Home MusikKonzertberichte Camouflage – Kritik des Konzerts in Köln am 19. September 2006

Camouflage – Kritik des Konzerts in Köln am 19. September 2006

Autor: Tobi

Man konnte gespannt sein, wie viele Fans nach Köln kommen würden, um Camouflage zu sehen – die Synthiepopband, die 1987 mit ihrem Debütalbum “Voices & Images” einen kometenhaften Aufstieg erlebte, mit dem dritten Album “Meanwhile” und einem Stilwechsel dann 1991 komplett abstürzte und trotz Rückkehr zur elektronischen Musik nie wieder wirkliche Erfolge feiern konnte. Zwischendurch wurde das Trio zum Duo, löste sich fast auf, kehrte dann doch wieder in der Urbesetzung als Trio zurück, und mit dem neuen Album “Relocated” hoffen die Jungs nun natürlich doch mal wieder auf Erfolge. Wer vermutet hatte, dass die Live Music Hall vielleicht doch eine Nummer zu groß sein könnte, der sah sich bestätigt – es war nicht leer, aber die Menge hätte einen Prime Club richtig gefüllt, während hier nun noch viel Luft in Reihen der Fans war – was aber ja auch nicht schlecht ist, mal etwas mehr Platz zu haben.

Wir wollen nicht versäumen, den Support-Act zu erwähnen. Kolkhorst aus Lüneburg war mit seiner E-Gitarre und seiner Stimme plus einigen elektronischen Klängen und Beats vom Band angetreten, um mal schnell ganz alleine aufzuspielen. Sehr interessant, was Kai-Uwe Kolkhorst da 40 Minuten lang bot. Zu druckvollen Beats vermochte er es gut, ganz besondere Stimmungen zu erzeugen mit seinen teilweise bildhaften Songs um Liebe, Einsamkeit oder schlicht das Leben. Hierbei rockte er – generell alles andere als schüchtern auftretend – an der Gitarre gut ab und wusste mit seinem ausdrucksstarken, manchmal sich überschlagendem Gesang durchaus zu gefallen, auch wenn die Songs zu Beginn seines Sets noch abwechslungsreicher waren als die letzten. Nicht übel.

Um ziemlich genau 21 Uhr dann kamen Camouflage zu einigen choralen Klängen des Album-Abschlusses “How Do You Feel?” auf die Bühne. Marcus Meyn, Heiko Maile und ja auch wieder Oliver Kreyssig sahen irgendwie nicht groß anders aus als früher – gut, Heiko wirkte vielleicht etwas in die Jahre gekommen, wohl auch durch seine Wuschelfrisur, die ihn wie eine sympathische Mischung aus Uwe Fahrenkrog-Petersen und Krusty dem Clown wirken ließ. Die Betonung liegt auf sympathisch, denn so präsentierten sie sich alle drei, auch die noch etwas jünger gebliebenen und lässiger agierenden Marcus und Oliver. Es war nicht zu übersehen, dass die inzwischen ja auch die 40-Jahre-Grenze erklommenen Musiker nach wie vor viel Spaß daran hatten, gemeinsam auf der Bühne zu stehen, und dies war beflügelnd für den Konzertabend. Komplettiert wurden sie übrigens bei den meisten Stücken durch die Live-Verstärkungen Jochen an den Drums und Volker an der Gitarre.

Mit “Me And You” vom 2003er-Album “Sensor” ging es los und schnell wurde klar, dass Marcus sich einiges vorgenommen hatte, was er auch halten sollte – er wirbelte nämlich stets energetisch über die Bühne, tanzte, hüpfte, war immer in Bewegung. Und er sang immer noch stark, was ihn von Oliver unterschied, der sich bei seinen drei Songs am Mikro zwar viel Mühe gab, aber doch so einige schiefe Töne in den Saal blies. Nur wollte Marcus gleich beim ersten Song etwas zu viel vom Publikum, forderte es zum Mitklatschen auf, danach gleich zum Arme-hin-und-her-werfen a la Depeche Modes “Never Let Me Down Again”. Das nervte hier etwas, war zu viel für das erste Stück – im Folgenden beschränkte man sich dann aber auch auf ab und an mal Mitklatsch-Animation, und das war okay. Von “Relocated” spielten Camouflage fast alle Stücke, und live kamen die Songs noch weit besser als auf CD, selbst die zu offensichtlich bei Depeche Mode geklauten Sounds oder Momente fielen hier nicht negativ ins Gewicht. Nein, Camouflage machten ihre Sache sehr gut und legten einen feinen Gig hin, der auch nur ein bisschen dadurch getrübt wurde, dass ihr Sound nicht optimal war (merkwürdig, nachdem Kolkhorst eigentlich noch sehr gut rüberkam) und die Lightshow auch wenig Spektakuläres zu bieten hatte. Einige Monate zuvor hatten Mesh an gleicher Stelle gezeigt, wie man elektronische Musik weit aufregender präsentieren kann.

Von den neuen Stücken wurden drei Songs besonders gefeiert: “Dreaming”, die Single “Motif Sky” und vor allem das umjubelte “We Are Lovers” – stark kam auch “Perfect Key”. Marcus erzählte, dass man sich lange Gedanken gemacht habe, welche der alten Songs man spielen sollte – im Endeffekt einigte man sich aber dann offensichtlich doch auf die Hits und einige wenige Ausnahmen wie “That Smiling Face”, welches als erster richtig alter Track erklang. Am meisten gefeiert wurden natürlich die beiden größten Hits der Band aus den 80ern, “The Great Commandment” und “Love Is A Shield”, die man auch immer wieder gerne live sieht. Ansonsten gab es stets so einen bis zwei Songs pro Album (bis auf das gänzlich ausgelassene “Spice Crackers”), darunter “Heaven – I Want you”, “Close (We Stroke The Flames)”, “Suspicious Love” und “I Can’t Feel You”, als Überraschung dazu noch die B-Seite “Conversation” von der “Motif Sky”-Maxi-CD. Die in anderen Städten auf dieser Tour schon gespielte Human League Coverversion “Being Boiled” wurde in Köln aber ebenso ausgelassen wie “One Fine Day”. Das Publikum hatte sichtlich viel Spaß am Konzert, umjubelte die Protagonisten mehr und mehr, und diese bedankten sich mit einer guten Show, wobei einige Songs in sehr anständigen Abmischungen geboten wurden. Als krönenden Abschluss brachten die fünf Musiker dann noch zusammen vor dem Schlagzeug sitzend eine starke, größtenteils akustische Version von “Strangers Thoughts”. Ein mehr als 100 Minuten langes, wirklich gutes Konzert, ehrlich gesagt besser als erwartet – als alter (oder auch neuer) Fan sollte man hingehen.

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Links:
Homepage von Camouflage
Homepage von Kolkhorst
Homepage der Live Music Hall

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