Home Film “In der Nacht des 12.” – der gelungene Krimi legt den Fokus auf die Polizei-Charaktere

“In der Nacht des 12.” – der gelungene Krimi legt den Fokus auf die Polizei-Charaktere

Autor: Tobi

"In der Nacht des 12." Filmplakat (© Ascot Elite Entertainment)

In der Nacht des 12.

Darsteller: Bastien Bouillon, Bouli Lanners, Pauline Serieys, Théo Cholbi
Regie: Dominik Moll
Dauer: 115 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: ascot-elite.de/movie/de/28/2366/In_der_Nacht_des_12_.html
Facebook: facebook.com/AscotEliteEntertainment


Mit “In der Nacht des 12.” legt der französische Regisseur und Drehbuchautor Dominik Moll (“Harry meint es gut mit dir”, “Der Mönch”, “Die Verschwundene”) einen ungewöhnlichen, aber in jedem Fall packenden Krimi vor. Hierbei handelt es sich zwar um einen Streifen, der auf einem Buch basiert, er widmet sich aber nur einem Teil von Pauline Guénas “18.3 – Une Année à la PJ” (“18.3 – Ein Jahr bei der Kripo”). Moll erklärt: “Ja, es ist eine etwas ungewöhnliche Buchverfilmung, da der Film auf nur etwa vierzig der über fünfhundert Seiten beruht. Pauline Guéna hat ein Jahr in den verschiedenen Abteilungen der Kripo von Versailles verbracht. Sie berichtet über einen Alltag, der aus Routine und strapaziösen Situationen besteht. Wie David Simon in ‘Homicide’ hat auch sie einen zugleich dokumentarischen und unglaublich fiktionalen Blickwinkel. Man taucht ein in eine Ansammlung menschlicher Dramen, die einen guten Eindruck vermitteln von der Welt, in der wir leben.”

So behandelt der Krimi zwar die Suche nach einem Mörder, legt den Fokus aber auf die Polizei-Charaktere und macht gleich zu Beginn klar, dass man hier zwar miträtseln darf, am Ende aber wohl keinen dingfest gemachten Mörder zu erwarten hat – denn der Film beginnt mit dem Hinweis, dass in Frankreich 20% aller Morde unaufgeklärt bleiben, zeigt also vermutlich einen hiervon, und das basierend auf wahren Begebenheiten.

In einer französischen Kleinstadt am Fuße der Alpen wird die 21-jährige Clara (Lula Cotton-Frapier) in der Nacht des 12. Oktober auf dem Heimweg von einer Party von einem Unbekannten mit Benzin übergossen, angezündet und dann hilflos sterbend zurückgelassen. Der gerade erst zum Teamleiter der Mordkommission in Grenoble beförderte Yohan (Bastien Bouillon) untersucht mit seinem älteren Kollegen Marceau (Bouli Lanners) den Tatort, informiert dann Claras Mutter (Charline Paul) und ihre beste Freundin Nanie (Pauline Serieys), bei der sie eigentlich übernachten wollte.

Im Lauf der nächsten Tage kristallisieren sich zwar einige Verdächtige heraus, auch weil Clara alles andere als ein zurückgezogenes und monogames Leben mit diversen Bekanntschaften geführt hat, aber im Endeffekt scheinen alle unschuldig zu sein, ob der gleichgültig und kindisch wirkende Kletter-Trainer, ein über Anzünden als Rache rappender Möchtegern-Musiker oder ein als Schläger vorbestrafter, selbstverliebter Macho. Während der von Eheproblemen zerfressene und auch im Job nur noch frustrierte Marceau schlechtgelaunt über einen Job-Ausstieg nachdenkt, lässt der Fall dem ehrgeizigen und weit sensibleren Yohan keine Ruhe – wobei die Zeit für eine Aufklärung dann irgendwann doch abzulaufen scheint.

