Home Film “Mutter” – eine innovative dokumentarische Präsentation zum Thema Mutterschaft

“Mutter” – eine innovative dokumentarische Präsentation zum Thema Mutterschaft

Autor: Mick

"Mutter" Filmplakat (© mindjazz pictures)

Mutter

Darsteller: Anke Engelke, Helga Michels, Heike Thelen, Erika Nagel
Regie: Carolin Schmitz
Dauer: 88 Minuten
FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung
Website: mindjazz-pictures.de/filme/mutter
Facebook: facebook.com/mindjazzpictures


„Mutter“. Der Titel sagt eigentlich schon alles über das neue Werk der Dokumentarfilmerin Carolin Schmitz, die hier eine interessante Dokumentation zum Thema Mutterschaft vorlegt. Aber ist es überhaupt eine Dokumentation? Schmitz‘ Herangehensweise jedenfalls ist wirklich originell, und zum dokumentarischen Anteil ihres Films trägt sicherlich bei, dass sie im Vorfeld acht Mütter zwischen 30 und 75 zu deren individuellen Biografien und Erfahrungen befragt hat. Diese Originaltöne nutzt sie jetzt, um sich dem Muttersein allgemein und seiner Bedeutung für die einzelnen Frauen im Speziellen anzunähern.

Nur sieht man von Anfang an einzig Anke Engelke, die mit den Stimmen der Frauen direkt zu uns spricht, während sie ihren alltäglichen Tätigkeiten nachgeht. Anke Engelke in der Badewanne, als sie uns unverhohlen von ihrer anfänglichen Frigidität erzählt, die sie erstmal überwinden musste, um zu einem mehr oder weniger erfüllten Liebesleben zu gelangen. Anke Engelke beim Zusammenstellen von Blumensträußen, wenn sie uns ihre schmerzliche Trennung von ihrem Mann nach einem Seitensprung schildert. Und so ließe sich die Reihe nahezu endlos fortsetzen, während man der von Engelke fast emotionslos gespielten, gut situierten Theaterschauspielerin durch ihren gewöhnlichen Tagesablauf folgt.

Gewöhnungsbedürftig ist es allemal, Engelke mit anderen Stimmen sprechen zu hören, der man ihre jahrelange Synchronisationserfahrung in jeder Einstellung anmerkt, so versatzlos bewegen sich ihre Lippen zu den regelmäßig wechselnden Interviewsequenzen. Das ist anfangs wirklich überraschend und macht es zu einer wahren Konzentrationsübung, die verschiedenen Mütter auseinanderzuhalten. Was sich leichter anhört, als es sich dann tatsächlich darstellt, spricht doch kaum eine von ihnen Dialekt und hangelt man sich dadurch einfach nur von einem biografischen Anknüpfungspunkt zum nächsten. Dabei unterscheiden sich die Charaktere der Frauen wirklich fundamental, reichen von der treusorgenden Hausfrau, die nach dem Tod ihres Mannes eine völlig neue Rolle einnehmen muss, bis zur kompromisslosen Egoistin, die auf ein intaktes Familienleben so gut wie gar keinen Wert legt. Eines jedoch haben sie im Tenor wirklich alle gemein: Ihre Mutterschaft stürzte sie alle in ein Gefühlschaos aus vollkommenem Glück, Ängsten, Zweifeln und oft sogar Überforderung.

"Mutter" Szenenbild (© Tom Trambow)

(© Tom Trambow)

Es ist wirklich reizvoll, die Schilderungen komplett entkoppelt von der visuellen Wahrnehmung der jeweiligen Person aufzunehmen und sich so noch intensiver mit ihnen zu beschäftigen, sie auf sich wirken zu lassen, zu bewerten und sich natürlich letztendlich in der Vorstellung ein möglichst genaues Bild von den Müttern zusammenzusetzen. Deren Erfahrungsberichte sind in der Regel allzu nachvollziehbar, oft regelrecht schockierend und manchmal sogar unfreiwillig komisch. Sehr selten aber lassen sie einen einfach nur kalt, so dass einem Carolin Schmitz zumindest lange Zeit mit genügend Stoff zum Nachdenken beliefert.

Was aber qualifiziert gerade die von Schmitz gewählte und von Anke Engelke so akkurat gespielte Frau zur Projektionsfläche für die Leben, an denen uns die Mütter mit ihren überraschend offenen Einlassungen hier teilhaben lassen? Hat sie vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht, die hier in einer Tour einkaufen geht, Fenster putzt, bügelt und penibel Lappen zum Trocknen aufhängt? Oder ist sie ein gezieltes Gegenbeispiel als alleinstehende, unabhängige, kinderlose Frau? Das sind die Fragen, die ungefähr ab der Hälfte des Films in den Vordergrund treten, wenn die Bilder der berichtenden Mütter längst Formen angenommen haben und deren Wortbeiträge sich langsam doch etwas im Kreis drehen.

Trotzdem ist Schmitz‘ Hybrid aus Dokumentation und Charakterstudie durchaus anregend, beleuchtet die verschiedenen Facetten des Mutterseins mit seiner Abstraktion von den interviewten Personen aus einem völlig neuen Winkel und stellt all die Folgen der so einschneidenden Lebensentscheidung damit überaus plastisch dar. Leider hat man sich nach einer Weile wirklich daran satt gesehen beziehungsweise gehört und droht ein wenig abzuschalten.

Trailer:

Bewertung: 5 von 10 Punkten

 

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