Home Film “Tár” – ein beeindruckendes Epos über das Intrigenspiel einer Dirigentin

“Tár” – ein beeindruckendes Epos über das Intrigenspiel einer Dirigentin

Autor: Mick

"Tár" Filmplakat (© Universal Pictures)

Tár

Darsteller: Cate Blanchett, Nina Hoss, Noémie Merlant, Sophie Kauer
Regie: Todd Field
Dauer: 158 Minuten
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Website: www.upig.de/micro/tar
Facebook: facebook.com/Focus.Features.DE


Todd Fields („Little Children“) „Tár“ feierte schon im September vorigen Jahres auf den Filmfestspielen von Venedig vor allem wegen Cate Blanchetts schauspielerischer Leistung seine viel umjubelte Premiere. Das war für die Berlinale-Leitung offenbar Grund genug, ihn trotz längst erfolgten Debüts ins Programm aufzunehmen und im Rahmen einer Sondervorführung pünktlich zum regulären Deutschlandstart dem Publikum zu präsentieren. Ungewöhnlich oder nicht, qualitativ hat der Film das Festival sicherlich nicht abgewertet und so beim internationalen Publikum nochmal für spezielle Aufmerksamkeit gesorgt.

In den Mittelpunkt seines Dramas rückt Field die Dirigentin Lydia Tár (Cate Blanchett), die sich mit Leidenschaft und enormer Beharrlichkeit in der Männerdomäne der klassischen Musik behauptet hat und jetzt ein symphonisches Orchester in Berlin leitet. Eine Vorstellung davon, wie weit der Weg dorthin war, bekommen wir gleich eingangs, wenn der Moderator einer Talkshow seinen Gast Lydia Tár gleichzeitig seinem Publikum und uns vorstellt, und dabei ihre von ihm aufgezählten Meriten gar kein Ende nehmen wollen. In Folge einer kurzen Frage werden wir gleich danach Zeuge eines ungemein beeindruckenden, minutenlangen Monologs Társ, in dem Cate Blanchett sofort ganz zu Lydia Tár wird, deren uneingeschränkte, von unerschöpflichem Fachwissen begleitete Hingabe zur Musik sie aus jeder Pore verströmt. Ganz zu schweigen von der Frage, wie in aller Welt sie diesen komplizierten Text derart selbstsicher und akzentuiert wiedergeben konnte.

Und Selbstsicherheit soll auch das große Thema der ersten Hälfte des gut zweieinhalbstündigen Epos sein, in der sich Lydia ihrer hart erarbeiteten Position sehr wohl bewusst zeigt, diese nicht nur gegenüber ihrer fleißigen Assistentin Francesca (Noémie Merlant) sondern genauso im Umgang mit ihren Studenten heraushängen lässt. Die lässt sie während der Lehrstunden regelmäßig auflaufen und stellt uns damit die Frage, ob das Herauskitzeln von Leistung durch Provokation oder doch eher eigene Profilierung auf Kosten anderer ist.

"Tár" Szenenbild (© 2022 Focus Features, LLC.)

(© 2022 Focus Features, LLC.)

Wahrscheinlich trifft sogar beides zu, sicher ist jedenfalls, dass Cate Blanchett hier mit ihrer Darstellung von Anfang an das Innerste ihrer Lydia nach außen kehrt, uns deren ungeheuer vielschichtigen Charakter nahebringt und uns damit manch unkonventionelle Handlung verständlich macht. Da macht die schon mal die achtjährige Klassenkameradin ihrer gemobbten Tochter rund oder setzt überaus intrigant kurzerhand feste Regeln für die Besetzung von Orchesterplätzen außer Kraft. Und doch bleibt ein Teil Lydias ein Mysterium, wird man nicht richtig schlau aus ihrer Vergangenheit und ihrem Geisteszustand, der in der Folge mehr und mehr in Wahnvorstellungen gipfelt.

Dabei hat sie doch eigentlich alles erreicht, was sie sich immer erträumt hat: die Leitung eines renommierten Orchesters, finanzielle Sicherheit und eine süße Tochter mit ihrer liebevollen Frau Sharon (Nina Hoss). Irgendwie aber scheint sie dennoch getrieben, muss sich durch Medikamente und intensives Jogging erden und strebt in einem stetigen Optimierungsprozess nach immer mehr. So ist sie dann auch überaus empfänglich, als die junge, attraktive Cellistin Olga (Sophie Kauer) um die Aufnahme ins Orchester ersucht und sie schon mit ihrer äußerlichen Erscheinung schwer beeindruckt.

Das benutzt Regisseur und Drehbuchautor Todd Field als Ausgangspunkt für einen intensiven Plot um die Macht, die die leitende Position mit sich bringt, und deren Missbrauch durch eine Frau, die damit entschlossen eigene Interessen durchzudrücken versucht. Sehen wir das zunächst ausschließlich aus der Sicht Lydias, eröffnet uns Field mit Sharons neutralerer Position zunehmend eine differenziertere Perspektive, die merklich nachdenklicher stimmt. Mit ihrem listigen Intrigenspiel scheint Lydia im knallharten Geschäft der klassischen Musik auch zunächst zum Ziel zu gelangen, bis sie sich letztendlich durch ihre sexuellen Verstrickungen korrumpierbar macht.

Das alles verpackt Field in ein geradezu episches Drama, das zwar zwischendurch einige Längen aufweist, einen aber immer wieder mit seinen Musiksequenzen umhaut. Und wenn Cate Blanchett mit ihrer hingebungsvollen Darstellung der Lydia Tár hier keine nachdrückliche Bewerbung für den Oscar® abgegeben hat, wer denn dann?

Trailer:

Bewertung: 8 von 10 Punkten

 

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