"In der Nacht des 12." Szenenbild (© Hautetcourt / Ascot Elite Entertainment)

Im Visier des Ermittlerteams: diverse Männer, jeder gleichermaßen verdächtig. Yohann (Bastien Bouillon), Jérôme (Paul Jeanson), Willy (Théo Colbi), Fred (Johann Dionnet) und Nadia (Mouna Soualem) sind kurz davor, das Rätsel zu lösen.
(© Hautetcourt / Ascot Elite Entertainment)

Auch wenn der oben erwähnte Hinweis zu Beginn von “In der Nacht des 12.” keine Auflösung vermuten lässt, gibt man die Hoffnung nicht auf, vielleicht am Ende doch eine serviert zu bekommen. Ganz unabhängig hiervon nimmt einen der Film aber als Charakterstudie des ermittelnden Polizisten-Duos und des dazugehörigen Teams gefangen und gibt so durchaus eindringliche Einblicke in die Arbeit. Hierfür verließ sich Dominik Moll nicht nur auf die Buchvorlage, sondern schnupperte auch selbst noch Dezernats-Luft: “Als ich eine Woche bei der Kripo von Grenoble verbracht habe, wurde mir klar, wie entscheidend der Gruppengeist ist. Für die Ermittler ist die Gruppe wie eine zweite Familie. Diese Dynamik wollte ich zeigen. Gleichzeitig mussten prägende Charaktere hervortreten.”

Neben Yohan und Marceau lernen wir somit auch einen frischen Polizisten kennen, der von den anderen nur verdutzt angeschaut und belächelt wird, wenn er fragt, wie man denn Überstunden festhalten würde, oder nach einem Zeitsprung dann auch noch mit der neuen Kollegin Nadia (Mouna Soualem) und einer Untersuchungsrichterin (Anouk Grinberg) zwei weibliche Protagonistinnen auf Seiten des Gesetzes.

Zentral ist unterdessen neben der Studie verschiedener Charaktere auch die Beziehung zwischen Männern und Frauen. Moll erklärt: “Zahlreiche Delikte sind Fälle von männlicher Gewalt gegenüber Frauen. Es ist völlig verrückt, wenn man darüber nachdenkt und diese Tatsache nicht als Fatalität abtut. Die Kriminalpolizei, die diese Gewalt bekämpfen soll, ist fast ausschließlich männlich. Selbst wenn in vielen Filmen und Serien auf lobenswerte Weise immer mehr Ermittlerinnen gezeigt werden, ist es in Wirklichkeit bisher nach wie vor eine Männerwelt. Was geht im Kopf dieser Männer vor, die Verbrechen an Frauen untersuchen, die ihre Töchter, Lebensgefährtinnen, Freundinnen oder Schwestern sein könnten? Wie betrachten sie die Verdächtigen? Und die Opfer? Was bewegt das in ihnen? Wir wollten, dass der Zuschauer diese Problematik im Film spürt.”

Hierbei kommt es zu einer prägenden Szene, als die trauernde und immernoch verzweifelte Nanie beim dritten Verhör in Tränen ausbrechend fragt, warum die Polizei genau wissen wolle, mit wem Clara sexuelle Beziehungen hatte. Trägt sie etwa in den Augen der Ermittler eine Mitschuld an ihrem Tod, nur weil sie nicht monogam lebte? Eine von mehreren Fragen, die Yohan immer mehr belasten und ihm keine Ruhe lassen, da kann er sich noch so sehr mit Bahnrad-Fahren als Hobby abzulenken versuchen.

“In der Nacht des 12.” weiß zu gefallen, gut gespielt und inszneniert, zudem untermalt von einem passenden Score Olivier Marguerits. Bei der Verleihung der Prix Lumières für die besten französischen Kino-Produktionen des Jahres 2022 am 16. Januar 2023 – also kurz nach dem Kinostart bei uns – ist der Film von Dominik Moll dann auch in gleich sechs Kategorien nominiert (Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch, Bastien Bouillon als Bester Darsteller, Beste Kamera und Beste Filmmusik).

Trailer:

Bewertung: 8 von 10 Punkten

 

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