Home Film “Intrige” – Roman Polańskis Aufarbeitung eines geschichtlichen Polit-Skandals ist sein bester Film seit langem

“Intrige” – Roman Polańskis Aufarbeitung eines geschichtlichen Polit-Skandals ist sein bester Film seit langem

Autor: Tobi

"Intrige" Filmplakat (© Weltkino Filmverleih GmbH)

Intrige

Darsteller: Jean Dujardin, Louis Garrel, Emmanuelle Seigner, Grégory Gadebois
Regie: Roman Polański
Dauer: 132 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.weltkino.de/intrige
Facebook: facebook.com/Intrige.DerFilm


Denkt man an den französisch-polnischen Regisseur Roman Polański, dann fallen einem Dinge ein wie der gerade erst von Quentin Tarantino mit “Once Upon A Time… In Hollywood” frisch in Erinnerung gerufene Mord an seiner damaligen Frau Sharon Tate im August 1969 oder natürlich der Vorwurf der Vergewaltigung an einer 13-Jährigen im Jahr 1977, auf Grund dessen Polański nie wieder in den USA war, die nach wie vor seine Auslieferung fordern. Vor allem aber denkt man an großes Kino wie “Tanz der Vampire” (1967), “Rosemaries Baby” (1968), “Chinatown” (1974) oder “Der Pianist” (2002).

Letzterer Streifen, der ihm einen Oscar® für die “Beste Regie” bescherte, stellte dann allerdings auch sein letztes Meisterwerk dar, denn die fünf zwischen 2005 und 2017 folgenden Filme wussten einen nicht mehr zu begeistern. Da überrascht es schon fast, dass Polański jetzt mit “Intrige” zu alter Klasse zurück findet, mit dem er basierend auf dem gleichnamigen Roman von Robert Harris (“Vaterland”) und im Drehbuch-Verbund mit ihm einen geschichtlichen Polit-Skandal aufarbeitet, der auch heute noch unerhoffte Aktualität mit sich bringt.

Als der junge jüdische Hauptmann Alfred Dreyfus (Louis Garrel) am 5. Januar 1895 wegen Hochverrats in einer erniedrigenden, öffentlichen Zeremonie seines Standes enthoben und zu lebenslanger Haft auf der einsam im Atlantik vor Französisch-Guayana liegenden Teufelsinsel verbannt wird, ist Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin) einer der anwesenden Armee-Offiziere. Wenig später wird dieser zum Geheimdienstchef der Abteilung befördert, die Dreyfus der Spionage überführte.

Hier kommen ihm bald Zweifel, ob das Urteil gegen Dreyfus seine Richtigkeit hatte, denn das diesen maßgeblich belastende Schriftstück könnte eventuell auch aus anderer Hand stammen, und offensichtlich werden nach wie vor militärische Geheimnisse an die Deutschen verraten, was ja nun nicht mehr durch Dreyfus passieren kann. Als Picquart tiefer in die Materie einsteigen möchte, machen ihm seine Vorgesetzten unsanft deutlich, dass er dies unterlassen solle und man kein Interesse daran habe, Dreyfus zu rehabilitieren und somit eigene Fehler einzugestehen. Trotzdem ermittelt Picquart weiter und bringt sich auf der Suche nach der Wahrheit in große Gefahr, denn er stößt auf ein ganzes Geflecht aus Betrug, Vertuschung und Korruption.

"Intrige" Szenenbild (© Guy Ferrandis / Weltkino Filmverleih GmbH)

Öffentliche Degradierung von Dreyfus (Louis Garrel) (© Guy Ferrandis / Weltkino Filmverleih GmbH)

Nach “Der Ghostwriter” (2010), welcher auf Robert Harris’ “The Ghost” aus dem Jahr 2007 basierte, widmete sich Polański nun also mit “Intrige” zum zweiten Mal einem Roman des britischen Schriftstellers, dessen 2003er-Werk “Pompeii” er 2007 eigentlich auch umsetzen wollte, was dann aber verworfen wurde.

“An Officer and a Spy” lautet der Originaltitel des 2013 veröffentlichten, auf wahren Begebenheiten basierenden Buchs, und dieser deutet die Handlung schon weit besser an, die uns auch in frühes Geheimdienstwesen mitnimmt, welches im Vergleich zum heute hochtechnisierten Agententum wunderbar antiquiert daher kommt. Roman Polański gelingt es hervorragend, den Zuschauer in den Bann zu ziehen und Spannung zu erzeugen, wenn Picquart auf immer mehr Ungereimtheiten stößt, die dann doch ein klares Bild zeichnen von bewusster Verleumdung, bei der der aufgekommene Antisemitismus in Frankreich eine treibende Rolle einnimmt. Dass hier dann mehrere Parteien in vollem Wissen beteiligt sind, macht es umso schlimmer.

Picquart, der eigentlich selbst kein Freund von Juden ist, wird so, rein von seinem Gerechtigkeitssinn angetrieben, zu dem, was man spätestens seit Edward Snowden als Whistleblower kennt. Da er seinen eigenen Wirkungsgrad klug einschätzt, ist es dann schließlich der Schriftsteller Émile Zola, der im Januar 1898 in einem offenen, in einer Tageszeitung gedruckten Brief an Präsident Félix Faure anklagt, mit einem plakativen “J’accuse…!” (“Ich klage an”) überschrieben – welches passenderweise der französische Titel des Films ist. Der politische Skandal war somit publik geworden, und mit den Machthabenden war auch die Gesellschaft mit ihrer gerne im Verborgenen existenten Verschmähung von Juden entlarvt.

Ein voll überzeugendes Historiendrama, bei dem neben Oscar®-Preisträger Jean Dujardin (“The Artist”) auch das weitere Ensemble zu gefallen weiß, und zu diesem gehört einmal mehr auch wieder Polańskis Ehefrau Emmanuelle Seigner. Neben erzählerisch bestens aufgebauter Handlung, toller Ausstattung, zeitgemäßer Kostüme und guten Bildern weiß der Streifen, der bei den Filmfestspielen von Venedig 2019 den Großen Preis der Jury gewann, auch in seiner musikalischen Untermalung zu beeindrucken, dank eines gewohnt starken Scores von Alexandre Desplat und Musikstücken von Gabriel Fauré.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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