Rocketman
Darsteller: Taron Egerton, Jamie Bell, Richard Madden, Bryce Dallas Howard
Regie: Dexter Fletcher
Dauer: 121 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: paramount.de/rocketman
Facebook: facebook.com/Rocketman.DE
Regisseur Dexter Fletcher hat sich in den letzten Jahren offensichtlich darauf spezialisiert, Geschichten von Prominenten kinogerecht aufzubereiten. Nachdem er hierbei 2016 mit “Eddie The Eagle – Alles ist möglich” noch im sportlichen Segment unterwegs war, stehen nun Musiker bei ihm hoch im Kurs. Kein Wunder, verzeichnete er mit dem Oscar®-prämierten “Bohemian Rhapsody” (lies unsere Filmkritik hier) über die Band Queen 2018 doch große Erfolge. Im Mittelpunkt dieses Films stand mit Frontmann Freddie Mercury ein Exzentriker, und dieser Spezies bleibt Fletcher auch mit “Rocketman” treu, wenn er uns den von Höhen und Tiefen geprägten Karrierestart von Elton John nahe bringt.
Wie schon bei “Bohemian Rhapsody” entpuppt sich der Regisseur hierbei als Retter von Filmprojekten, die auf Jahrzehnte zwischen Planungen, Besetzungen und Produktionschaos zurück blicken und durchaus auch schon vor dem Aus standen – wobei der Queen-Streifen ja dann zeigte, dass Musik-Biopics doch auch große Kassenmagneten sein können, was schon kaum noch einer geglaubt hatte. Auch “Rocketman” hat eine komplizierte Entstehungsgeschichte vorzuweisen.
1996 gründete Elton John die Produktionsfirma Rocket Pictures, um Musik- und Familienfilme zu realisieren. Anfangs arbeitete er hierbei mit den Walt Disney Studios zusammen und es entstand 1997 die Doku “Elton John: Tantrums & Tiaras”. Nach zwei Komödien in den Jahren 1999 und 2006 bedeutete der Animationsfilm “Gnomeo & Juliet” 2011 dann das Ende der Kooperation mit Disney und Focus Features wurde als neuer Partner auserkoren. 2013 gab es dann Details zu Eltons Herzensprojekt, dem Biopic über ihn selbst, das sich schon seit Ende des letzten Jahrtausends in Planung befand. Als Regisseur wurde Michael Gracey verkündet, als Hauptdarsteller Tom Hardy, der damals auch als heißer James-Bond-Anwärter galt.
Wie wir wissen, kam alles anders. Nach kreativen Differenzen mit Focus Features wurde diese Kollaboration wieder beendet und eine Kooperation mit Paramount Pictures verkündet. 2018 erschien “Sherlock Gnomes”, vor allem aber wurde in der neuen Konstellation endlich das Biopic “Rocketman” verwirklicht, welches nun vorliegt, gerettet von Dexter Fletcher und mit dem umwerfenden Taron Egerton in der Hauptrolle.
Nach der Trennung seiner Eltern wächst Reginald Kenneth Dwight in den 50er-Jahren bei seiner Mutter Sheila (Bryce Dallas Howard) auf, die hierbei kräftig von Großmutter Ivy (Gemma Jones) unterstützt wird, während der Junge zu seinem harschen Vater Stanley (Steven Mackintosh) kein gutes Verhältnis hat. Nachdem die Damen des Hauses eher zufällig entdecken, dass Reggie großes Talent für das Klavierspielen besitzt und Gehörtes rasch nachspielen kann, motiviert ihn vor allem seine Oma, Unterricht zu nehmen.
An der Royal Academy of Music wird er ausgebildet und Reggie (Taron Egerton) gründet nach dem Abschluss 1965 die Band Bluesology, mit der er erst einmal US-Soul-Künstler auf Tour begleitet. 1967 dann lernt er Songtexter Bernie Taupin (Jamie Bell) kennen. Die Chemie zwischen beiden stimmt von Anfang an und es entwickelt sich eine äußerst erfolgreiche Zusammenarbeit, wobei sich eine Passion für Rock ‘n’ Roll heraus bildet.
