Home MusikInterviews Klee im Interview zu ihrem neuen, optimistischen Album “Trotzalledem” (04/21 – mit Rezension)

Klee im Interview zu ihrem neuen, optimistischen Album “Trotzalledem” (04/21 – mit Rezension)

Autor: Tobi
Klee (© Heike Sieber)

(© Heike Sieber)

Klee veröffentlichen zehn Jahre nach “Aus lauter Liebe”, das auf Platz 6 der deutschen Charts kletterte, mit “Trotzalledem” endlich wieder ein Album mit eigenen Songs – bot das 2015er-Werk “Hello Again” doch schließlich lediglich Coverversionen. Nachdem Suzie Kerstgens und Sten Servaes in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre zwei Alben unter dem Bandnamen Ralley heraus brachten, sorgte ein Autounfall für eine lange verletzungsbedingte Auszeit und schließlich den Neuanfang mit elektronischeren Klängen als Klee.

Alle fünf bisher erschienen Alben waren Charterfolge, und Singles wie “Gold”, “Erinner dich”, “Zwei Herzen”, “Die Stadt”, “Willst Du bei mir bleiben”, “2 Fragen” oder “Für alle die” liefen in Radios und wurden auch für diverse Werbekampagnen (z.B. Givenchy, DB, Aktion Mensch) genutzt. Da Klee hierbei nie rein deutsch klangen, gab es auch internationale Erfolge, mit Konzerten in ganz Europa, in China oder Russland – und es entstanden auch englischsprachige Versionen ihrer Songs, die dann auch in den USA und UK veröffentlicht wurden.

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Auf den 47 Minuten von “Trotzalledem” bietet das Kölner Duo 13 neue Songs, von denen es vier ja bereits vorab als Single auskoppelte. Der leicht chansonette, gemütliche, ins Ohr gehende Popsong “Danke nein” machte hierbei zunächst klar, dass man nicht immer im Strom mitschwimmen sollte. Mit dem im gesteigerten Midtempo sanft abrockenden, melodischen “Wenn der Himmel auf die Erde fällt” ging es um die Wichtigkeit von Partnern, Vertrauten oder Familie im Leben, bevor sie uns mit tanzbaren Rhythmen im “Club der Liebenden” begrüßten – denn Liebe tut gut. Das weit akustischer angerichtete “Zwischen Hoffen und Resignieren” kam dann als letzter Vorbote zwar ruhiger und nachdenklicher daher, aber im Grundton ebenfalls positiv.

Doch auch die restlichen Stücke wissen zu gefallen, vom die Leichtigkeit beim Fallen-Lassen beschreibenden, eingängigen Midtempo-Pop-Rock-Song “Kopfüber” über das dankbar liebende “Weil du ein Wunder bist”, das erzählerisch schöne, leicht melancholische “Wir tanzen alleine”, das die Kraft der Freiheit ausdrückende, druckvolle “Befrei dich” und das Heldentaten als unnötig erklärende Liebeslied “Drachentöten” bis zum abschließenden, getragenen “Septembernebel”.

Mit dem von Piano und Streicherflächen untermalten “Mein Herz” und “Das Gegenteil von Glück” gibt es zudem noch zwei schöne Balladen – und mit “Glitzer drauf” eine Neuinterpretation des eigenen, tollen Kinderlieds “Schweinhornschnabelohrwurm” aus der Compilation “Unter meinem Bett 3” (2017) mit einem Text für Erwachsene. Ein gut gelungenes Album von Klee, das sich wunderbar durchhören lässt.

Über das neue Album und einiges mehr führten wir ein Interview mit Suzie und Sten.

“‘Trotzalledem’ ist als Aufruf zu verstehen, weiterzumachen. Eben trotz aller Widrigkeiten und Widerstände, an denen man auch hätte zerbrechen können.”

MUM: Lange zehn Jahre ist es her, dass “Aus lauter Liebe” als euer letztes Album mit eigenen Songs erschien. 2015 gab es zwar mit “Hello Again” noch eine Coverscheibe als Lebenszeichen, aber wieso hat es so lange gedauert, bis wieder neue Klee-Songs auf einem Longplayer zu hören sind?

Suzie: Uns ist sprichwörtlich das Leben vor die Füße gefallen, mit all seinen Höhen und Tiefen, und dafür haben wir uns die nötige Zeit genommen. Andere schreiben darüber dann vielleicht ein Buch oder machen einen Podcast. Wir haben eben unsere Platte “Trotzalledem” gemacht.

MUM: Mit eurem fünften Album “Aus lauter Liebe” seid ihr auf Platz 6 der deutschen Charts geklettert. Fühlte es sich nicht merkwürdig an, im Moment des größten Erfolgs erst einmal eine Veröffentlichungs-Pause einzulegen, oder ist es gerade deshalb zu dieser gekommen?

