Home MusikCD-Rezensionen Björk beschert auf ihrem zwölften Album schwer zugängliche, avantgardistische Musik

Björk beschert auf ihrem zwölften Album schwer zugängliche, avantgardistische Musik

Autor: Tobi

Björk "Fossora"

Björk

“Fossora”

(CD, One Little Independent, 2022)

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Denkt man an Björk, dann fallen einem zuerst einstige Hits wie “Play Dead” (1993), “Big Time Sensuality” (1993), “Army Of Me” (1995) oder “It’s Oh So Quiet” (1995) ein, mit denen die isländische Sängerin und Songwriterin Erfolge feierte, die in ihrer fast 30-jährigen Karriere bereits mehr als 20 Millionen Alben absetzen konnte.

Auch ihr 1997er-Longplayer “Homogenic” verkaufte sich noch sehr gut. Im neuen Jahrtausend ging der kommerzielle Erfolg dann etwas zurück, auch wenn sie mit den Scheiben “Vespertine” (2001), “Medúlla” (2004) und “Volta” (2007) noch die Top Ten der britischen wie auch deutschen Charts erreichen konnte. Mit “Biophilia” (2011) und “Utopia” (2017) ging es zwar jeweils noch in die Top 30 in UK und bei uns, mit “Vulnicura” (2015) sogar auf Platz 11, aber jeweils nicht lange und insgesamt doch fernab früherer Verkaufszahlen.

Björk (© Vidar Logi)

(© Vidar Logi)

Experimentell ging es bei Björk ja schon immer zu, auch auf “Vulnicura”, mit orchestralen Klängen und besonderen Rhythmen, aber hier fand man mit Stücken wie dem Opener “Stonemilker” schon noch Titel, die viel Schönheit verströmten und sich ohne Umschweife gut anhören ließen, und hin und wieder auch noch Reminiszenzen an den TripHop, den sie in ihrer anfänglichen Glanzphase so wunderbar für tolle, gefangen nehmende Songs nutzte.

Nachdem sie zuletzt im Film “The Northman” von Robert Eggers als blinde Seherin und somit nach langen Jahren mal wieder als Schauspielerin zu erleben war, gibt es nun mit “Fossora” ein neues Album, und dieses kann man durchaus als schwere Kost bezeichnen, in die man sich hineinhören muss, wenn man denn möchte.

Auf 55 Minuten bietet Björk 13 Tracks, die sehr avantgardistisch daher kommen und alles andere als leicht ins Ohr fließen wollen. Das als erster Vorbote veröffentlichte “Atopos” eröffnet die Scheibe, und hier singt die 57-jährige Isländerin über sehr verquert gesetzten Tönen aus sechs Bassklarinetten und vor allem im zweiten Teil donnernden Beats, für die sie mit Kasymin vom indonesischen Techno-Duo Gabber Modus Operandi zusammengearbeitet hat.

Björk erklärt zum Song und der mit verarbeiteten Corona-Pandemie: “Wir alle zusammen haben eine einzigartige Zeit durchlebt, wir waren lange genug an einem Ort, um dort Wurzeln zu schlagen, ich habe versucht, dieses Gefühl einzufangen, ich habe es mein Pilz Album getauft: Baumwurzeln und Pilze, die sich ihren Weg tief ins Erdreich bahnen.”

Im Jazz wäre es Free Jazz, was wir hören, aber es ist kein Jazz, und auch kein bisschen TripHop mehr, was uns Björk hier mit einzelnen Instrumenten aus der klassischen Musik, mit choralen Momenten und ungewöhnlichen Rhythmen bietet. Das nachfolgende “Ovule” entwickelt sich sehr ähnlich, zu dem die Musikerin sagt: “‘Ovule’ ist für mich meine Definition von Liebe. Es ist eine Meditation über uns als Liebende in dieser Welt und ich stelle mir zwei Sphären oder Satelliten vor, die uns folgen. Eine über uns, die die ideale Liebe repräsentiert und eine unter uns, die die Schatten der Liebe repräsentiert. Wir selbst laufen in der dritten Sphäre, die der wahren Liebe umher, in der der Alltag verortet ist.”

Die anschließenden, interessanten zwei Minuten “Mycelia” sind komplett aus Gesangs-Samples ohne jeglichen Text zusammengesetzt worden und wirken nach der Eröffnung schon fast entspannend, ohne es aber wirklich zu sein. Auch “Sorrowful Soil” besteht nur aus Gesang, hier aber mit verständlichen Worten, und der von Björk mit Chorstimmen erarbeitete Song besitzt durchaus seinen Reiz.

Mit der neuesten Auskopplung “Ancestress” geht es dann wieder ins wilder Arrangierte. Über sieben Minuten lang erklingen Streicher, Glocken, Chor und Percussion, und Björks Gesang greift ein bisschen den Stil irischer Folkmusik auf – und da wir gerade nah am Folk wandeln, wird mit “Fagurt Er i Fjordum” gleich noch ein isländisches Traditional nachgeschoben.

“Victimhood” kommt zu klickenden Beats und bedrohlich anmutenden, gerne tiefen, wild gestreuten Tönen verschiedener Orchesterinstrumente daher und ist mit Textzeilen wie “Only bird’s-eye view can help me transgress out of this hole” oder “To transgress us beyond our tragedy, took one for the team, I sacrificed myself to save us” auch thematisch in der Schwere angesiedelt.

Mit “Allow” über den Blick hoch zu wachsenden Bäumen im warmen, seichten Wind wird es optimistischer und auch klanglich leichtverdaulicher, bevor sich “Fungal City” Pilzen widmet. Die Natur und das aus ihr Erwachsende spielen also eine tragende Rolle auf dem Longplayer. Wenn es aber dann so anstrengend zugeht wie bei “Trolla Gabba”, dann macht er einem das Zuhören nicht leicht.

Wohltuend – vor allem im Vergleich – wirken darauf “Freefall” oder das abschließende “Her Mother’s House”, während das Titelstück “Fossora” dazwischen erneut sperrig daher kommt. Man muss schon ein sehr großer Liebhaber von Björk oder experimenteller Avantgarde sein, um an diesem Album großen Spaß zu haben, so interessant es auch sein mag.

www.bjork.com
facebook.com/bjork

Bewertung: 5 von 10 Punkten

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