Happy Holidays
Darsteller: Manar Shehab, Wafaa Aoun, Toufic Danial, Raed Burbara
Regie: Scandar Copti
Dauer: 124 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: immergutefilme.de/movies/happy-holidays
Kinostart: 4. September 2025
2009 war es, als der in Israel geborene, palästinensische Filmemacher Scandar Copti als sein Langfilmdebüt zusammen mit seinem Landsmann Yaron Shani das Drama “Ajami” über Missstände im gleichnamigen arabischen Ghetto seiner Geburtsstadt Jaffa realisierte, das sie nicht nur gemeinsam inszenierten, sondern für das sie auch das Drehbuch schrieben (welches die Darsteller – allesamt Laien – allerdings nicht zu lesen bekamen, so dass sie improvisieren mussten) und den Schnitt übernahmen, ebenso wie Copti eine Rolle. Diverse Preise folgten ebenso wie eine Oscar®-Nominierung als “Bester fremdsprachiger Film” – und einiges an Diskussionen in Israel, da Copti die dortige Politik kritisierte und seine automatische Auswahl als Einreichung des Landes als Gewinner des israelischen Filmpreises Ophir so kommentierte, dass er sich nicht wirklich vom Land auserkoren fühle und dieses repräsentieren könne. Nachdem er sich einigen Musikvideos und der Gründung und Leitung der Firma CoptiCo zur Entwicklung von Palästinensern helfenden Produkten widmete, liegt nun mit “Happy Holidays” nach vielen Jahren sein zweiter Spielfilm vor, der bei uns 12 Monate nach seiner Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig in die Kinos kommt, bei denen er den Preis für das beste Drehbuch erhielt.
Copti bleibt thematisch im Land und nimmt uns mit nach Haifa, wo sich verschiedene Probleme zweier Familien offenbaren. Von diesen will Hanan (Wafaa Aoun) allerdings erst einmal nichts wissen, und so ignoriert sie die von ihrem Mann Fouad (Imad Hourani) durch Verzettelungen verursachten, für sie und den Rest der bislang wohlhabenden Familie nun völlig überraschend aufpoppenden, massiven finanziellen Probleme – nein, das Haus will sie nicht verkaufen, und ja, die anstehende Hochzeit ihrer zweiten Tochter soll ausgiebig gefeiert werden, so wie sie es sich wünsche und es sich gehöre. Und bei dieser Gelegenheit möchte sie dann auch am besten noch Tochter Fifi (Manar Shehab) mit dem charmanten Arzt Walid (Raed Burbara) verkuppeln, dem besten Freund ihres Bruders Rami (Toufic Danial).
Letzterer scheint erst einmal der einzige zu sein, an den sich Fouad als Vater noch offen und ehrlich wenden kann, doch auch dieser hat ein großes Problem, ist seine Freundin Shirley (Shani Dahari) doch schwanger. Im Gegensatz zu ihm möchte die Flugbegleiterin das Kind bekommen, und so fliegt sie neuerdings nicht nur nicht mehr auf ihn, sie fühlt sich von ihm sogar belästigt und setzt jemanden darauf an, ihm mit körperlicher Gewalt zu verdeutlichen, dass er sie in Ruhe lassen soll. Ihre Schwester Miri (Meirav Memoresky) hatte ihr ja sowieso immer schon von Rami als Partner abgeraten, hat nun aber auch noch eigene Probleme, vermutet die Krankenschwester doch eine Depression bei ihrer 17-jährigen Tochter Ori (Neomi Memorsky). Zu allem Unglück ereignet sich dann auch noch ein Autounfall von Fifi, der die Gemengelage beeinflusst.

(© Fresco Films – Red Balloon Film – Tessalit Productions – Intramovies)
Nachdem “Ajami” damals in fünf Kapitel unterteilt war und auf mehreren Zeitebenen spielte, präsentiert uns Scandar Copti, der auch das Drehbuch verfasste, erneut einen ähnlich und somit alles andere als simpel gestrickten Film. Dieser beschert in vier Abschnitten mehrere Erzählungsstränge, die ineinander greifen, manchmal auch gleiches aus verschiedenen Perspektiven zeigen. Und auch wenn Mutter Hanan hier auf dem Szenenbild von “Happy Holidays” zusammen mit ihren Töchtern und Freundinnen fröhlich aussieht, so tun sie dies vor allem für den Schein und versuchen selbigen zu wahren, geht es doch plötzlich drunter und drüber in ihrem noch nicht verkauften Haus und Leben.
Warum, das hat dann doch auch wieder mit den lange währenden Problemen zwischen Palästinensern und jüdischen Isralies zu tun, die somit erneut mit im Fokus stehen für Copti, aber nicht alleine. So möchte Rami, ein ruhiger, zuvorkommender junger Mann, nämlich vor allem nicht, dass Shirley das gemeinsame Kind bekommt, weil sie als Jüdin zwar eine gute Geliebte abzugeben scheint, für ihn als Palästinenser aber als Mutter seines Kindes wenig denkbar ist. Einfacher scheint es bei Fifi und Walid zu sein, zwischen denen es schnell knistert und sich eine Beziehung heraus kristallisiert, bis plötzlich klar wird, dass er nicht ihr erster Mann im Bett wäre – was für eine Schande im patriarchalischen Weltbild.
“Happy Holidays” lässt sich zwar gut anschauen, weiß einen aber auch nicht so richtig mitzunehmen. Die erneut aus LaiendarstellerInnen bestehende Besetzung spielt durchaus überzeugend, vor allem Wafaa Aoun als Mutter, Manar Shehab als Fifi und Raed Burbara (auch im sonsigen Leben Arzt) als Walid, die teilweise auch wieder improvisierten Dialoge und die ruhige Erzählweise aber lassen einen das innewohnende Drama nicht immer fühlen. Hierbei kommen einige aktuelle Themen zum Tragen, neben dem Konflikt zwischen jüdischen Israelis und arabischen Palästinensern, die in Haifa die Minderheit darstellen, fehlender Selbstbestimmung von Frauen und deren gesellschaftlichem Gesichtsverlust bei vorehelichem Sex auch das Dasein in einem Land, in dem es immer mal Luftalarm gibt und Wehrdienst für Frauen Normalität ist – und das, obwohl der Film vor dem Überfall durch die Hamas und dem dann hereinbrechenden Krieg abgedreht wurde.
Trailer:
Bewertung: 6 von 10 Punkten
