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“LOLA” – Zeitreise mal anders

Autor: Mick

"LOLA" Filmplakat (© Neue Visionen Filmverleih)

LOLA

Darsteller: Emma Appleton, Stefanie Martini, Rory Fleck Byrne, Aaron Monaghan
Regie: Andrew Legge
Dauer: 79 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.neuevisionen.de/de/filme/lola-136
Facebook: facebook.com/neuevisionenfilmverleihgmbh
Kinostart: 28. Dezember 2023


Was für ein schlauer Ansatz vom britischen Regisseur und Drehbuchautor Andrew Legge, sein Spielfilmdebüt „LOLA“ gleich eingangs als bei Renovierungsarbeiten gefundenes Filmmaterial zu deklarieren und damit nahezu alle Beschränkungen, die ihm die Finanzierung seiner Low-Budget-Produktion auferlegte, zu unterlaufen. Das ist zwar nicht neu, der große Anteil von Schwarz-Weiß-16mm-Aufnahmen aber gestattet ihm im steten Wechsel mit Archivmaterial komplett den Verzicht auf qualitativ hochwertige Dreharbeiten oder gar teure Hochauflösung, ja setzt sogar gezielt auf amateurhaft verwackelte Handkamera und Grobkorn um möglichst große Authentizität zu erzielen.

In den angeblich Jahrzehnte später in einer Kiste gefundenen, schnell geschnittenen Filmen geht es um die Schwestern Thomasina, kurz Thom (Emma Appleton) und Martha, kurz Mars (Stefanie Martini), die sich in ihren Zwanzigern nach dem Tod ihrer Eltern selbst beim Aufwachsen allein im England anfangs des Zweiten Weltkriegs filmen. Ihnen, eigentlich vornehmlich der Physikerin Thom, gelingt da mit der Entwicklung der nach ihrer Mutter benannten LOLA schier Unglaubliches: Die Maschine erlaubt es ihnen, Radio- und Fernsehübertragungen aus der Zukunft zu empfangen und abzuspielen. Das hat zunächst hohen Unterhaltungswert, werden die beiden doch schnell zu Stilikonen und Fans von David Bowie und Bob Dylan und können sich gar nicht satt sehen an den Konzertaufnahmen, die Regisseur Legge effektvoll verrauscht auf den kleinen Bildschirm der LOLA zaubert.

Doch sie empfangen auch Nachrichten von den schlimmen Bombardements der Deutschen auf England, die immer wieder viele Todesopfer fordern. Allerdings wissen die beiden ja jetzt vorher, wo die Nazis zuschlagen werden, und da ist es für sie natürlich erste Bürgerpflicht, ihre Landsleute frühzeitig vor dem zu erwartenden Bombenhagel zu warnen. Schnell machen sie sich als „Engel von Portobello“ einen Namen, der über einen unentdeckten Radiosender seine Informationen mit der Bevölkerung teilt. Das ruft natürlich auch das Militär auf den Plan, das nicht nur in der Lage ist, auf die zuverlässigen Prognosen mit entsprechenden Abwehrmaßnahmen zu reagieren, sondern vor allem auf der Suche nach der revolutionären Datenquelle ist.

"LOLA" Szenenbild (© Neue Visionen Filmverleih)

Ihrer Zeit weit voraus: Die beiden visionären Schwestern Thomasina / Thom (Emma Appleton) und Martha / Mars Hanbury (Stefanie Martini) haben mit LOLA einen Apparat erfunden, mit dem sie TV- und Radioschnipsel aus der Zukunft empfangen.
(© Neue Visionen Filmverleih)

So sehr sich die Tüftlerin Thom auch bemüht, die Ausstrahlung über ein unterirdisches Rohrleitungsnetz zu verschleiern, so haben sie nach kurzer Zeit doch in Major Cobcroft (Aaron Monaghan) und Lt. Holloway (Rory Fleck Byrne) Agenten des Militärs im Haus. Dabei erweist sich zumindest Letzterer als überaus charmant und wird zum willkommenen regelmäßigen Gast bei der Benutzung der LOLA inklusive Liebesbeziehung zu Mars. Genauso schnell, wie sich die Stimmung im Haus aufhellt mit militärischen Erfolgen und dem Ausleben zukünftiger Trends – Mars gibt hier „cool“ auf einem Empfang am Flügel ihre Version von „You Really Got Me“ der Kinks zum Besten -, dreht sie sich jedoch auch wieder, als Nazi-Deutschland mit einer frühen Variante von Fake News die britische Verteidigung auf dem falschen Fuß erwischt.

Andrew Legge gelingt es hervorragend, mit seiner innovativen Idee der Zeitreise von Daten statt von Menschen seine Protagonistinnen als emanzipierte Frauen zu installieren, die ihrer Zeit voraus sind und mit ihrem Blick in die Zukunft in Kriegszeiten die pure Lebensfreude entfalten. Und auch sein in der zweiten Hälfte mit einem rapiden Stimmungsumschwung verbundener Ansatz des Eingriffs in die Geschichte bietet mit der folgenden Entwicklung Englands und der Weltlage durchaus attraktives Beschäftigungspotenzial. Leider aber wirft der genauso wie so manche Kameraeinstellung bei der Begleitung der Schwestern unbeantwortete logische Fragen auf und wirkt so nicht ganz zu Ende gedacht. Trotzdem macht es ungemein Spaß, den charismatischen Hauptdarstellerinnen dabei zuzusehen, wie sie ihre Thom und Mars anhand des plötzlich verfügbaren Materials zu Personen der Weltgeschichte werden lassen.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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