Home Film “Astrid” – die Lindgren im schmerzvollen Aufbruch vor dem Durchbruch

“Astrid” – die Lindgren im schmerzvollen Aufbruch vor dem Durchbruch

Autor: Tobi

"Astrid" Filmplakat

Astrid

Darsteller: Alba August, Trine Dyrholm, Magnus Krepper, Henrik Rafaelsen
Regie: Pernille Fischer Christensen
Dauer: 123 Minuten
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Website: dcmworld.com/portfolio/astrid/
Facebook: facebook.com/dcmworld


Denken wir an Astrid Lindgren, dann schießen uns diverse Titel und Figuren ihrer wunderbaren und sehr erfolgreichen Kinder- und Jugendbücher in den Kopf, wie natürlich “Pippi Langstrumpf”, “Ronja Räubertochter”, “Kalle Blomquist”, “Karlsson vom Dach”, “Die Brüder Löwenherz” oder “Michel aus Lönneberga”. Dass es im Leben der 2002 im hohen Alter von 94 Jahren verstorbenen, schwedischen Schriftstellerin aber auch eine Phase gab, die von sehr schwierigen Momenten ebenso wie Aufbruch geprägt war, davon erzählt uns die dänische Regisseurin Pernille Fischer Christensen (“En Soap”, “Eine Familie”) in ihrem Biopic “Astrid”.

Dass ihre Bücher die Kinder begeisterten, das reißt der Film nur in kurzen, als Rahmen gebotenen Bildern an, die Astrid Lindgren im Alter (Maria Fahl Vikander) in ihrer Wohnung zeigen, inmitten von Bergen an liebevollen Briefen von Kindern an ihre Lieblingsautorin, aus denen wir Auszüge hören und sehen. Ansonsten gehen wir zurück in ihre bewegte Zeit am Ende der Jugend.

Nachdem Astrid (Alba August) mit ihren Geschwistern auf einem Pfarrbauernhof im ländlichen Vimmerby aufwächst und von ihren Eltern (Maria Bonnevie und Magnus Krepper) vor allem eine religiöse Erziehung mit strengen Regeln erfährt, dazu auf der eigentlich nur von reicheren Kindern besuchten weiterführenden Schule oftmals schräg und abwertend angeschaut wird, zieht es sie hinaus. Wohin, das weiß Astrid noch nicht so recht, aber der Entschluss ist gefallen.

Astrid ist anders, und das nicht nur auf lokalen Tanzveranstaltungen, wo sie sich als einzige gehen lässt, wenn der Beat sie packt. Als sie sich bei der Ortszeitung um eine Stelle als Volontärin bewirbt, überzeugt sie mit Spontaneität, Natürlichkeit und Intelligenz. Auch wenn sie anfangs nur Texte abtippt, strebt sie nach mehr – in jeder Beziehung. Bald schon beginnt sie, eigene Artikel zu schreiben, und ein neuer Haarschnitt macht sie erwachsener und attraktiver für den Chefredakteur (Henrik Rafaelsen), den sie anhimmelt.

Obwohl dieser verheiratet ist, lässt er sich auf eine Affäre ein, und Astrid wird schwanger – mit 18 Jahren. Um einen Skandal zu vermeiden, der das gesellschaftliche Ansehen ihrer Familie schädigen würde und ihn sogar ins Gefängnis bringen könnte, taucht Astrid in Stockholm unter und bekommt schließlich ihr Kind Lasse in Dänemark, um es dort von einer Pflegemutter (Trine Dyrholm) aufziehen zu lassen, bis sich zu Hause die Lage beruhigt hat und sie den Jungen heim holen kann.

Hier hat sie allerdings die Rechnung ohne die kleinen Gemeinheiten des Lebens gemacht. Natürlich fühlt sich Lasse zu der Frau, die er trotz aller Offenheit als seine Mutter ansieht, da sie sich tagein tagaus um ihn kümmert, weit mehr hingezogen als zu Astrid, die so bei ihren Besuchen immer wieder verletzt wird. Und auch wenn die Liebe zu Lasses Vater über eine lange Zeit nicht abebbt, ist Astrid genervt von der erzwungenen Geheimhaltung derselben und fühlt sich irgendwann sogar von ihm betrogen. Nur das Schreiben profitiert, denn Astrid hat genug Zeit, hier immer besser zu werden.

"Astrid" Szenenbild (© DCM / Erik Molberg Hansen)

Die junge Astrid (Alba August) (© DCM / Erik Molberg Hansen)

“Mein Film über die Jugend von Astrid Lindgren ist eine persönliche Hommage an eine der großartigsten Künstlerinnen Skandinaviens. Eine Liebeserklärung an eine Frau, die mit ihrer starken Persönlichkeit die herrschenden Normen von Geschlecht und Religion ihrer Gesellschaft gesprengt hat”, erklärt die mehrfache Berlinale-Preisträgerin Pernille Fischer Christensen.

Sie nimmt uns mit in das von konservativen Werten dominierte Schweden der 1920er-Jahre und zeigt uns ein äußerst wichtiges Kapitel im Leben der zur Frau reifenden Astrid Lindgren, die genau dies auch auslebt und sich selbst in eine Freiheit bugsiert, die neben schönen Momenten auch so viel Schmerz mit sich bringt.

Der Film ist durchaus interessant, hierbei allerdings deutlich zu lang geraten, so dass er zwischendurch auch mal etwas gehaltslos dahin plätschert. Das ist schade, denn neben dem steinigen Weg von Astrid auf ihrem Weg zur Schriftstellerin hat man immer wieder auch erhellende Aha-Momente, in denen man Situationen oder Charakteren begegnet, die später mal Inspirationen für ihre bekannten Geschichten werden sollen – und diese hat die Regisseurin sehr geschickt eingeflochten.

Auch wenn die Handlung des Films als Drama von einiger Schwere geprägt ist, verleiht die umwerfend spielende, jetzt 25-jährige Newcomerin Alba August, auf der Berlinale 2018 für die Netflix-Serie “The Rain” als einer der “European Shooting Stars” ausgezeichnet, dem Film extrem viel Charme und in ihren fröhlichen Momenten auch eine ungehöre Leichtigkeit.

“Astrid” ist ein trotz der angesprochenen Längen sehenswertes Biopic über die “Schwedin des Jahrhunderts” und Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, die sich neben dem Tierschutz auch immer wieder lautstark für die Rechte von Kindern eingesetzt hat. Der wunderbare Song “Springa”, der im Streifen schon aufgegriffen wird und im Abspann dann von Ane Brun gesungen noch einmal in voller Pracht zu hören ist, passt mit seiner Mischung aus Melancholie und Schönheit bestens ins Bild, vor allem aber mit seinem Text, in dem es übersetzt heißt: “Wage es zu laufen, durch die Dunkelheit ins Licht“.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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