Home Film “1917” – selten nahm uns ein Kriegsfilm so direkt mit in die Schlacht

“1917” – selten nahm uns ein Kriegsfilm so direkt mit in die Schlacht

Autor: Mick

"1917" Filmplakat (© 2019 Universal Pictures)

1917

Darsteller: George MacKay, Dean-Charles Chapman, Mark Strong, Benedict Cumberbatch
Regie: Sam Mendes
Dauer: 119 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: upig.de/micro/1917
Facebook: facebook.com/1917Film.DE


Hier ist das nächste Megaprojekt von Bond-Regisseur Sam Mendes („American Beauty“, „Zeiten des Aufruhrs“), der sich nach den letzten beiden auch nicht gerade an Scharmützeln armen Abenteuern „Skyfall“ und „Spectre“ des britischen Geheimagenten 007 nun in „1917“ dem wahrhaftigen Krieg zuwendet. Um den möglichst naturgetreu abzubilden, hat er es sich nicht unbedingt leichtgemacht, indem er sein Drama wie einen sogenannten One-Shot – einen in einer einzigen Einstellung gedrehten Film – wirken lassen wollte. Anders als einschlägige Werke wie zuletzt „Utøya 22. Juli“ (2018) oder Sebastian Schippers Berlinszene-Film „Victoria“ (2015), die tatsächlich ohne einen Schnitt auskommen, braucht er für „1917“ aber letztendlich doch mehrere Einstellungen und nutzt so außer dem konzeptionellen vor allem den Marketingeffekt, denn als Besonderheitsmerkmal taugt die Technik allemal. Wer Mendes jedoch unterstellt, allein darauf abgezielt zu haben, tut ihm wirklich unrecht, sucht man doch die Schnitte auch in seinen virtuosen Aufnahmen vergeblich, Werberummel hin oder her.

Seine Wirkung jedenfalls erzielt diese Herangehensweise schon in der ersten epischen Kamerafahrt durch einen britischen Schützengraben auf einem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs im titelgebenden Jahr 1917, in dem wir die beiden Soldaten Will Schofield (George MacKay) und Tom Blake (Dean-Charles Chapman) auf ihrem Weg zum Kommandostand begleiten, und das ganze Ausmaß des Elends im Morast um sie herum hautnah spürbar wird. Sie werden beauftragt, eine andere Kompanie vor einem deutschen Hinterhalt zu warnen, da die Kommunikationsmöglichkeit mit ihr abgerissen ist, und diese gerade im Begriff ist, in ihr sicheres Verderben zu laufen.

Dieses Himmelfahrtskommando ist als Handlung so simpel wie ausreichend, um uns emotional zu packen, und basiert, wie Mendes nicht müde wird, in jedem Interview zu betonen, zumindest teilweise auf den Erinnerungen seines eigenen Großvaters, der im Ersten Weltkrieg Dienst tat. Natürlich werden die im Drehbuch, das er selbst zusammen mit Kristy Wilson-Cairns verfasst hat, entsprechend ausgeschmückt, dient doch mit Joseph Blake in der todgeweihten Kompanie ausgerechnet der Bruder eines der Botengänger, der damit ein zusätzliches individuelles Interesse am Gelingen ihrer schwierigen Mission bekommt. Das aber wirkt alles andere als aufgesetzt, sondern sorgt ganz im Gegenteil zusammen mit den superrealistischen Sequenzen, in denen wir unseren beiden Hauptfiguren durch Bombenkrater, verlassene Gräben und verminte Schächte im Niemandsland auf Schritt und Tritt folgen, unmittelbar dafür, dass wir uns schon nach kurzer Zeit geradezu als Teil des Auftrags begreifen.

"1917" Szenenbild (© 2019 Universal Pictures and Storyteller Distribution Co., LLC. All Rights Reserved.)

(© 2019 Universal Pictures and Storyteller Distribution Co., LLC. All Rights Reserved.)

Das Ganze stürzt wie eingangs erwähnt in Echtzeit auf einen ein und ringt einem nahezu minütlich Respekt für die Realisierung der beeindruckenden Aufnahmen ab, bei denen man angesichts der von Mendes bestens inszenierten, jederzeit spürbaren Gefahr bald auch die bei entsprechender Vorinformation aktivierte Suche nach Schnitten vergisst. Allenfalls einen allzu offensichtlichen gibt es da zu registrieren, als Schofield im wahrsten Sinne des Wortes einen Blackout erleidet, und wir mit ihm gemeinsam ein gutes Stück Echtzeit verpassen. Doch auch das trägt nur zur Authentizität der Bilder bei, fühlt man sich dem Soldaten emotional noch stärker verbunden.

Das alles macht das Kriegsdrama trotz im verwaisten Niemandsland großteils ausbleibenden Kugelhagels zu einem eindrücklichen, intensiven Manifest gegen die Schrecken des Krieges, das eine unglaubliche Nähe zu den Figuren herstellt und die leidige Diskussion um Kameraeinstellungen völlig überflüssig erscheinen lässt. Denn eins steht auf jeden Fall fest: Mendes‘ Konzept der langen Einstellungen rechtfertigt jeden zusätzlichen Produktionsaufwand und geht in jeglicher Hinsicht voll auf, mit wie vielen Schnitten auch immer.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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