Home Film “Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra” – das Dokudrama über die italienischen Mafiaprozesse fesselt bis zum Schluss

“Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra” – das Dokudrama über die italienischen Mafiaprozesse fesselt bis zum Schluss

Autor: Mick

"Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra" Filmplakat (© Pandora Film)

Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra

Darsteller: Pierfrancesco Favino, Luigi Lo Cascio, Maria Fernanda Candido, Fabrizio Ferracane
Regie: Marco Bellocchio
Dauer: 153 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.il-traditore.de
Facebook: facebook.com/pandorafilm


Die Glorifizierung der italienischen Mafia aus seligen Coppola-Zeiten ist spätestens seit Roberto Savianos Enthüllungsbuch „Gomorrha“ und Matteo Garrones Verfilmung von 2008 Geschichte. Darin räumt der neapolitanische Journalist und Schriftsteller ein für alle Mal mit dem Mythos der angesehenen Familienunternehmen auf und entlarvt sie als skrupellose Verbrecherorganisationen, deren Beziehungen bis in höchste Politikebenen reichen. Dass das nicht allen gefallen hat, ist nachvollziehbar und schon daraus ersichtlich, dass er seitdem nach Morddrohungen nur noch unter Polizeischutz sein ohnehin geheim gehaltenes Wohnhaus verlassen kann. In dieselbe Kerbe schlägt jetzt der italienische Kult-Regisseur Marco Bellocchio („Teufel im Leib“, „Buongiorno Notte – Der Fall Aldo Moro“), der sich das Schicksal des Kronzeugen Tommaso Buscetta vornimmt, um retrospektiv die Machenschaften der Cosa Nostra näher zu beleuchten.

Buscetta (Pierfrancesco Favino), der es Anfang der 80er Jahre vor allem mit Diplomatie und Geschick zu einem reichen Drogenboss in brasilianischen Exil gebracht hat, wird 1982 von der Polizei festgenommen und nach Italien überführt. Da er sich schon vorher wegen der von verfeindeten sizilianischen Familien vom Zaun gebrochenen, blutigen Stammesfehden, denen auch zwei seiner Söhne zum Opfer gefallen sind, von der Cosa Nostra distanziert hat, hat ihn der Richter Giovanni Falcone (Fausto Russo Alesi) bald soweit, als Kronzeuge mit der italienischen Justiz zusammenzuarbeiten.

Das beruht auf wahren Ereignissen und schlug damals hohe Wellen, war Buscetta doch der erste wirklich ranghohe „Pentito“, der sich dem Ehrenkodex der Mafia, der Omertà, widersetzte, und damit die Grundlage für die wegweisenden Maxi-Prozesse gegen hohe Mitglieder des organisierten Verbrechens schuf. Bellocchio nähert sich dem Thema nahezu dokumentarisch, indem er die ausgezeichnet recherchierte Geschichte chronologisch aus der Sicht Buscettas erzählt, dem schon lange die Machtkämpfe in der Heimat gegen den Strich gehen, die weder Würde noch Ehre der alten Zeit achten. Da kommt ihm das Angebot der Straffreiheit nach kurzen Skrupeln gerade recht, um sich am machtbesessenen Boss der Corleonesi, Salvatore Riina (Niccola Calì), und dessen Clan zu rächen.

"Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra" Szenenbild (© Pandora Film)

Eine ehrenwerte Gesellschaft. Im Mittelpunkt: Tommaso Buscetta (Pierfrancesco Favino im weißen Anzug) und seine Frau Cristina (Maria Fernanda Candido) (© Pandora Film)

Bestens werden dabei seine Beweggründe deutlich, lässt uns Pierfrancesco Favino in die Seele des eher zart besaiteten Mafiosos Buscetta blicken, der seine Position vornehmlich mit Verhandlungsgeschick erlangt hat. In dessen Schilderungen der monströsen Verbrechen aber kommen vor allem alle anderen schlecht weg, nimmt er in Bellocchios Inszenierung immer mehr die Rolle des kooperativen Unschuldslamms ein. Dabei basiert auch seine Karriere auf Blut, was allenfalls durch die ihn verfolgende Ausführung eines frühen Auftragsmords Erwähnung findet.

Und doch ist Bellocchios Drama eine packende Abrechnung mit dem organisierten Verbrechen Italiens, dessen hässlichstem Gesicht er hier entlarvend den Spiegel vorhält und gnadenlos den fadenscheinigen Ehrenkodex der Mitglieder anprangert. Das ist angesichts der realen Handlung unheimlich aufwühlend und lehrreich zugleich, lässt einen ohnmächtig den Triumph der Mafiosi beim tödlichen Anschlag auf den Richter Falcone miterleben, der einfach nur fassungslos macht. Dass der Prozess schließlich mit Verurteilungen vieler Angeklagter endet, ist angesichts der verdeutlichten Alternativlosigkeit in ganzen Bevölkerungsschichten nur ein schwacher Trost und macht nicht viel Hoffnung auf einen nachhaltigen Änderungsprozess. Trotzdem ist „Il Traditore“ nach „Gomorrha“ sicher ein weiterer emotionaler Meilenstein bei der wichtigen Aufarbeitung, der noch lange nachwirkt.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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