Home MusikCD-Rezensionen Morrissey ist politisch fragwürdig, musikalisch jedoch überzeugend

Morrissey ist politisch fragwürdig, musikalisch jedoch überzeugend

Autor: Tobi

Morrissey "California Son"

Morrissey

“California Son”

(CD, Etienne, 2019)

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Ach, war das schön, als man im Zusammenhang mit Morrissey nur über Musik berichten konnte, über den einstigen Frontmann der legendären The Smiths und seine folgende Solo-Karriere. Das Radikalste am Künstler, der uns so viele tolle Songs bescherte, war längere Zeit als Vegetarier die Verbannung jeglicher Fleischspeisen von seinen Konzertorten, was dazu führte, dass Festivals wie das belgische Lokerse Feesten für einen Tag alle fleischhaltigen Gerichte aus seinen Fressbuden verbannen musste, damit Morrissey am Abend aufspielt, oder dass ein Konzert im Alten Schlachthof Dresden auf Grund seines Namens und der damit verbundenen Gebäude-Historie abgesagt wurde.

In den letzten Jahren litt das Ansehen des als Exzentriker geltenden Musikers dann aber erheblich darunter, dass er in Interviews äußerst fragwürdige politische Aussagen tätigte, die ihn in direkte Verbindung mit Fremdenfeindlichkeit brachten, ebenso wie seine Sympathiebekundungen für die rechtspopulistischen “For Britain”-Bewegung, die er mit dem Tragen ihres Pins auch gerade erst wieder in Jimmy Fallons “The Tonight Show” untermauerte.

Zurück zur Musik. Am 22. Mai 2019 konnte Morrissey seinen 60. Geburtstag feiern, und nur zwei Tage später veröffentlicht er mit “California Son” ein Album, auf dem er zwölf Favoriten aus den 60er- und 70er-Jahren interpretiert. Der inzwischen in den Medien auch gerne als Wutbürger bezeichnete Brite liefert auf knapp 40 Minuten gelungene Coverversionen ab, die den Fans seiner Musik und seiner stimmlichen Fähigkeiten in jedem Fall gefallen dürften.

Auf dem Album selbst ist von Morrisseys politischen Ansichten nicht nur nichts zu spüren, er widmet sich sogar Songs von Künstlers des linken Spektrums, wenn er “Don’t Interrupt The Sorrow” von Joni Mitchell, “Only A Pawn In Their Game” von Bob Dylan oder auch “Days Of Decision” vom für Protestsongs bekannten Phil Ochs covert. Hinzu kommt, dass er hier einige Kollaborationen mit Künstlern aufbietet, deren Bands sicher nicht auf einem rechten Parteitag aufspielen würden, wie Billie Joe Armstrong von der Punkcombo Green Day oder Ed Droste von der Indie-Rock-Band Grizzly Bear. Weitere Gäste sind Laura Pergolizzi alias LP bei Roy Orbisons “It’s Over”, die Sängerin/Violinistin Petra Haden, Sameer Gadhia von Young The Giant und Ariel Engle von Broken Social Scene.

Von Bombast-Pop-Rock a la “When You Close Your Eyes” bis zur schönen Piano-Ballade “Lenny’s Tune”, vom eingängigen Midtempo-Rocker “Morning Starship” bis zum progressiv Folk von “Only A Pawn In Their Game”, vom souligen “Suffer The Little Children” über das Bläser-getriebene “Will Power” bis zum fröhlich angerichteten, groovigen “Loneliness Remembers What Happiness Forgets” – ein abwechslungsreiches und gutes Album. Hätte man da bloß nicht die ganze Zeit die oben erwähnten Ansichten im Hinterkopf, die es einen schwer machen, Morrissey so zu genießen wie früher.

Das Tracklisting:

01. Morning Starship (Jobriath) with Ed Droste of Grizzly Bear
02. Don’t Interrupt The Sorrow (Joni Mitchell) with Ariel Engle of Broken Social Scene
03. Only a Pawn In Their Game (Bob Dylan) with Petra Haden
04. Suffer the Little Children (Buffy St Marie)
05. Days of Decision (Phil Ochs) with Sameer Gadhia of Young The Giant
06. It’s Over (Roy Orbison) with LP
07. Wedding Bell Blues (The Fifth Dimension) with Billie Joe Armstrong of Green Day & Lydia Night of The Regrettes
08. Loneliness Remembers What Happiness Forgets (Dionne Warwick)
09. Lady Willpower (Gary Puckett)
10. When You Close Your Eyes (Carly Simon) with Petra Haden
11. Lenny’s Tune (Tim Hardin)
12. Some Say I Got Devil (Melanie)

www.morrisseyofficial.com
facebook.com/Morrissey

Bewertung: 8 von 10 Punkten

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