Home Film “Spencer” – die Biografie transportiert feinfühlig die Verzweiflung der englischen Prinzessin

“Spencer” – die Biografie transportiert feinfühlig die Verzweiflung der englischen Prinzessin

Autor: Mick

"Spencer" Filmplakat (© DCM)

Spencer

Darsteller: Kristen Stewart, Timothy Spall, Jack Nielen, Sally Hawkins
Regie: Pablo Larraín
Dauer: 117 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: dcmstories.com/de/collection/spencer
Facebook: facebook.com/dcmstories


Es ist das sprichwörtliche Leben im Goldenen Käfig, mit dem die „Königin der Herzen“ Diana (Kristen Stewart) seit ihrer Hochzeit mit dem englischen Thronfolger Charles (Jack Farthing) fertigwerden muss. Augen auf bei der Partnerwahl, fällt einem da angesichts einer Reihe ähnlicher Schicksale von York bis Monaco spontan ein. Pablo Larraíns („Neruda“, „Ema“) Biopic „Spencer“ über die britische Prinzessin lässt uns dieses voreilige Urteil aber schnell überdenken, wenn es uns lediglich eine dreitägige Episode der Leidenszeit Ende des Jahres 1991 präsentiert, bei deren Betrachtung sich eine harte Kritik relativiert.

Inwieweit Larraíns von Steven Knight („Tödliche Versprechen – Eastern Promises“) geschriebenes, auf Neudeutsch so schön als „Historical Fiction“ bezeichnetes Drama allerdings wahre Tatsachen wiedergibt, sei mal dahingestellt. Schließlich sind die Quellen bei der bekannten Schmallippigkeit der diskreten royalen Familie sehr begrenzt und Dianas Aussagen sicher alles andere als objektiv. Wie uns der durch „Jackie: Die First Lady“ mit einschlägiger Biografie-Erfahrung ausgestattete Regisseur jedoch mit in den tristen Alltag der Prinzessin nimmt, beeindruckt von der ersten Sekunde an nachhaltig.

Wir steigen ein, als Dianas und Charles Ehe längst in Trümmern liegt, die königliche Familie sich aber allen Widrigkeiten zum Trotz für die Weihnachtsfeiertage diesmal auf das Anwesen Sandringham in Norfolk zurückzieht und ganz auf heile Welt macht. Schon die Anreise der in unmittelbarer Nähe aufgewachsenen Diana könnte ihren Widerwillen nicht besser ausdrücken, der sie dann auch gleich den eng getakteten Zeitplan verletzen und sehr zum Missfallen der Royals verspätet eintreffen lässt. Dabei macht Hauptdarstellerin Kristen Stewart, die ja mit der gelungenen Darstellung der amerikanischen Schauspielikone in „Jean Seberg – Against All Enemies“ vor Kurzem ebenfalls ihre Erfahrungen mit einem klassischen Biopic machen durfte, mit unaufgesetzt wirkendem britischen Akzent und fein erarbeiteter Mimik eine erstaunlich gute Figur und lässt uns in ihr zeitweilig tatsächlich Diana erkennen.

"Spencer" Szenenbild (© Pablo Larrain / DCM)

(© Pablo Larrain / DCM)

Und das ist schon die halbe Miete, macht die bekannte, wachsende Verzweiflung der in einer Sackgasse feststeckenden Prinzessin nur allzu nachempfindbar, die unter dem Druck der vor allem durch die Queen erzeugten Erwartungshaltung zu zerbrechen droht. Der ist fast mit Händen zu greifen, drückt sich in massivem Unbehagen auf dem Landgut aus, das sich in buchstäblicher Kälte auf den Zimmern und vor allem in der Enge des peniblen Protokolls manifestiert. Da wird das verkrampfte Führen des Suppenlöffels an der wortlosen königlichen Festtafel zum wahren Kraftakt und die eigene Kleiderwahl absurderweise zum verwerflichen Fehlverhalten.

Lichtblicke erscheinen nur vereinzelt durch das kindliche Spiel mit ihren Söhnen und die Beziehung zu ihrer Ankleidefrau Maggie (Sally Hawkins), die vorübergehend etwas Gefühlswärme verbreiten, vom Korsett der steifen Feierlichkeiten aber umgehend erdrückt werden. Dass sich Diana da in einen wahren Verfolgungswahn hineinsteigert, der durch den königlichen Protokollchef Major Gregory (wunderbar autoritär: Timothy Spall) verkörpert wird und teilweise Einbildung und Realität verschwimmen lässt, ist zwar bisweilen etwas dick aufgetragen, verwundert aber kaum. Da sind zwecks Abschirmung vor lauernden Paparazzi plötzlich die schweren Vorhänge vernäht und sperren auch noch das letzte Licht aus dem depressiven Herrenhaus aus. Als Diana dann auch noch einen Roman über Anne Boleyn auf ihrem Zimmer findet, der für Erscheinungen der von ihrem Gatten Henry VIII. letztendlich Enthaupteten sorgt, bringt sie dem Wahnsinn bedrohlich nahe, ist aber der Paranoia dann doch ein bisschen zu viel.

Dennoch nimmt Stewarts Darstellung der verzweifelten Diana während des minutiös durchgeplanten, von enormer Gefühlskälte geprägten Weihnachtsfests 1991 extrem mit und macht den Druck auf den Schultern der Prinzessin spürbar, der sich erst in der ausgelassenen Flucht mit ihren Söhnen im offenen Cabrio ein Ventil sucht. So wird Larraíns Inszenierung der im königlichen Protokoll gefangenen Diana, ob nun rein fiktiv oder nicht, zur feinfühligen, unterhaltsamen Charakterstudie.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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