Suzie: Wir haben nach dem Charterfolg nicht einfach die Pausentaste gedrückt. Wir waren mit dem Album ja auf “aus lauter Liebe”-Tournee und auch später noch auf der “aus leiser Liebe”-Akustik-Tour. Also doch schon noch eine ganze Weile unterwegs, als wir im Studio in Köln zu den Aufnahmen des sechsten Albums von einem Label angerufen wurden, das uns mit dem Cover-Album die Aussicht auf zwei Veröffentlichung bot. Dieses Angebot konnten wir in unserer damaligen Lebenslage nicht ausschlagen. Nach der Veröffentlichung von “Hello Again” mussten wir uns tatsächlich dann erstmal wieder berappeln und zu uns finden. Dazu kamen Trennungen und deren Verarbeitung, neue Erkenntnisse im Umgang mit dem Haifischbecken Musikbusiness und privat: neues Leben sowie auch Abschied vom Leben nehmen. Im Grunde nichts was nicht zum Leben dazugehört. Wenn man aber in dieser konkreten Situation woanders und von jemandem dringend gebraucht wird, kann man nicht nebenbei eine Platte aufnehmen und promoten. Wir jedenfalls nicht und deshalb haben wir uns entschieden, uns Zeit zu nehmen.

MUM: “Trotzalledem” heißt eure neue Scheibe – auch als Reaktion auf die momentane pandemiebedingte Stimmungslage, oder worauf bezieht sich das Wort?

Suzie: “Trotzalledem” ist als Aufruf zu verstehen, weiterzumachen. Eben trotz aller Widrigkeiten und Widerstände, an denen man auch hätte zerbrechen können. Aber es passt eben auch sehr gut in die jetzige Situation, die mehr Menschlichkeit und Zuversicht braucht als lange zu vor.

Sten: Der Titel stand schon fest, bevor es mit der Pandemie losging, er hat neben den persönlichen natürlich auch klar gesellschaftspolitische Bezüge, denn wir haben uns ihn, wie einige vielleicht ahnen, bei Herrn Freiligrath entliehen. Er ist leider immer aktuell und passt daher natürlich auch gut in diese Zeit mit all ihren Irrungen und Wirrungen.

MUM: Ihr klingt ja zumeist fröhlich und optimistisch – genau solche Klänge brauchen wir momentan vielleicht mehr denn je. Ist es euch schwerer gefallen, momentan diesen Grundton beizubehalten, oder sind die meisten Stücke vielleicht schon vor der Pandemie entstanden und Momente “Zwischen Hoffen und Resignieren” gibt es immer im Leben?

Suzie: Die meisten Songs sind tatsächlich schon vor der Pandemie entstanden. Uns ist es seit jeher ein Anliegen, mit unserer Musik das Positive zu beflügeln und nicht zu zerstören. Auch wenn Wut und Hate hierzulande immer noch viel Anklang finden, bleiben wir in unserem Songwriting dem Gedanken der Popmusik in all ihrer Vielfalt zugeneigt. Unsere stärkste Waffe ist die Liebe! Momente “Zwischen Hoffen und Resignieren” gab es natürlich auch schon vor der Pandemie, nur ist die Brisanz der beiden Pole dadurch verdeutlicht, wie unter einem Brennglas.

MUM: Gibt es eine generelle Botschaft, die sich wie ein roter Faden durch das Album zieht, oder seht ihr die Lieder separat mit ihren Inhalten, wie das “Nicht immer im Strom mitschwimmen” bei “Danke Nein” oder das “Lass und mit Liebe die Welt heller machen”-Credo in “Club der Liebenden”?

Suzie: Es geht darum seine persönlichen Werte zu definieren und daraus eine Haltung zu entwickeln. Rückgrat zu beweisen und sich zu fragen: Wofür will ich stehen? Und was ist mir wichtig? Wozu sage ich Ja und was ist für mich nicht mehr verhandelbar als verantwortungsvoller Mensch und Teil einer Gesellschaft der sich bei Entscheidungen von der Liebe leiten lässt und nicht von Wut oder Hass. Dieser damit verbundene Gedanken-Fluss mündet in unserem Album “Trotzalledem”.

Sten: Was die Stücke des Albums und eigentlich alle Songs, die wir schreiben, verbindet, ist dass sie tatsächlich Erlebtes verarbeiten und damit auch zeigen, dass es immer einen (Aus-)Weg gibt, mit Dingen und Umständen umzugehen.

MUM: Welches ist euer Lieblingssong auf dem Album, und warum?

Suzie: Ich mag die sanfte Stimmung in “Zwischen Hoffen und Resignieren” genauso gerne wie das euphorische “Kopfüber”, weil beide Lieder das große Pop Feeling des Albums flankieren.

Sten: Es switched bei mir immer ein wenig. Denn die Lieder entwickeln interessanterweise auch immer ein Eigenleben. Ich mag “Septembernebel” sehr, denn es hat diese melancholisch-schöne Stimmung, in die ich mich gern auch fallen lasse.

MUM: Ihr habt wie schon bei “Aus lauter Liebe” erneut mit Olaf O.p.a.l. und Jochen Naaf als Produzenten gearbeitet – hat sich das nach zehn Jahren anders oder vertraut angefühlt, und was zeichnet die Arbeit mit den beiden aus?

