Home Film “Der Trafikant” – ein Bub vom Land erlebt das Wien der 30er-Jahre

“Der Trafikant” – ein Bub vom Land erlebt das Wien der 30er-Jahre

Autor: Tobi

"Der Trafikant" Filmplakat (© TOBIS Film GmbH)

Der Trafikant

Darsteller: Simon Morzé, Bruno Ganz, Johannes Krisch, Emma Drogunova
Regie: Nikolaus Leytner
Dauer: 114 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: tobis.de/film/der-trafikant
Facebook: facebook.com/tobisfilmclub


Der österreichische Regisseur Nikolaus Leytner legt mit “Der Trafikant” seinen ersten Kinofilm seit 20 Jahren vor, nachdem er die den letzten beiden Jahrzehnten nur für das Fernsehen aktiv war. Für sein neues Werk hat er zusammen mit Klaus Richter auch das Drehbuch geschrieben und nimmt uns mit ins Wien der 30er-Jahre an der Schwelle zum deutschen Einmarsch, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Robert Seethaler aus dem Jahr 2012.

Als der 17-jährige Franz Huchel (Simon Morzé) 1937 aus seinem Heimatdorf am Attersee nach Wien geht, um beim Trafikanten Otto Trsnjek (Johannes Krisch) zu lernen, da ahnt er nicht, was ihn erwartet. Der Job selbst ist es nicht, der ihn überfordert, lehrt ihn Trsnjek doch neben dem richtigen Auftreten gegenüber der Kundschaft auch die Liebe zum Sortiment, die sich vor allem bei teuren Zigarren ausdrückt.

"Der Trafikant" Szenenbild (© TOBIS Film GmbH)

Anezka (Emma Drogunova), Franz Huchel (Simon Morzé), Sigmund Freud (Bruno Ganz) (© TOBIS Film GmbH)

Verwirrender ist da schon die Liebe zum weiblichen Geschlecht, denn Franz lernt angetrunken auf einer Feier die hübsche Anezka (Emma Drogunova) kennen, und diese bringt ihm mal Zuneigung entgegen, mal zeigt sie die kalte Schulter. Wie er heraus findet, arbeitet sie als sexy Tänzerin in einem Varieté – was ihn aber nicht davon abhält, ihr nachzustellen.

Hierbei hilft ihm, und das hätte er selbst nicht gedacht, der vormals berühmte Neurologe und Psychologe Sigmund Freud (Bruno Ganz), den er als Stammkunden im Tabakladen kennen lernt und der bereits von fortschreitendem Alter und Krankheit gezeichnet ist, aber für Franz immer einen guten Rat bereit hält, so dass sich dieser fast in Freundschaft zu ihm hingezogen fühlt. Freud ist aber mit seinen 82 Jahren nicht mehr der Alte, auch weil ihm verboten wurde, zu praktizieren – schließlich stehen die deutschen Truppen vor dem Einmasch und Nationalsozialisten sind auch in Wien schon aktiv, so dass Freud als Jude in Gefahr schwebt, was er noch etwas verdrängt. Trsnjek  hingegen, der sich als Gegner des Judenhass positioniert, bekommt schon deutlich Gegenwind, auch aus der eigenen Nachbarschaft. In all den Wirren versucht Franz, sich durchzukämpfen und wird hierbei immer mehr vom Bub zum Mann.

Nikolaus Leytner ist es gut gelungen, eine Coming-of-Age-Geschichte so mit geschichtlichen Ereignissen zu kombinieren, dass sich inmitten einer ansprechenden und detailverliebten Ausstattung eine runde Story ergibt, die sowohl leichtfüßige wie auch jede Menge dramatische Momente zu bieten hat. Simon Morzé spielt den zwischen Naivität und zunehmender Zielstrebigkeit bis hin zur Zivilcourage balancierenden Dorfburschen sehr gut, und auch die anderen Rollen sind gut besetzt. Trotz seiner fast zwei Stunden wird der Film nie langweilig und bietet gute Unterhaltung, die durch den immer drückender eingebrachten Antisemitismus natürlich auch viele nachdenkliche Momente mit sich bringt.

Trailer:

Bewertung: 8 von 10 Punkten

 

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