Home Film “Bones and All” – eine beeindruckende Fusion aus Romanze, Coming-of-Age, Roadtrip und Horror

“Bones and All” – eine beeindruckende Fusion aus Romanze, Coming-of-Age, Roadtrip und Horror

Autor: Tobi

"Bones and All" Filmplakat (© 2022 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.)

Bones and All

Darsteller: Taylor Russell, Timothée Chalamet, Mark Rylance, Michael Stuhlbarg
Regie: Luca Guadagnino
Dauer: 131 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.warnerbros.de/de-de/filme/bones-and-all
Facebook: facebook.com/WarnerBrosDE


Als der italienische Regisseur Luca Guadagnino für seine 2017er-Romanverfilmung “Call Me by Your Name” die zweite Hauptrolle neben Armie Hammer an den zwar bereits in diversen kleineren Nachwuchsrollen wie bei der TV-Serie “Homeland” (2012) und Filmen wie “Interstellar” (2014) oder “Alle Jahre wieder – Weihnachten mit den Coopers” (2015) vertretenen, aber doch noch eher unbekannten Timothée Chalamet vergab, resultierte dies nicht nur in vier Oscar®-Nominierungen, sondern auch darin, dass der Jungschauspieler zum Star wurde, ebenso angehimmelt von Fans seiner Generation wie hochgelobt von Kritikern.

Mit “Lady Bird”, “Little Women”, “The French Dispatch” und Hauptrollen in “The King”, “A Rainy Day in New York” und vor allem “Dune” untermauerte Chalamet seinen Status, die von Guadagnino einst angedachte Fortsetzung von “Call Me by Your Name” blieb allerdings bislang aus, auch wenn dessen Vorlagen-Autor Andre Aciman die Figuren im 2019 veröffentlichten Roman “Find Me” wieder aufleben ließ. Ein Hindernis könnte natürlich darin liegen, dass es um Armie Hammer Gerüchte gab, er habe sexuelle Phantasien, die Missbrauch und Kannibalismus beinhalten würden, was ihn trotz Leugnung einige Filmprojekte kostete.

Fast schon ironisch mutet es an, dass sich die neue Zusammenarbeit von Luca Guadagnino und Timothée Chalamet um Kannibalismus dreht, aber vor allem auch um die Liebe und die Suche nach der eigenen Identität. Hierbei handelt es sich erneut um eine Romanverfilmung, denn das Drehbuch von David Kajganich basiert auf dem 2015 veröffentlichten “Bones and All” von Camille DeAngelis.

Eigentlich möchte Maren Yearly (Taylor Russell) nur ein ganz normaler Teenager sein, sich mit Freundinnen treffen und auch mal auf Partys gehen. Ihr Vater Frank (André Holland) scheint dies aber nicht zu erlauben und schließt sie abends in ihr Zimmer ein. Dass er dies nicht aus Gemeinheit oder überzogener Fürsorge tut, wird bald klar, als sich die 17-Jährige eines Nachts aus dem Haus schleichen kann und dann mit drei anderen Mädels abhängt, bis sie einem den Finger bis auf den Knochen abnagt.

Die blutige Schock-Eröffnung nimmt uns mit in Marens unschöne Realität, eine “Esserin” zu sein, die dem Verlangen nicht widerstehen kann. Mal wieder müssen Vater und Tochter eine Stadt fluchtartig verlassen, jedoch bringt die neue Heimat keinen andauernden Versuch des Zusammenlebens mehr. Frank kann nicht mehr und steckt auf. Als Maren 18 wird, verlässt er sie und hinterlässt lediglich ihre Geburtsurkunde und eine Cassette, die er für sie eingesprochen hat und auf der er ihr die bestialischen Vorfälle des Heranwachsens seit dem ersten Herfallen über ihren Babysitter noch einmal ruhig in Erinnerung ruft.

Maren fühlt sich alleine gelassen, verwirrt und ziellos, bis sie den Plan fasst, ihre leibliche Mutter zu suchen, die sie nie traf, denn durch das Dokument kennt sie nun zumindest ihren Namen. Eine Reise durch mehrere Staaten beginnt, auf der sie recht bald feststellt, dass sie nicht als einzige vom Zwang des Menschenfleisch-Essens besessen ist. Maren begegnet dem alten Sully (Mark Rylance), der sie “errochen” hat und der ihr mit einer Sterbenden ein Mahl bereitet, ansonsten aber doch zu exzentrisch und undurchschaubar ist, um länger bei ihm zu verweilen. Vor allem aber trifft sie auf Lee (Timothée Chalamet), der nicht nur ebenfalls noch recht jung ist, sondern mit seiner unaufgeregten Art und trockenem Charme erst ihr Vertrauen, dann auch ihr Herz gewinnt, sich hierbei ihrer Reise anschließt.

"Bones and All" Szenenbild (© 2022 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.)

(© 2022 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.)

Mit “Bones and All” ist Guadagnino und Chalamet eine weitere sehr bemerkenswerte Zusammenarbeit gelungen. Die Fusion aus einer behutsam erzählten Romanze, Coming-of-Age, Roadtrip und durchaus nicht zimperlichen Horrorelementen funktioniert erstaunlich gut und die blutigen Szenen sind zwar nichts für seichte Gemüter, gehören aber zur ungewöhnlichen Story und schaden der Schönheit des Films überraschend wenig, der durchaus auch poetisch daher kommt.

Beim Filmfestival von Venedig 2022 nahm Guadagnino hierfür den Silbernen Löwen in der Kategorie “Beste Regie” mit nach Hause, und die neben dem erneut überzeugenden Timothée Chalamet groß aufspielende Taylor Russell wurde mit dem Marcello Mastroianni Award als Beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet. Der gesamte Cast passt bestens, und dass der gerade durch seine blutrünstige “Halloween”-Trilogie aufgefallene Regisseur und Drehbuchautor David Gordon Green nach kurzer Selbstverkörperung in “Massive Talent” erneut schauspielerisch aktiv ist und als Brad eine Art mitreisenden Groupie des Essers Jake (Michael Stuhlbarg) spielt, der am Lagerfeuer verrät, dass das Verspeisen eines kompletten Menschen mit Haut und Knochen (Bones and All) das Allerbeste sei, birgt auch etwas Ironie.

Angesiedelt ist die Handlung in der Reagan-Ära, also den 80ern, was hin und wieder auch für einen nostalgischen Einschlag sorgt und Diskussionen Raum bietet, ob der Kannibalismus sinnbildlich für diverse gesellschaftliche und politische Verfehlungen der Zeit steht, was aber angenehm offen gelassen wird. Ein bemerkenswerter Film, der mit tollen Bildern daher kommt und definitiv im Gedächtnis bleibt.

Trailer:

Bewertung: 8 von 10 Punkten

 

Related Articles