Home Film “Last Night in Soho” – der packende Psycho-Thriller fusioniert geschickt die Gegenwart mit den 60er-Jahren

“Last Night in Soho” – der packende Psycho-Thriller fusioniert geschickt die Gegenwart mit den 60er-Jahren

Autor: Tobi

"Last Night in Soho" Filmplakat (© 2021 Focus Features LLC. All Rights Reserved.)

Last Night in Soho

Darsteller: Anya Taylor-Joy, Thomasin McKenzie, Matt Smith, Terence Stamp
Regie: Edgar Wright
Dauer: 117 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.upig.de/micro/last-night-in-soho
Facebook: facebook.com/LastNightinSohoDE


Wenn Edgar Wright einen neuen Film vorlegt, dann ist er hierbei nicht nur als Regisseur verantwortlich, sondern hat auch am Drehbuch mitgeschrieben, und nicht selten ist er auch noch an der Produktion seiner Streifen beteiligt. Hierbei ging es zunächst eher humorlastig zu. Seinen ersten großen Erfolg feierte der Brite 2004 mit der Horror-Komödie “Shaun of the Dead”, die er zusammen mit Simon Pegg schrieb, der neben Nick Frost auch die Hauptrolle spielte. Das selbe Team legte mit der Action-Komödie “Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis” (2007) und dem Kneipentour-Spaß “The World’s End” (2013) noch zwei Filme nach – die sogenannte “Blood-and-Ice-Cream-Trilogie” (bei uns auch “Cornetto-Trilogie” genannt) war somit komplett. Zwischendurch gab es mit “Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt” 2010 noch eine beachtliche Graphic-Novel-Verfilmung.

Nachdem Wright zum mit einigen Gags gespickten Marvel-Superhelden-Film “Ant-Man” (2015) im Endeffekt dann nur noch das Drehbuch mitverfasst hatte, während er als Regisseur nach mehreren Jahren Arbeit am Projekt auf Grund unterschiedlicher Vorstellungen über die Realisierung abgelöst wurde, wandte er sich vom Komödienfach erst einmal ab und legte mit “Baby Driver” 2017 einen tollen und auch äußerst erfolgreichen Action-Thriller vor. Vier Jahre später sehen wir nun, wohl auch Pandemie-bedingt, gleich zwei neue Wright-Filme im Kino, beschert er uns nach der hervorragenden Doku “The Sparks Brothers” (lies unsere Filmkritik hier) über die Musik-Band Sparks nun nämlich mit “Last Night in Soho” auch noch einen Psycho-Thriller. Das Drehbuch für diesen schrieb Wright gemeinsam mit der Oscar®-nominierten Krysty Wilson-Cairns (“1917”), und auch an der Produktion war er wieder beteiligt.

Im Mittelpunkt stehen zwei junge Frauen, deren Leben in Visionen miteinander verschmilzt. Nachdem die aus gutem Hause stammende Eloise (Thomasin McKenzie) im Jahr 2019 vom Land nach London zieht, um ihrem Traum nachzujagen, Mode zu studieren und sich hier vielleicht als Designerin durchzusetzen, tritt bald erste Ernüchterung ein. Schon der Taxifahrer wirkt als erste Kontaktperson nach Ankunft lüstern, und die anderen im Studentenwohnheim um die selbstverliebte Zimmergenossin Jocasta (Synnøve Karlsen) legen ihren Fokus auf das Partyleben und stehen dem eher schüchternen Mädel wie auch ihren die Vergangenheit aufgreifenden Entwürfen skeptisch bis abweisend gegenüber.

Auch wenn sie ihrer besorgten Großmutter Peggy (Rita Tushingham) am Telefon mitteilt, alles wäre okay, flieht sich Eloise in Einsamkeit, und diese findet sie in einer spontan angemieteten Dachwohnung in Soho. Die alte Vermieterin Miss Collins (Diana Rigg) macht ihr zwar klar, dass nach 18 Uhr keine Männerbesuche erlaubt seien und nicht geraucht werden dürfe, aber das stellt für die brave Studentin ja kein Problem dar. Die Mischung aus der längst in die Jahre gekommenen Einrichtung und den vor ihrem Fenster dauerhaft ihre Farbe wechselnden Neon-Lichtern lässt Eloise, die selbst auf dem Land schon alte Filme mit Audrey Hepburn nachspielte und dem Stil der Vergangenheit nachtrauert, bald in selbige eintauchen.

