Home Film „The Secret Agent“ – spannendes 70er-Jahre-Drama über Brasiliens Militärdiktatur

„The Secret Agent“ – spannendes 70er-Jahre-Drama über Brasiliens Militärdiktatur

Autor: Mick

"The Secret Agent" Filmplakat (© Port au Prince Pictures)

The Secret Agent

Darsteller: Wagner Moura, Maria Fernanda Cãndido, Alice Carvalho, Robério Diógenes
Regie: Kleber Mendonça Filho
Dauer: 158 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: port-prince.de/projekt/the-secret-agent
Facebook: facebook.com/PORTAUPRINCEfilms
Instagram: instagram.com/portauprincefilms
Kinostart: 6. November 2025


Die Zeit brasilianischer Aufarbeitung der Periode unter der Militärdiktatur hat längst begonnen. Nicht zuletzt Walter Salles‘ im März dieses Jahres vorgestellter „Für immer hier“, der mit der eindrucksvollen Schilderung des erschütternden wahren Schicksals des von der Geheimpolizei verhafteten Oppositionellen Rubens Paiva mächtig an die Nieren ging, setzte dabei ein international deutlich sichtbares Zeichen. Kleber Mendonça Filho schlägt jetzt mit seinem 70er-Retrodrama „The Secret Agent“ in die selbe Kerbe, wenn er uns in die damaligen finsteren Machenschaften der brasilianischen Ordnungskräfte einführt.

Schon seine atmosphärische Eingangssequenz hat es da wirklich in sich, in der sein Protagonist Marcelo (Wagner Moura) 1977 eigentlich nur zu einem harmlosen Tankstopp in der nördlichen Provinz anhält. Doch Mendonça Filhos trotz strahlenden Sonnenscheins unheilkündende Szene steht exemplarisch für Marcelos Verwicklungen innerhalb des repressiven Polizeistaats, die der Regisseur für uns in den folgenden drei Stunden spannend aufarbeitet. Denn schließlich liegt die nur notdürftig abgedeckte Leiche nicht zufällig schon tagelang neben der Tankstelle, während die Beamten offensichtlich Wichtigeres zu tun haben wie in einem bedrückend eingefangenen Anfall von widerlicher Willkür Marcelo samt VW-Käfer mal ordentlich auf den Kopf zu stellen, irgendwas wird dem Reisenden aus dem Süden schon anzuhängen sein.

Ganz so arglos wie sie denken aber ist Marcelo nicht, weiß genau, wie er sich auf dem dünnen Eis der Polizeikontrolle zu bewegen hat und kommt doch um eine „Geldspende“ nicht herum. Sein Ziel mitten im Karnevalstrubel von Recife ist die Herberge von Sebastiana, die dort außer ihm noch diversen anderen Dissidenten Unterschlupf bietet. Und nach und nach erfahren auch wir, was ihn dorthin treibt, heißt er doch eigentlich Armando, besucht seinen beim Schwiegervater lebenden halbwüchsigen Sohn und will in erster Linie vor seiner Flucht ins Ausland mehr über den Tod seiner Mutter herausfinden, solange noch Akten über sie existieren.

"The Secret Agent" Szenenbild (© Port au Prince Pictures)

(© Port au Prince Pictures)

Also tritt er unter dem Schutz des schmierigen, korrupten Polizeichefs Euclides (Robério Diógenes) einen Job im örtlichen Meldearchiv an und wird prompt Zeuge von dessen selbstgefälligem Gebaren. Das allerdings kann der sich auch erlauben, hat ständig seine Söhne und Protegés Arlindo und Sergio im Schlepptau und genießt mit ihnen als Exekutive des Staates im Viertel besonders nachts nahezu Narrenfreiheit. So verwundert es auch nicht, dass eines Tages im Magen eines Hais ein menschliches Bein gefunden wird, dessen Herkunft bei all den von Euclides im Fluss entsorgten Leichen für den durchaus unangenehm werden könnte. Folglich wird dies kurzerhand wieder dem Fluss zugeführt und begründet eine fast grotesk anmutende Sequenz zwischen Slapstick und Splatter, in der Mendonça Filho das Bein brutal auf unliebsame Bürger losgehen lässt.

Definitiv eine kuriose Abwechslung in seinem Krimi, deren Erklärung er jedoch keinesfalls schuldig bleibt. Genauso wenig wie die Transformation seines Films zu einem spannenden Thriller, als auch noch zwei Killer hinter Marcelo her sind, die ein mächtiger Firmenboss auf ihn angesetzt hat, den sich der Ingenieur einst sowohl materiell als auch politisch zum Feind gemacht hat. Seine Frau Fatima hat das nicht überlebt, und nun gefährdet der lange Arm der Diktatur auch noch den Rest der Familie. Grund genug für den Oppositionellen in Deckung zu bleiben, während die Einschläge um ihn herum beunruhigend näherkommen.

In einer stimmigen Mischung aus Krimi, Familiendrama und Politthriller inszeniert Regisseur Mendonça Filho seinen regimekritischen Historienfilm, der uns mit seinem 70er-Jahre-Look intensiv die bedrohliche damalige Stimmung spüren lässt. Selbst Gegenwartsbezug lässt er in seinem überzeugenden Streifen nicht außen vor, denn in seiner immer wieder angerissenen Rahmenhandlung rekonstruieren junge Studentinnen das einstige Geschehen durch das Abhören von Tonbändern mit Interviews und Verhören und machen so die Auswirkungen der tragischen Schicksale greifbar, die gerade im Falle von Marcelo, von Wagner Moura stark gespielt, auch heute noch deutlich sichtbar sind. Da vergehen auch drei Stunden einmal fast wie im Flug.

Trailer:

Bewertung: 8 von 10 Punkten

 

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