Sten: Die Arbeit mit Jochen Naaf und Olaf O.p.a.l. an “Trotzalledem” fühlte sich sehr vertraut.an. Mit Jochen haben wir an drei Nummern in seinem Topspin Hangar Studio in Köln gearbeitet und anders als vor zehn Jahren haben wir mit Olaf statt im Ruhrgebiet in verschiedenen Studios aufgenommen. Wir waren u.a. im Bearcave Studio und dort hat Peter Rubel von International Music / Düsseldorf Düsterboys bei “Mein Herz” das Piano eingespielt. Wir haben zusammen mit Olaf und Keshavara im Electric Island Studio “Club der Liebenden” aufgenommen und waren zum mixen u.a. im Tinseltown Music Studio Maarweg Cologne. Mit Olaf sind wir eh bestens befreundet und so verschmolzen die Produktionstage zum ganz normalen Leben ineinander.

MUM: Die Cover der Single “Danke Nein” und des Albums “Trotzalledem” erinnern an Saint Etiennes Debüt “Foxbase Alpha” – sind sie als Reminiszenz gedacht, und falls ja, wie kamt ihr auf diese Idee?

Suzie: Wie schön, dass es dir auffällt. Genau das war die Absicht dahinter, als wir das Fotoshooting vorbereitet haben. Wir sind Fans der Band und wollten damit unserer Affinität zur britischen Popmusik Ausdruck verleihen.

Sten: Schon immer, auch mit Ralley haben wir gern mit Zitaten gearbeiten, musikalisch und auch visuell. Da Pop ein riesiges Referenzsystem ist, ein großer bunter Spielplatz, möchten wir so auf die Bezüge aufmerksam machen und natürlich auch unsere Wertschätzung ausdrücken.

MUM: Zur Single “Wenn der Himmel auf die Erde fällt” gibt es ein feines Anime-Video – auch auf Grund eurer internationalen Ausrichtung, oder wie kamt ihr auf diese Idee?

Suzie: Es gibt zwar tatsächlich ein japanisches Label, dass sich nach uns benannt hat, aber das Anime-Video war eine Alternativ-Idee zu einem reinem Lyric-Video. Da die allermeisten Musiker*innen und Bands zurzeit ja keine Sichtbarkeit auf der Bühne haben können, wollten wir zumindest unsere Songs bebildern.

MUM: Mit “Glitzer drauf” bietet ihr eine Neuinterpretation eures tollen Kinderlieds “Schweinhornschnabelohrwurm”, mit einem Text für Erwachsene. Wie seid ihr hierauf gekommen?

Suzie: Ich weiß gar nicht mehr was zuerst da war – das Schwein oder der Glitzer. Zumindest konnten wir uns nicht für oder gegen einen der beiden Songs entscheiden und haben dann eine FSK-freie Version für die Kinderplatte “Unter meinem Bett” produziert und eine Ü40-Version für “Trotzalledem”.

MUM: Fühlt es sich nicht merkwürdig an, nach so langer Zeit zurück zu kehren und dann könnt ihr nicht mal auf Tour gehen, weil die Pandemie es leider noch nicht zulässt?

Suzie: Es fühlt sich so an wie lebendig begraben zu sein.

Sten: Es fehlt damit eigentlich der wichtigste Aspekt beim Musikmachen: das Spielen, das Miteinander im Austausch mit dem Publikum. Ist eine wahnsinnig schwierige Zeit. Gerade mit neuen Songs, die förmlich danach schreien, gespielt und gehört werden zu wollen.

MUM: Wie geht es für euch weiter in den nächsten Monaten – veröffentlicht ihr vielleicht auch wieder englischsprachige Versionen eurer Songs?

Suzie: Eine verdammt gute Idee. Dann können wir die liebgewonnen Tradition aufrecht erhalten und David Gedge von “The Wedding Present” übernimmt den Duettpart bei “Drachentöten”. Im letzten Jahr haben wir für seinen James Bond Jubiläums Sampler “Not From Where I’m Standing” eine Cover-Version von “For Your Eyes Only” beigesteuert.

MUM: Wenn ihr euch drei Musiker oder Bands aussuchen könntest, um mit ihnen auf Tour zu gehen – welche wären dies?

Suzie: Desiree Klaeukens (Theodor Shitstorm), Toby Siebert (And The Golden Choir) und Blur

Sten: Paul, Ringo und Suzie

MUM: Welches sind eure drei Lieblingsalben aller Zeiten?

Suzie: And the golden Choir “Another Half Life”, Billy Bragg “Workers Playtime” und The Cure “The Head on the Door”

Sten: The Beatles “Sgt Pepper”, Nick Drake “Bryter Layter” und Billy Bragg “Workers Playtime”

MUM: Welche Frage wolltet ihr schon immer mal gestellt bekommen, und wie wäre die Antwort?

Suzie: Genau diese Frage und die Antwort wäre: “Why not, ne?!”

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MUM: Mucke und mehr

Mehr Informationen zu Klee findet man auf www.kleemusik.de und facebook.com/Kleemusik.

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