
Bugonia
Darsteller: Jesse Plemons, Emma Stone, Aidan Delbis, Mark T. Lewis
Regie: Yorgos Lanthimos
Dauer: 120 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.upig.de/micro/bugonia
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Instagram: instagram.com/universalpicturesde
Kinostart: 30. Oktober 2025
Ein bisschen durchgeknallt war Regisseur Yorgos Lanthimos („The Lobster“, „The Favourite“) schon immer und entwickelte aus seinen Filmen regelmäßig attraktive sozialpsychologische Gedankenspiele, die sein Publikum ein ums andere Mal forderten. Nicht zuletzt sein genialer Frankenstein-Verschnitt „Poor Things“ (2023) sprühte nur so vor Witz und überraschenden Einfällen, dass er Kritik und Besucher gleichermaßen zu wahren Lobeshymnen hinriss. Eine hohe Hürde, die sein Nachfolger, der etwas krude Episodenfilm „Kinds of Kindness“, letztes Jahr einfach nicht überspringen konnte, so gewaltig war die Last der Erwartungen. Nun also mit seinem Remake des südkoreanischen „Save the Green Planet!“ als abgehobenes Sozialdrama „Bugonia“ ein neuer Versuch an den Megaerfolg anzuknüpfen, bei dem Lanthimos etwas weiniger experimentell wieder auf sein bewährtes Personal vertraut.
Jesse Plemons spielt hier den verblendeten Außenseiter Teddy, dessen Leben diametral zu dem der karrieregeilen CEO eines Pharmakonzerns Michelle (Emma Stone) verläuft, was Lanthimos wunderbar schon in seiner Eingangssequenz veranschaulicht. Bestimmt nicht der einzige Grund, sie zusammen mit seinem geistig minderbemittelten Cousin Don (Aidan Delbis) zu entführen und gefesselt im Keller seines Hauses gefangenzuhalten. Was aber hat er mit ihr vor? Bei der Beantwortung dieser Frage macht es uns der Regisseur wirklich nicht leicht, haben wir uns erstmal ein Bild vom schmuddeligen gesellschaftlichen Verlierer Teddy gemacht, dem das Schicksal bisher so böse mitgespielt hat. Seine Mutter nämlich liegt seit einer Medikamententherapie eben jenes Arzneimittelherstellers schon jahrelang im Wachkoma, Zeit genug also für den prekär gerade dort beschäftigten Lageristen sich mit den Machenschaften des Konzerns und sozialen Verwerfungen allgemein zu beschäftigen.
Das Resultat seiner ausgiebigen Internetrecherchen jedenfalls kristallisiert sich beim klar und kurzweilig inszenierten Streifen erst nach und nach heraus und lautet angesichts des unkonventionellen bisherigen Werks des Regisseurs kaum überraschend: Michelle ist ein Alien, das es bei seiner Mission auf der Erde allein auf die Zerstörung der Menschheit abgesehen hat. Und schon wieder sind wir mittendrin in einem Gedankenkonstrukt, das uns eine Menge Interpretationsspielraum lässt. Kann es Lanthimos mit seinem bizarren Ausgangssetting und Teddys Überzeugung tatsächlich ernst meinen, oder steht diese etwa nur metaphorisch für das gewissenlose Vorgehen so mancher Chemieunternehmen in unserer Gesellschaft? Für Belustigung jedenfalls sorgt er mit Teddys Ausführungen allemal, die Michelle zum Abrücken von ihren angeblichen Plänen bringen sollen und die mit allen Wassern gewaschene Managerin bei der Entwicklung einer Fluchtstrategie genauso wie uns erstmal sprachlos machen.

Emma Stone als Michelle, Aidan Delbis als Don und Jesse Plemons als Teddy
(© 2025 Atsushi Nishijima / Focus Features. All Rights Reserved.)
Hin- und hergerissen sind wir anschließend bei der Verteilung unserer Sympathien, wenn sich der selbsternannte Menschheitsretter Teddy und die psychologisch geschulte Verkörperung der modernen Powerfrau Michelle aneinander abarbeiten und versuchen, nicht nur als ideologischer Sieger aus der Situation hervorzugehen. In der allerdings sieht sich die smarte Konzernchefin gefesselt dem dem Wahnsinn bedrohlich nahestehenden Loser komplett ausgeliefert und sucht nun in geschickter mentaler Beeinflussung ihre Chance, die eher bei Cousin Don Aussicht auf Erfolg hat und uns ein spannendes Schauspiel psychologischer Winkelzüge bietet.
Jesse Plemons‘ atemberaubende Performance ist dabei wirklich sensationell, bringt uns in der Grauzone immer absurder werdender Verschwörungstheorien ihre Verfänglichkeit bei Unterprivilegierten glaubhaft näher und macht seinen besessenen Teddy trotz des Verbrechens zum bemitleidenswerten Underdog. Der verspürt mit der Entführung nach Jahren der Hilflosigkeit endlich Macht über die sozialen Entscheidungsträger, selbst wenn die wie im Falle der von Emma Stone mit vollem Einsatz bis zur fast schmerzhaften Rasur ihres Schädels mit einer Mischung aus Arroganz und Unnahbarkeit gegebenen Firmenchefin in seinen Augen einem noch höheren Plan folgen.
Aus dem anfänglichen Thriller entspinnt sich langsam ein tiefgründiges, gesellschaftskritisches Kammerspiel, das Lanthimos zu einem zähen verbalen Ringen um Wahrheit, Moral und Verblendung werden lässt in einer Welt, in der die Menschen nicht nur in Pharmakonzernen immer selbstzerstörerischer handeln. Seine packende Mischung aus SciFi-Satire, Drama und Psychothriller überzeugt dabei einmal mehr mit einem skurrilen Humor, der dennoch eine eindringliche Beschäftigung mit der ernsthaften Thematik erlaubt und den Film wieder einmal zu einem anregenden Vergnügen macht.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten


