Home Film “Die Farbe Lila” – eine gelungene, bewegende Verfilmung der Musical-Adaption des Drama-Klassikers

“Die Farbe Lila” – eine gelungene, bewegende Verfilmung der Musical-Adaption des Drama-Klassikers

Autor: Tobi

"Die Farbe Lila" Filmplakat (© Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.)

Die Farbe Lila

Darsteller: Taraji P. Henson, Danielle Brooks, Colman Domingo, Corey Hawkins
Regie: Blitz Bazawule
Dauer: 141 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.warnerbros.de/de-de/filme/die-farbe-lila
Facebook: facebook.com/WarnerBrosDE
Kinostart: 8. Februar 2024


Als Steven Spielberg 1985 mit “Die Farbe Lila” den gleichnamigen, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Roman der US-amerikanischen Schriftstellerin Alice Walker aus dem Jahr 1982 verfilmte, konnte das Team an den Kinokassen mit einem Einspielergebnis von fast 100 Millionen US-Dollar bei etwa 15 Millionen an Budget einen Erfolg verbuchen, bei der Oscar®-Verleihung 1986 ging der Streifen trotz elf Nominierungen allerdings leer aus – vielleicht auch auf Grund einiger Kontroversen um Beschönigungen und die generelle Darstellung der Schwarzen im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts – dabei hatte Alice Walker höchstpersönlich die Umsetzung beaufsichtigt.

Im Dezember 2005 feierte eine Musical-Umsetzung des Stoffs am New Yorker Broadway Premiere und lief durchaus vielbeachtet bis 2008, bevor sie abgesetzt und dann im Dezember 2015 als überarbeitete Neuinszenierung ebenfalls am Broadway wiederbelebt wurde. Ein wirklicher Dauerbrenner wurde auch diese Version trotz einiger Erfolge wie zwei erhaltenen Tony Awards nicht, lief lediglich bis Anfang 2017. Nun aber geht es für die Musical-Umsetzung im Kino weiter, unter der Regie von Blitz Bazawule, und zu den Produzenten gehört neben Steven Spielberg, Quincy Jones und Scott Sanders auch Oprah Winfrey, die bei der 1985er-Verfilmung in der Rolle der Sofia mitspielte.

Im Zentrum des Gezeigten steht allerdings Celie (Fantasia Barrino), die wir zu Beginn 1909 in Georgia noch als Teenagermädchen erleben, das zusammen mit ihrer Schwester Nettie (Halle Bailey) von liebenden Ehemännern träumt, während die Realität anders aussieht. Nach dem Tod der Mutter nämlich hat Vater Alfonso (Deon Cole) angefangen, sich an Celie zu vergehen, wobei sie nun schon zum zweiten Mal schwanger wurde. Das Kind darf sie zwar empfangen und sehnt sich danach, es zu behalten und groß zu ziehen, der Vater aber nimmt ihr auch das zweite wieder direkt nach der Niederkunft weg, um es – wie er sagt – zu Gott zu bringen, wobei Celie nicht weiß, ob dies eine christliche Einrichtung ist, eine Pflegefamilie oder vielleicht auch der Tod.

Als wenn Celie nicht schon traurig genug wäre, zwingt der Vater sie kurz darauf, einen viel älteren Mann (Colman Domingo) zu heiraten, dem vor allem die quirlige Nettie schon mehrfach aufgefallen war und der sich nur als “Mister” vorstellte, nun eine Kuh und ein paar Eier für Celie bot, da Alfonso ihre Schwester nicht freigeben wollte. Auch bei ihm geht es Celie nicht gut, bringt er sie doch rabiat dazu, den Haushalt nach seinen Vorstellungen zu führen und dann die Beine breit zu machen, wenn er Lust darauf hat. Der trübe Alltag wird zwar etwas heller, als die schwer vermisste Nettie nach Zwist mit dem nun sie angehenden Vater kurz mit einzieht, aber Mister wirft sie bald wieder aus dem Haus, nachdem sie sich ihm nicht sexuell gefügig zeigt.

"Die Farbe Lila" Szenenbild (© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.)

Celie (Fantasia Barrino) und Shug Avery (Taraji P. Henson)
(© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.)

In 1917 fristet Celie weiter ein tristes Dasein an Misters Seite, dessen Sohn Harpo (Corey Hawkins) die lebhafte und selbstbewusste Verlobte Sofia (Danielle Brooks) vorstellt, mit der er am Sumpf ein Haus bauen möchte, sich dann aber für ein “Juke Joint” entscheidet, eine Kneipe für Afroamerikaner. Mit der von Mister gehassten Sofia hat Celie eine neue Freundin, die sich aber auch wieder verabschiedet, als Harpo sie schlägt. Gut, dass es da noch die Sängerin Shug Avery (Taraji P. Henson) gibt, die Mister schon lange anhimmelt und die er überzeugen kann, mal wieder in der Gegend vorbei zu schauen und in Harpos Bar aufzutreten. Da sie während des Besuchs bei Mister wohnt, kommen Celie und Shug sich näher und durch sie lebt Celie neu auf, wird auch selbstbewusster, was dem Ehemann gar nicht schmeckt. Zudem noch bringt ihr Shug einen Brief von Nettie, von der Celie schon ewig nichts mehr gehört hat – weil Mister ihr alle Briefe bislang vorenthalten hatte. In Afrika lebt Nettie inzwischen und hat noch mehr gute Neuigkeiten für Celie.

“Die Farbe Lila” wusste als Buch und damaliger Film schon zu überzeugen – und dies ist mit der Kino-Umsetzung der Musical-Adaption nicht anders. Die 38 Jahre abdeckende Geschichte ist interessant und bewegend, zunächst vor allem aufwühlend, leidet man doch mit Celie extrem mit, die aller ihrer Rechte und Würde beraubt keine andere Möglichkeit zu haben scheint, als sich zu fügen. Die Skrupellosigkeit ihres Vaters, der sie übelst missbraucht und zudem noch als hässlich bezeichnet, ist abstoßend, und ihr neuer Herr und Gebieter Mister, dem sie treu dient, verhält sich kaum besser.

In anderen Familien sieht es wenig besser aus, das Bild unterdrückter Frauen ist also zunächst prägend, bis Harpos Verlobte Sofia mal zeigt, dass es auch anders geht, wobei sie von ihm hierdurch gegen eine Gefügigere ausgetauscht wird. Mit der weißen, bösartigen Frau des Bürgermeisters rückt auch die schamlose Nutzung Schwarzer für eigene Interessen Weißer mal kurz ins Bild und kostet Celie einige Jahre in Freiheit. Schließlich ist es die erfolgreiche, sehr selbstbewusste Shug Avery, die Celie zur Freundin wird und ihr vormacht, wie man sich auch als schwarze Frau emanzipieren kann – und der gegenüber Mister, den sie mit Charme, ausgespielter Weiblichkeit und deutlicher Bestimmtheit um den Finger wickelt, fast handzahm agiert.

Es geht um das Leben der Schwarzen in Georgia in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, um Leid, um häusliche Gewalt, um getrennte Schwestern und verlorene Kinder, um das Erkennen der Schönheit der Welt, das Finden eigener Stärke und das schwierige, aber machbare Loslösen von schlechten Menschen und der Selbstaufgabe. Am Ende geht es aber – auch bedingt durch den Glauben, der als Anker eingebracht wird – auch um Vergebung, und das selbst denen, die es eigentlich nicht verdient hätten. Das lässt sich gut anschauen und ist vom ghanaischen Multimediakünstler Blitz Bazawule nach einem Drehbuch von Marcus Gardley gut inszeniert, wobei er von einer starken Besetzung profitiert.

Als Celie überzeugt in ihrem Kinofilmdebüt Fantasia Barrino, die selbige Rolle in der ersten Spielzeit am Broadway von 2007 bis 2008 für ein dreiviertel Jahr schon ausfüllte und 2010 auf einer Tour noch einmal bekleidete – und die es als allererste Gewinnerin von “American Idol” auf den Broadway schaffte, holte sie sich doch 2004 den Sieg in der TV-Show. Sie spielt solide und singt hervorragend, wobei eigentlich alle Stimmen zu glänzen wissen. Mit Danielle Brooks kehrt noch eine Akteurin in ihre Broadway-Rolle als Sofia zurück, die ihr damals eine Tony-Nominierung einbrachte. Noch bekanntere Gesichter sind die in der viel diskutierten, aber gut gelungenen Live-Action-Verfilmung von “Arielle, die Meerjungfrau” als selbige bekannt gewordene Halle Bailey als Schwester Nettie in jüngeren Jahren, Alt-Star Louis Gossett Jr. als Misters harter Vater, die bestechende Taraji P. Henson als Shug Avery und die berühmte US-amerikanische R&B-Singer/Songwriterin H.E.R. als Harpos neue Partnerin Mary “Squeak” Agnes, die eine amtliche Prügelei anzettelt. Colman Domingo gefällt zudem als größtenteils fieser Albert “Mister” Johnson, ebenso wie Corey Hawkins als sein charakterlich schwankender Sohn Harpo – und in einem kurzen Cameo-Auftritt als Hebamme sehen wir auch noch Whoopi Goldberg, die 1985 die Celie spielte.

Ein gelungenes Musical funktioniert natürlich aber auch nur mit guter Musik, und hier hat Kris Bowers einen tollen Job gemacht, der von den aus der Feder von Brenda Russell, Allee Willis und Stephan Bray stammenden Bühnenmusical-Stücken etwa die Hälfte weggelassen und somit gut selektiert hat. Dafür wurde das am Broadway in der zweiten Inszenierung ausgelassene “She Be Mine” wieder integriert und auch einiges an neuer Musik von Bowers erarbeitet. Herausgekommen ist eine sehr abwechslungsreiche Mischung an Liedern, die in der deutschen Version sinnvollerweise im englischen Original mit Untertiteln verabreicht werden. Passend zum Film werden bestens ausproduziert diverse Facetten vor allem schwarzer Musik geboten, von Südstaaten-Bluegrass-Folk wie beim eröffnenden “Huckleberry Pie” über fulminanten Gospel a la “Mysterious Ways” und Blues wie in “She Be Mine” und “Miss Celie’s Blues (Sister)” bis zu stimmungsvollem Swing-Soul-Pop mit “Keep It Movin'”, “Shug Avery” und “Push Da Button”, Jazz-Blues mit dem verführerischen “Shug” oder große, mit Streichern unterlegte Balladen wie “What About Love?”, “I’m Here” und “Superpower” – und selbst afrikanische, tribale Klänge kommen mit “Agoo” dann noch hinzu.

Passend zur Musik werden auch einige Choreografien mit eingebaut, vor allem in den Traumsequenzen, in die sich Celie einige Male entflieht. Diese fulminant gestalteten, tänzerischen und manchmal auch in ganz andere Kulissen springenden Momente aber schaden der Ernsthaftigkeit der durchaus schwer wiegenden Thematik nicht, was beachtlich gut gelungen ist. So bleibt “Die Farbe Lila” ein trotz der musikalischen Einlagen bewegendes Drama, das einen in seinen 141 Minuten nie langweilt und am Ende sogar noch mit einiger Helligkeit im Dunkeln aufzuwarten weiß, hierbei sogar veritablen Arschlöchern noch Raum gibt, sich geläutert zu zeigen. Eine in jedem Fall gelungene Musical-Umsetzung, die als Film nun auch sehr gut funktioniert.

Trailer:

Bewertung: 8 von 10 Punkten

 


Soundtrack:

Various Artists "The Color Purple (Music From And Inspired By)"Parallel zum Filmstart und physisch dann einen Monat später am 8. März erscheint mit “The Color Purple (Music From And Inspired By)” auch ein umfassender Soundtrack zum Film, der mehr ist als dies.

Bei den insgesamt 37 Tracks auf fast zwei Stunden handelt es sich nicht nur um die oben erwähnten, abwechslungsreichen und guten Lieder aus dem Film von Kris Bowers und dem Grammy-preisgekrönten Songwriter-Trio Brenda Russell, Allee Willis und Stephen Bray, die auch bereits einen Kauf verdient hätten. Zusätzlich zu diesen 17 Stücken, die von den DarstellerInnen des Streifens – also Taraji P. Henson, Danielle Brooks, Colman Domingo, Corey Hawkins und Co. – eingesungen wurden, findet man nämlich noch stolze 16 vom Musical inspirierte neue Songs. Diese werden größtenteils von Stars der heutigen Musikszene dargeboten, wie Alicia Keys, Jorja Smith, H.E.R., Usher, Mary J. Blige, Celeste, Keyshia Cole oder der auch schon reichlich Kino-erfahrenen und 2021 erst als Aretha Franklin in “Respect” glänzenden Jennifer Hudson. Vier Remixe von Songs aus dem Film kommen noch hinzu, angefertigt von nicht weniger nahmhaften Acts wie Missy Elliott und Timbaland, die hierfür dann auch noch Stars wie Megan Thee Stallion oder Black Thought mit ins Studio geholt haben, deren Stimmen sich nun zu denen der DarstellerInnen gesellen, was sehr reizvoll ist.

Man findet zusätzlich zu den starken Songs des Films also weitere reizvolle Stücke, und diese überzeugen ebenfalls. Alicia Keys’ “Lifeline” ist ein hymnischer Ohrwurm, Jorja Smith’ “Finally” reißt einen mit gospelartigen choralen Momenten im Refrain und reichlich Groove mit, beim ruhig basierten “When I Can’t Do Better” leidet man mit der ausdrucksstarken Mary J. Blige mit, Jennifer Hudson nimmt es beim sanft souligen “All I Need” deutlich leichter, und Usher bietet mit H.E.R. im Duett die schöne Piano-Ballade “Risk It All”. Starke Songs, keine Frage – und auch die Remixe bereiten Freude, wenn Danielle Brooks in Timbalands Mix von “Hell No!” singt und Megan Thee Stallion dazu ihre Rap-Rhymes schmettert, oder wenn Missy Elliott aus Halle Baileys “Keep Pushin'” einen treibenden Remix gebastelt hat. “The Color Purple (Music From And Inspired By)” ist weit mehr als ein Soundtrack und lohnt sich nicht nur für die Fans des Musical-Films.

Hier die Tracklist:

01. Halle Bailey & Phylicia Pearl Mpasi – Huckleberry Pie
02. Tamela Mann, David Alan Grier, Halle Bailey & The Color Purple Ensemble – Mysterious Ways
03. Phylicia Pearl Mpasi & The Color Purple Ensemble – She Be Mine
04. Halle Bailey & Phylicia Pearl Mpasi – Keep It Movin’
05. Corey Hawkins & The Color Purple Ensemble – Workin’
06. Danielle Brooks & The Color Purple Ensemble – Hell No!
07. Fantasia, Colman Domingo & The Color Purple Ensemble – Shug Avery
08. Fantasia – Dear God – Shug
09. Taraji P. Henson – Push Da Button
10. Fantasia & Taraji P. Henson – What About Love?
11. The Color Purple Ensemble – Agoo
12. Fantasia – Hell No! (Reprise)
13. Taraji P. Henson – Miss Celie’s Blues (Sister)
14. Fantasia, Danielle Brooks, Taraji P. Henson, H.E.R. & The Color Purple Ensemble – Miss Celie’s Pants
15. Fantasia – I’m Here
16. Taraji P. Henson & David Alan Grier – Maybe God Is Tryin’ To Tell You Somethin’
17. Fantasia, Danielle Brooks, Taraji P. Henson, Ciara, Corey Hawkins, Colman Domingo & The Color Purple Ensemble – The Color Purple
18. Fantasia – Superpower (I)
19. Usher & H.E.R. – Risk It All
20. Keyshia Cole – No Love Lost
21. Alicia Keys – Lifeline
22. Jorja Smith – Finally
23. Halle Bailey – Keep Pushin’ [Missy Elliott Remix]
24. Mary J. Blige – When I Can’t Do Better
25. Celeste – There Will Come A Day
26. H.E.R. – Any Worse (Squeak’s Song)
27. Fantasia feat. Shenseea – Hell No! (Reprise) [Missy Elliott Remix]
28. Coco Jones – You See Me
29. Corey Hawkins feat. Black Thought – Workin’ [Timbaland Remix]
30. Tamela Mann – Mysterious Ways [Mörda Remix]
31. Jennifer Hudson – All I Need
32. Danielle Brooks feat. Megan Thee Stallion – Hell No! [Timbaland Remix]
33. Jane Handcock – 100
34. October London – Eternity
35. Darkchild feat. Konstance – No Time
36. V. Bozeman, Dyo & Ludmilla – Girls
37. Mary Mary & Taraji P. Henson – Maybe God Is Tryin’ To Tell You Somethin’

Related Articles