In Visionen sieht sie, teilweise auch als ihr Spiegelbild, Sandie (Anya Taylor-Joy), die in den Swinging Sixties nach Soho kam, um hier als Sängerin Karriere zu machen. Weit selbstbewusster als Eloise kommt diese dann aber in einen Beziehungs-Strudel zu falschen Männern, der immer bedrohlicher wird. So bröckelt auch Eloises anfängliche Begeisterung für den Glamour dieser Zeit langsam, werden die sich vor allem nachts unter der Bettdecke immer weiter fortsetzenden Szenen von Sandie doch immer verstörender – und bald geht es sogar um Mord.

"Last Night in Soho" Szenenbild (© 2021 Focus Features LLC. All Rights Reserved.)

(© 2021 Focus Features LLC. All Rights Reserved.)

Edgar Wright versucht sich hier mal in einem ganz anderen Metier und legt mit “Last Night in Soho” einen Film vor, der zunächst vor allem mit seiner Ausstattung und seinen Bildern zu überzeugen weiß. In der Gegenwart präsentiert er uns Eloises Leben auf dem Land zu Beginn ebenso glaubwürdig wie den dann auf sie einprassenden Dschungel der Großstadt. Noch interessanter wird es, als die Vergangenheit nach einer ganzen Weile Einzug hält, wodurch es äußerst atmosphärisch wird. Das London der 60er-Jahre wird mit viel Reiz ausgebreitet, in den Straßen und Gassen der Stadt, mit Autos und Mode, einem gerade im Kino laufenden James-Bond-Film mit Sean Connery, oder auch wenn Sandie den berühmten Nachtclub “Café de Paris” im West End betritt.

Bald schon wird es düsterer, und hier erweisen sich Thomasin McKenzie (“Leave No Trace”, “Jojo Rabbit”) und Anya Taylor-Joy (“Das Damengambit”, “Split”) als hervorragende Besetzung. Beide lassen uns fasziniert in das zunächst leicht verwirrende Zusammenspiel eintauchen, das mit Terence Stamp als anscheinend aufdringlichem, altem Kauz, Matt Smith als zwielichtigem Manager Jack und der legendären Diana Rigg (“Mit Schirm, Charme und Melone”) als kauziger Vermieterin tolle weitere Charaktere bietet. Für Letztere war es der finale Film, im Herbst 2020  verstarb Rigg im Alter von 82 Jahren.

Edgar Wright schafft es großartig, die Visionen nicht nur wie einen Traum abgespielt zu präsentieren. Eloise nimmt Sandie wie ihr selbstbewusstes Vorbild, bald Spiegelbild wahr – was visuell toll umgesetzt ist, wenn wir im Café de Paris, in der Garderobe oder im Fahrstuhl dann tatsächlich Taylor-Joy und McKenzie gleichzeitig sehen, oder auch in einer wilden Kamerafahrt um Jack und seine Tanzpartnerin.

Zum optischen Reiz, der auch aus den Neonlichtern des dunklen Soho besteht, gesellt sich mehr und mehr Spannung, wenn es nämlich dann doch plötzlich um Mord geht. Was ist damals passiert, und warum hat Eloise diese Visionen? Es entwickelt sich ein packender Psycho-Thriller, in dessen Verlauf die Männerwelt eher schlecht wegkommt, sind die Mädels doch heute wie damals gaffenden Blicken und Gefahren ausgesetzt, hat Jack doch hinter seiner zuerst netten Fassade auch ganz andere Interessen und ist das Selbstverständnis der feinen Herren in den vielleicht doch nicht nur tollen 60ern, sich von einer Bar-Sängerin nicht nur stimmlich bedienen zu lassen, doch einfach nur abstoßend.

Gut, dass es da in der Gegenwart noch den wirklich freundlichen Modestudenten John (Michael Ajao) gibt, der Eloise behutsam näher tritt, hierbei aber auch einige Überraschungen erlebt. Ein sehr interessanter Film von Edgar Wright, der einen stilistisch, optisch, atmosphärisch und spannungstechnisch immer mehr in seinen Bann zieht und durchaus auch einige Überraschungen bereit hält.

Trailer:

Bewertung: 8 von 10 Punkten

 

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