Home Film “Irrlicht” – das surrealistische Coming-out-Drama ist vornehmlich irritierend

“Irrlicht” – das surrealistische Coming-out-Drama ist vornehmlich irritierend

Autor: Mick

"Irrlicht" Filmplakat (© Salzgeber)

Irrlicht

Darsteller: Mauro Costa, André Cabral, Joel Branco, Oceano Cruz
Regie: João Pedro Rodrigues
Dauer: 67 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.salzgeber.de/irrlicht
Facebook: facebook.com/edition.salzgeber


Für Mainstreamkino ist der Portugiese João Pedro Rodrigues sicher nicht bekannt, hat mit seinem experimentellen Werk („O Fantasma“, „Der Ornithologe“) bisher eher an unsere Fantasie appelliert und genau dies als Mittel benutzt um seine Botschaften zu transportieren. Auch seinen neuen Film „Irrlicht“ kann man nicht als geradlinig bezeichnen, denn was er uns hier als Mischung aus Musical, Komödie und Coming-out-Drama präsentiert, fordert von uns oft einiges an Transferleistung ein.

Er katapultiert uns anfangs durch eine Einblendung in das Jahr 2069, als der im Sterben liegende Monarch Alfredo (Joel Branco) auf seine bewegte Jugend zurückblickt. Schon dieses kunterbunte Szenario des schwer atmenden Königs mutet etwas befremdlich an und macht uns damit den Einstieg in den Film nicht gerade leicht. Ob das aber negativ oder positiv zu bewerten ist, ist erstmal gar nicht so leicht zu entscheiden, weckt Rodrigues‘ avantgardistische Inszenierung doch zunächst einmal unser Interesse und hebt sich so angenehm von sonstiger Kino-Dutzendware ab.

Anschließend begleiten wir den jungen Prinzen Alfredo (Mauro Costa), der so gar nicht den von seinen Eltern vorgegebenen royalen Pflichten nachkommen will, sondern sich eher gesellschaftskritisch von der Umweltaktivistin Greta Thunberg inspirieren lässt. Überhaupt hat der schöngeistige Kunstgeschichtsstudent mit konservativem Standesdenken, welches ihn allein durch seine Geburt zum Begünstigten macht, wenig am Hut, macht sich viel mehr Gedanken um den durch den Klimawandel bedrohten Waldbestand und will diesen schützen, indem er sich ganz unstandesgemäß zum Feuerwehrmann ausbilden lässt. Schon dies ist eher Deutung als Inhaltsangabe, denn die Wertschätzung der Bäume vermittelt uns Rodrigues in langen, surrealistischen Gesangs- und Tanzeinlagen von Kindern im deutlich geschädigten Wald, die uns schnell auf eine erste Geduldsprobe stellen.

"Irrlicht" Szenenbild (© Salzgeber)

(© Salzgeber)

Ein vorschnelles Urteil jedoch verbietet sich von selbst, und so nimmt der außergewöhnliche Streifen, hat man sich einmal ganz unvoreingenommen auf ihn eingelassen, tatsächlich Fahrt auf, als Alfredo seinen Job bei der Feuerwehr antritt. Da sieht sich der zarte Prinz Alfredo im harten Drill der durchtrainierten Feuerwehrleute selbstverständlich den gängigen Vorurteilen ausgesetzt, die nichts so gut verkörpert wie die autoritäre Ausbildungsleiterin (Claudia Jardim). Die erinnert mit ihrem Gebaren und ihrer Figur einer russischen Kugelstoßerin eher an eine Bootcamp-Aufseherin und sorgt so für den einen oder anderen komischen Moment.

Doch damit ist das komödiantische Potenzial von Rodrigues‘ Genre-Mix auch schon ausgeschöpft, inszeniert er Alfredos Aufnahme im Kreis der Truppe überaus homoerotisch und den Ausbildungsalltag als musicalartigen, abstrakten Tanz. Das ist zwar sehr ästhetisch eingefangen, eine größere Aussagekraft aber erschließt sich aus diesen ausufernden Szenen nicht. Und schon mischt der Regisseur ein weiteres Genre in sein unausgegorenes Werk, wenn sich der junge Alfredo in seinen attraktiven Ausbilder Alfonso (André Cabral) verguckt, und sich die beiden überaus explizit im Wald einander hingeben. Das nimmt angesichts des nach Orientierung suchenden Alfredo starke Züge eines Coming-out-Dramas an und provoziert gleichzeitig durch die einschlägige Sexszene.

Damit überlädt der Regisseur seinen Film endgültig und überfordert so auch den geneigtesten Zuschauer. Zwar animiert er mit seiner interessanten Mischung zum Nachdenken, seine ambitionierten, entrückten Szenen, deren Intention nicht immer klar wird, ermüden dabei aber zunehmend. So will er letztendlich zu viel, verpackt die großen Themen Gesellschaftskritik, Ökologie und Coming-out in künstlerisch anspruchsvolle Bilder und zugegebenermaßen originell choreografierte Musicaleinlagen, verliert uns aber spätestens zur Mitte des Streifens. Da verliert man dann auch die Lust, sich tiefere Gedanken über dessen Botschaft zu machen.

Trailer:

Bewertung: 3 von 10 Punkten

 

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