Home Film “Olaf Jagger” – Olaf Schuberts Identitätssuche als ironische Dokumentation

“Olaf Jagger” – Olaf Schuberts Identitätssuche als ironische Dokumentation

Autor: Mick

"Olaf Jagger" Filmplakat (© Neue Visionen Filmverleih)

Olaf Jagger

Darsteller: Olaf Schubert, Franz-Jürgen Zigelski, Ursula-Rosamaria Gottert, Alexander Schubert
Regie: Heike Fink
Dauer: 95 Minuten
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Website: www.neuevisionen.de/de/filme/olaf-jagger-126
Facebook: facebook.com/neuevisionenfilmverleihgmbh


Heike Finks Drehbuch-Idee ist genauso simpel wie genial: Warum nicht mal plötzlich einen Menschen dazu bringen seine eigene Abstammung zu hinterfragen? Geboren aus dem Gedanken, eventuell selbst Ergebnis einer Nacht mit dem von der Damenwelt angehimmelten Rockstar Mick Jagger zu sein, entwickelte die Regisseurin ihren Einfall rund um die Figur des bekannten Comedians Olaf Schubert weiter und präsentiert uns jetzt mit ihrem Erstling „Olaf Jagger“ das logische Resultat, dessen pseudo-dokumentarisches Format neudeutsch so schön als „Mockumentary“ bezeichnet wird. Darin schickt sie den realen Ost-Komiker Schubert auf eine fiktive Recherchereise in die Vergangenheit, die gut und gerne seine Familiengeschichte umschreiben könnte.

Alles geht mit der Entrümpelung des Kellers seiner Eltern los, als Olaf zufällig auf diverse Tonbandaufnahmen seiner verstorbenen Mutter stößt. Für die damalige Radiomoderatorin erstmal kein ungewöhnlicher Nachlass, aber ein Interview der DDR-Bürgerin 1965 mit Mick Jagger in Münster? Das wirft doch für den in Sachsen aufgewachsenen Schubert ernste Fragen auf, die dringend einer Klärung bedürfen. Warum hat er nie von dieser spektakulären Begegnung erfahren? Und vor allem warum gibt sich sein Vater Rolf (Franz-Jürgen Zigelski) bei Nachfragen so einsilbig und blockt jedes Gespräch über dieses Kapitel der Vergangenheit konsequent ab?

Der Einstieg in ihre Geschichte könnte Fink nicht besser gelingen, denn die Wahl ihrer Hauptfigur Olaf Schubert erweist sich sofort als absoluter Glücksgriff. Der bringt durch seine Bühnenerfahrung nicht nur die nötige Präsenz auch vor der Kamera mit und involviert uns damit überaus sympathisch in die Gefühlswelt seines Olaf auf Zeitreise, sondern vermittelt mit seiner zurückhaltenden Art ohne Overacting oberndrein die unerlässliche Authentizität. Trotz des dezenten Szenenhumors der immer wieder mit reichlich Ironie angereicherten Sequenzen lassen die dadurch nie die nötige Ernsthaftigkeit vermissen, und man vergisst so bisweilen fast, dass man hier einem rein fiktiven Geschehen folgt, so sehr fesseln einen Olafs im dokumentarischen Stil festgehaltene Nachforschungen.

"Olaf Jagger" Szenenbild (© Neue Visionen Filmverleih)

(© Neue Visionen Filmverleih)

Die führen ihn gleich anfangs zu Weggefährt:innen seiner Mutter, schließlich war es 1965 nahezu unmöglich aus der DDR auszureisen, um ein Konzert der „Rolling Stones“ zu besuchen, die tatsächlich zum entsprechenden Zeitpunkt in Münster auftraten. Da lässt die Regisseurin im Gespräch mit Olaf „City“-Sänger Toni Krahl zu Wort kommen, fängt mit dessen Schilderungen wunderbar den Zeitgeist in der DDR ein und bestätigt uns durch den damaligen FDJ-Funktionär Hartmut König („Sag mir, wo Du stehst?“) ausdrücklich, dass es für Olafs Mutter damals keineswegs ausgeschlossen war, Mick Jagger in Münster zu treffen. Damit gerät – Achtung Wortspiel! – der Stein ins Rollen, und wir folgen anschließend Olaf Schubert auf den Spuren seiner Mutter, die uns mit ihm unter anderem ins Landesarchiv in Münster und zum Stones-Fanclub nach Bautzen führen, wo er in einer herrlich skurrilen Szene eine Haarlocke des Rockstars entwenden kann.

Immer mehr verfestigt sich dabei sein Verdacht, „Mutti“ könnte tatsächlich mit Jagger im Bett gelandet sein, was schließlich auch seine nicht von der Hand zu weisende Ähnlichkeit mit dem Stones-Sänger erklären würde. In einer hoch emotionalen Szene treibt es Heike Fink anschließend auf die Spitze, als sie Olaf bei der Einsicht der Stasi-Akte seiner Mutter die Protokolle der Mitarbeiter vorlesen lässt und ihn dabei auch schauspielerisch enorm fordert. Doch auch diese Prüfung besteht der Comedian mit Bravour, lässt uns wunderbar mit seinem Olaf leiden, der gerade konsterniert seine bisherigen Wurzeln abgeschnitten sieht.

Es ist ein unterhaltsames Wechselbad der Gefühle, das uns Fink hier mit ihrer ungemein realistischen Fake-Dokumentation einlässt und bei der One-Man-Show des großartigen Olaf Schubert die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion verschwimmen lässt. In die Identitätssuche des Komikers flicht sie geschickt die Ost-West-Problematik ein und verliert erst zum Ende hin ein wenig an Tempo, als sie sich in den Folgen einer eventuellen Vaterschaft Jaggers und dem hinausgezögerten Testergebnis verliert. Insgesamt jedoch bereiten sie und vor allem Olaf Schubert uns mit ihrer intelligent aufgebauten, teilweise satirischen „Mockumentary“, die aber niemals albern wird, eine Menge Freude.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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