Home Film „Der Fremde“ – die Camus-Verfilmung besticht mit ihren ästhetischen Schwarz-Weiß-Bildern

„Der Fremde“ – die Camus-Verfilmung besticht mit ihren ästhetischen Schwarz-Weiß-Bildern

Autor: Mick

"Der Fremde" Filmplakat (© Weltkino Filmverleih)

Der Fremde

Darsteller: Benjamin Voisin, Rebecca Marder, Pierrre Lottin, Christophe Malavoy
Regie: François Ozon
Dauer: 122 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: weltkino.de/filme/der-fremde
Facebook: facebook.com/WeltkinoFilmverleih
Instagram: instagram.com/weltkinofilmverleih
Kinostart: 1. Januar 2026


Albert Camus‘ 1942 veröffentlichter Roman „Der Fremde“ gilt als Paradebeispiel für die Beschäftigung mit dem Existenzialismus und wurde schnell zum Standardwerk in der philosophischen Lehre. Schon 1967 versuchte sich der Italiener Luchino Visconti farbenfroh mit Marcello Mastroianni in der Hauptrolle an einer Verfilmung des bedeutsamen Stoffes und erwies sich dessen mit seinem Werk angesichts weitgehend überschwänglicher Kritik als durchaus würdig. Jetzt macht sich mit dem Franzosen François Ozon („8 Frauen“, „Frantz“), von Hause aus eher Liebhaber subtiler Kriminalplots, ein weiterer ganz Großer des Kinos an eine Neuinterpretation des Buches des französischen Philosophen und präsentiert uns mit seiner gleichnamigen Adaption nun seine Filmversion der tiefsinnigen Vorlage.

Wir lernen bei ihm den Protagonisten Meursault (Benjamin Voisin) schon in Haft kennen, wo er gegenüber den Mitinsassen die Frage nach seinem Vergehen mit dem legendären Satz „Ich habe einen Araber getötet.“ gefühlskalt erwidert. Kaum einen Zweifel lässt schon hier zum Einstieg Hauptdarsteller Voisin an der mit ausdrucksloser Miene wunderbar gespielten allgemeinen Gleichgültigkeit seines Meursault, die ja auch das zentrale Element von Camus‘ Roman bildet. Erst mit diesem Eindruck im Gepäck lässt uns Ozon auf das Vorleben der Hauptfigur los, in dem der Regierungsbeamte Meursault im französisch besetzten Algerien der 30er Jahre emotionslos in den Tag hineinlebt.

Das hüllt Ozon vom Start weg in kunstvoll komponierte Schwarz-Weiß-Bilder, deren außerordentliche Ästhetik von der Handlung unabhängig ungemein beeindruckt. Doch auch Voisins Performance als teilnahmsloser Meursault lässt uns keinesfalls kalt, gibt wie ursprünglich von Camus gewollt durchaus Denkanstöße, wenn der sich selbst bei der Nachricht vom Tod seiner Mutter zu kaum einer Gefühlsregung hinreißen lässt und die Totenwache in Frankreich anschließend wie selbstverständlich mit stoischer Ruhe absitzt. Ja, ebenso die nur kurze Zeit später wieder in Algier beim Wiedersehen mit seiner schönen Bekannten Marie (Rebecca Marder) eingegangene Liebesbeziehung wirkt eher wie ein nüchternes Geschäftsverhältnis, in dem selbst der Liebesakt weitgehend gefühllos abgearbeitet wird.

"Der Fremde" Szenenbild (© Foz - Gaumont - France 2 Cinema / Foto: Carole Bethuel)

Meursault (Benjamin Voisin) und Marie (Rebecca Marder) begegnen sich an einem heißen Sommertag
(© Foz – Gaumont – France 2 Cinema / Foto: Carole Bethuel)

Da verwundert es allenfalls, dass er so etwas wie eine Freundschaft mit seinem zwielichtigen Nachbarn Raymond (Pierre Lottin) eingeht, nicht aber, dass er an dessen Gewalttätigkeit gegenüber einer Geliebten, einer Araberin, nicht den kleinsten Anstoß nimmt. Vielmehr verpflichtet ihn die empfundene Solidaritätspflicht mit Raymond zum Beistand in einer körperlichen Auseinandersetzung mit deren Familie, der für ihn fatale Konsequenzen haben soll. In der folgenden Schlüsselszene seiner Konfrontation mit dem Bruder der Misshandelten nämlich greift er teilnahmslos zum Revolver und tötet den Araber völlig kaltblütig mit fünf Schüssen.

Regisseur Ozon bleibt trotz eigenen Ansatzes mit reichlich Gegenwartsbezug nah an der Romanvorlage, wenn er uns mit dem wirklich befremdlichen Verhalten des „Fremden“ vertraut macht und dessen Nihilismus bis zur folgenschweren Tat konsequent durchdekliniert. Das lässt uns zwar distanziert aber dafür umso interessierter auf den eigentümlichen Charakter des Meursault blicken, der sich irgendwann komplett von der Gesellschaft entfremdet hat, und dem jetzt nach seinem Mord gerade nach deren Normen der Prozess gemacht wird.

Leider verliert uns da das tiefgründige Psychogramm vorübergehend in den etwas ermüdenden Wirren der endlosen Argumentationen im Gerichtssaal, denen wir irgendwann die Gefolgschaft verweigern. Umso stärker aber sind dann die folgenden Momente von Meursaults innerer Einkehr, die uns tief in die philosophische Auseinandersetzung hineinziehen und Camus‘ Werk damit allemal gerecht werden. Was jedoch nachhaltig Eindruck hinterlässt, sind vor allem Ozons fein ausgeleuchtete, manchmal fast poetisch wirkende Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die seinen anspruchsvollen Streifen zu einem visuellen Erlebnis machen und uns zu The Cures unvermeidlichem „Killing an Arab“ ebenso angetan wie nachdenklich entlassen.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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