Home Film “Loro – Die Verführten” – die Gesellschaft von Berlusconis Italien im verblendeten, sexuellen Dauerrausch

“Loro – Die Verführten” – die Gesellschaft von Berlusconis Italien im verblendeten, sexuellen Dauerrausch

Autor: Mick

"Loro - Die Verführten" Filmplakat

Loro – Die Verführten

Darsteller: Toni Servillo, Riccardo Scarmarcio, Elena Sofia Ricci, Kasia Smutniak
Regie: Paolo Sorrentino
Dauer: 157 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: dcmworld.com/portfolio/loro
Facebook: facebook.com/dcmworld


Nichts charakterisiert den italienischen Medienmogul und ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi so treffend wie das aufgesetzte Dauergrinsen, mit dem der gewiefte Stratege versucht, seinem Gegenüber ein Bild von der heilen Welt zu verkaufen. Das treibt der Leib- und Magenschauspieler von Regisseur Paolo Sorrentino (“La Grande Bellezza”, “Ewige Jugend”), Toni Servillo, hier in seiner bisherigen Paraderolle herrlich auf die Spitze und verleiht seinem Silvio Nazionale im neuen Werk “Loro – Die Verführten” damit eine Schmierigkeit, die dem Original trotz aller Überzeichnung ziemlich nahekommt.

Sorrentino, der es sich schon in “Il Divo” und vor allem “La Grande Bellezza” zur Aufgabe machte, der oberflächlichen italienischen Gesellschaft der Schönen und Reichen den Spiegel vorzuhalten, hat es nun auf deren Repräsentanten schlechthin abgesehen, dessen Imperium ja zu großen Teilen auf gewinnbringendem Verkauf basiert. Und wenn Berlusconi zu einem geboren ist, das lehrt uns das Duo Sorrentino / Servillo in ihrer Inszenierung nachdrücklich, dann ist es zum Verkäufer. Kaum eine Szene verdeutlicht das besser als das herrliche Telefonat, in dem der Cavaliere in einer späten Schaffenskrise einer zufällig aus dem Telefonbuch ausgewählten Gesprächspartnerin eine fiktive Luxusimmobilie aufschwatzt. Er kann es also doch noch, der Meister der Selbstinszenierung, der dem Volk zunächst überaus erfolgreich Immobilien später aber über seine Medienunternehmen vermehrt Träume und Halbwahrheiten verkaufte, sich nun jedoch zu seinem großen Entsetzen auf der Oppositionsbank wiederfindet.

"Loro - Die Verführten" Szenenbild (© 2018 Gianni-Fiorito DCM)

Toni Servillo (© 2018 Gianni-Fiorito DCM)

Und schon ist ein weiteres Kapitel aufgeschlagen in der bitterbösen Satire, die laut Sorrentinos eigener Aussage nur locker auf wahren Begebenheiten beruht und ihm somit juristisch unbedenklich alle künstlerischen Freiheiten einräumt. Erstaunlich genug, dass Silvio Berlusconi höchstselbst, der Sorrentinos Werk angeblich überaus schätzt, ihm für die Dreharbeiten sein sardisches Anwesen zur Verfügung stellte. Das ist dann nicht nur Schauplatz für die folgenden dreisten Bestechungsversuche an den Abgeordneten, die ihm wieder an die Macht verhelfen sollen, sondern auch für eine seiner berüchtigten Partys. Die organisiert dem ewig Jugendlichen, dessen einschlägige Vorliebe für das weibliche Geschlecht hinlänglich bekannt ist, der Emporkömmling Sergio (Riccardo Scarmarcio), der wie so viele alles tut, um “ihm” möglichst nahe zu kommen und sich in seinem Licht zu sonnen.

Er allerdings trifft gezielt Berlusconis Schwachstelle und macht auf sich aufmerksam, als er für den lüsternen Magnaten gut sichtbar in der Nachbarvilla eine Orgie veranstaltet, die sich gewaschen hat. Das ist von Sorrentino in knallbunten Bildern eingefangen, zeigt den Sexismus und die drogenlastige Dekadenz der italienischen Gesellschaft nur allzu deutlich, in der das Karriereziel eines jeden Mädchens zu sein scheint, eins von Berlusconis TV-Sternchen zu werden. Allerdings ermüdet das doch zunehmend, auch wenn immer wieder künstlerisch anspruchsvolle Ideen einfließen und die Eintönigkeit auflockern. Gut, dass er in Person der jungen Stella (Alice Pagani) und vor allem Berlusconis Frau Veronica (Elena Sofia Ricci) Kontrapunkte heranzieht, die den selbstherrlichen Tribun von Gottes Gnaden in den ruhigen Momenten wieder erden, als alternden, egozentrischen Blender entlarven und tatsächlich zum Grübeln bringen.

Im in Italien zweigeteilt jeweils in Spielfilmlänge erschienen Streifen wurde dem genügend Platz eingeräumt, was ihm auch hierzulande deutlich gutgetan hätte. So aber fällt die auch schauspielerisch herausragend umgesetzte Beschäftigung mit dem Leben trotz der gut zweieinhalb Stunden Lauflänge leider den berauschenden Bildern oberflächlicher Exzesse zum Opfer. Die aber zeigen beeindruckend ein Italien, in dem die Verknüpfung von Geschäft, Macht und Sex besorgniserregend allgegenwärtig ist, und machen den Film zu einem visuellen Spektakel.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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