaltsame, schwarzhumorige Komödie dann in eine sonderbare Geistergeschichte kippen lässt, bleibt dagegen rätselhaft. Denn plötzlich sehen sich außer den drei Freundinnen auch andere wehrhafte Frauen den Wiedergängern ihrer vormals gewalttätigen Opfer gegenüber, die nicht nur bei ihnen sondern genauso bei uns für reichlich Konfusion sorgen.

Zusammen mit dem immer oberflächlicher werdenden Humor der hyperaktiven Vertuschungsbemühungen der drei geht Merlants anfangs stimmiger Feminismus-Komödie so allzu verspielt zunehmend die Harmonie verloren, die uns trotz einiger Fragezeichen belustigt die Verwicklungen ihrer Akteurinnen im sommerlich-heißen Milieu Marseilles verfolgen ließ. Immerhin bleibt ihr Film ein deutliches Statement für Frauenrechte, in dem ihren drei Hauptdarstellerinnen ihre Spielfreude bei der Verkörperung eines selbstbewussten Frauenbilds jenseits reiner Körperlichkeit in jeder Szene anzumerken ist. Dass ihre Figuren jedoch teilweise genau diese Klischees bedienen, ist fragwürdig und fügt sich ein in den Eindruck einer vertanen Chance, den der unausgegorene Genre-Mix am Ende hinterlässt.

Trailer:

Bewertung: 5 von 10 Punkten

 

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