Home Film “Pferde stehlen” – die Verfilmung des komplexen Romans gerät ein wenig behäbig

“Pferde stehlen” – die Verfilmung des komplexen Romans gerät ein wenig behäbig

Autor: Mick

"Pferde stehlenn" Filmplakat (© 2019, 4 1/2 Fiksjon As, Zentropa Entertainments5, Zentropa Sweden, Nordisk Film, Helgeland Film)

Pferde stehlen

Darsteller: Stellan Skarsgård, Bjørn Floberg, Tobias Santelmann, Danica Curcic
Regie: Hans Petter Moland
Dauer: 122 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.mfa-film.de/kino/id/pferde-stehlen
Facebook: facebook.com/mfa.filmdistribution


Mit Per Petterssons Romanvorlage „Pferde stehlen“ hat sich Hans Petter Moland („Erlösung“, „Hard Powder“) nicht gerade den einfachsten Stoff für seine gleichnamige Kinoadaption ausgesucht, die er schon bei den diesjährigen Berliner Filmfestspielen dem Publikum vorstellte. Schon das Buch ist nämlich überaus komplex angelegt, springt dabei lustig zwischen diversen Zeitebenen hin und her und so muss man auch beim Film höllisch aufpassen, den Anschluss bzw. die richtige zeitliche Einordnung nicht zu verpassen.

Es geht um den 67-jährigen Trond (Stellan Skarsgård), der gerade in ein Haus im entlegenen Osten Norwegens gezogen ist, um dort allein und in der Ruhe der Abgeschiedenheit seinen Lebensabend zu verbringen. Wie sich aber bald herausstellt, sind weder familiäre Situation noch Wohnort frei gewählt, sondern haben ihren Ursprung in Tronds schicksalhafter Vergangenheit, die auch jetzt noch entschieden nach Aufarbeitung verlangt. Das zeigt sich umso deutlicher, als er seinem neuen Nachbarn Lars (Bjørn Flosberg) begegnet, mit dem ihn etwas zu verbinden scheint, das ihn irgendwie aus der sonst so stoischen Ruhe bringt.

Und schon befinden wir uns mitten in der oben erwähnten Vergangenheitsbewältigung, sind plötzlich mit dem 15-jährigen Trond (Jon Ranes) im Nachkriegsnorwegen des Jahres 1948, als die Welt noch in Ordnung schien, und er einen wunderschönen Sommer allein mit seinem Vater (Tobias Santelmann) in einer Waldhütte verbrachte. Was Regisseur Moland aber durch lange Einstellungen der sommerlichen Natur wie das reine Paradies erscheinen lässt, entpuppt sich schnell als von traumatischen Ereignissen durchsetzte Erinnerung, die Trond jetzt am gleichen Ort in Gegenwart des ihm nur allzu bekannten Lars mit voller Wucht trifft.

"Pferde stehlen" Szenenbild (© 2019, 4 1/2 Fiksjon As, Zentropa Entertainments5, Zentropa Sweden, Nordisk Film, Helgeland Film)

Das ist sorgfältig aufgebaut, kreiert aus Andeutungen zunächst geschickt Vermutungen, ehe daraus traurige Gewissheit wird. So kommt einem das Verhalten von Tronds bestem Kumpel Jon (Sjur Vatne Brean) in jenen Tagen, mit dem er buchstäblich Pferde stehlen konnte – nichts anderes transportiert die jugendliche Unbeschwertheit dieses Sommers so wunderbar, wie dieser unerlaubte, aber dafür umso abenteuerlichere Ritt auf fremden Wildpferden –, auf einmal reichlich komisch vor. Als feststeht, dass der aus Versehen seinen kleinen Bruder erschossen hat, soll nichts mehr so sein wie vorher.

Vorbei ist es mit der eben noch so genossenen Leichtigkeit, mit der er auch die harte Waldarbeit an der Seite seines Vaters, den er auf der Hütte scheinbar endlich einmal ganz für sich allein hat, bewältigt. Doch wie eigentlich alles in dem vielschichtigen Drama hat auch das eine Vorgeschichte, die ihren Anfang in Kriegszeiten nahm, als sein Vater mit Hilfe von Jons Mutter (Danica Curcic) Widerstandskämpfern zur Flucht vor den Nazis ins neutrale Schweden verhalf und dabei auch ihren weiblichen Reizen nicht widerstehen konnte. Erklärlich wird so sein Drang nach Nähe zu ihr, und die lukrative Waldbewirtschaftung, bei der er auch auf die Hilfe von Jons Vater (Pål Sverre Hagen) angewiesen ist, verkommt immer mehr zum Vorwand, die Familie aus Oslo zumindest zeitweise verlassen zu können.

Das alles erzählt Moland in gemächlichem Tempo, lässt unseren Gedanken alle Zeit zur Entfaltung und macht gestützt auf Stellan Skarsgårds mal wieder herrlich minimalistisches Spiel die tragischen Zusammenhänge der Erinnerungen seines Trond deutlich. Dass dabei bisweilen aus dem Fokus gerät, auf was er eigentlich hinaus will, machen die sich dann langsam herauskristallisierenden Konfliktebenen immer gerade noch rechtzeitig wett. So wird die Romanverfilmung trotz mancher Länge zu einem gefühlvollen Lehrstück über Enttäuschung, Erfahrung und Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, das im historischen Kontext durchaus reizvoll ist.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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