Auch wenn das erste Album “Empty Sky” kein Renner wird, soll die Karriere von Elton John, wie er sich inzwischen nennt, bald durchstarten. Im August 1970 verhilft ihm sein erster Live-Auftritt in den USA im Troubadour Club zum absoluten Durchbruch, die Single “Your Song” wird kurz darauf zum ersten Top-Ten-Hit in England und den USA. Alben wie “Honky Château” und “Goodbye Yellow Brick Road” werden ebenso zu Charterfolgen wie Hits a la “Rocket Man”, “Crocodile Rock” und “Daniel”.
Musikalisch weiß Elton John ebenso zu begeistern wie durch seine auffallenden, schillernden Outfits inklusive markanter Brillen. Während die Welt ihn aber lieben gelernt hat und sein Reichtum immens geworden ist, zerbricht der Künstler innerlich immer mehr, gibt sich Alkohol und Drogen hin, durchlebt eine sexuelle Findungsphase zwischen Männer- und Frauenbeziehungen, überwirft sich mit Bernie und ist am Rand, seine Existenz zu zerstören.
“Der Film musste so ehrlich wie möglich sein. Ich bin hoch geflogen, aber auch sehr tief gefallen. So sollte der Film auch sein”, sagt Elton John. Die Achterbahnfahrt durch seine frühe Karriere inklusive ihres Beginns wird sehr ansprechend transportiert.
Regisseur Dexter Fletcher ist es hierbei auch auf Grund eines tollen Drehbuchs von Lee Hall bestens gelungen, das Drama des Karrierestarts von Elton John ohne Beschönigung zu verbildlichen und gleichzeitig gut zu unterhalten. Der geniale Schachzug war hierbei, einen Besuch des schillernden Künstlers bei den Anonymen Alkoholikern als Rahmen zu setzen. In komplettem Bühnenoutfit mit Teufelshörnern, federbesetzten Flügeln und natürlich auffallender Brille betritt Elton John die Runde und beginnt, über sein seine Probleme zu erzählen. Während wir sein bisheriges Leben dann in Rückblicken geboten bekommen, häutet sich der Star in der Runde mehr und mehr, wobei er erst nur einzelne Federn verliert, dann nach und nach Teile des Outfits ablegt, und gleichzeitig von seinem hohen Thron herab steigt und sich seelisch öffnet, all seinem Kummer Luft macht.
In diesen Szenen von protzigem Stolz bis zur völligen Verzweiflung haut einen Taron Egerton (“Kingsman: The Golden Circle”, “Robin Hood”) mit seinem Schauspiel um, er überzeugt aber auch mit seiner Performance als aufstrebender Künstler, wobei er alle Lieder überraschend gut auch selbst eingesungen hat. Neben ihm spielen auch Jamie Bell (“Billy Elliot – I Will Dance”) als bescheidener Texter und guter Freund, Bryce Dallas Howard (“Jurassic World”) als liebevolle, manchmal etwas unbeholfene Mutter und Richard Madden (“Game Of Thrones”) als Eltons Manager und Liebhaber stark.
Die Musik spielt natürlich eine große Rolle im Film, denn über sie und Elton Johns Songs wird auch seine Karriere erzählt, wir hören also viele seiner frühen Lieder, bis hin zum abschließenden Nach-Spielen des Videos zu “I’m Still Standing”, das 1983 sein Comeback bedeutete und inhaltlich natürlich auch bestens passte. Dass das Video damals in Cannes gefilmt wurde, wo “Rocketman” jetzt bei den Filmfestspielen eine umjubelte Weltpremiere erlebte, die Elton John wie auch Taron Egerton zu Tränen rührte, erscheint passend.
Ein unterhaltsames, sehr interessantes und gut angerichtetes Drama über einen Künstler, der – frei von Drogen – in den Jahren nach dem Gesehenen noch unzählige Erfolge verbuchen konnte. Sein letztes Album “Wonderful Crazy Night” erreichte 2016 auch wieder die britischen wie amerikanischen Top Ten, Singles wie “Nikita” (1985), “Don’t Let The Sun Go Down On Me” mit George Michael (1991) oder “Are You Ready For Love” (2003) wurden zu großen Hits, ganz zu schweigen von der 1997er-Version von “Candle In The Wind”, die Elton John für die verstorbene Lady Diana sang und die zu den bestverkauftesten Singles aller Zeiten zählt.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten