Home Film “Sound of Freedom” – der kontrovers diskutierte Film über Kindesverschleppung und -missbrauch weiß zu berühren

“Sound of Freedom” – der kontrovers diskutierte Film über Kindesverschleppung und -missbrauch weiß zu berühren

Autor: Tobi

"Sound of Freedom" Filmplakat (© Angel Studios / 24 Bilder)

Sound of Freedom

Darsteller: Jim Caviezel, Bill Camp, Mira Sorvino, Kurt Fuller
Regie: Alejandro Monteverde
Dauer: 131 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.24-bilder.de/filmdetail.php?id=951
Facebook: facebook.com/24BilderFilm
Kinostart: 8. November 2023


Wenn “Sound of Freedom” im Kino startet, dann handelt es sich um den am kontroversesten diskutierten Film des Jahres, auch wenn hierzulande noch lange nicht so ein Aufsehen erregt wurde wie in den USA. Dort entwickelte sich der von wahren Begebenheiten inspirierte Streifen des mexikanischen Regisseurs und Drehbuchautors Alejandro Monteverde zu einem Phänomen und verdrängte nach seinem Start Anfang Juli an den Kinokassen vermeintliche Blockbuster großer Studios wie “Indiana Jones und das Rad des Schicksals”. Inzwischen hat der knapp 15 Millionen US-Dollar teure Streifen bereits 245 Millionen US-Dollar eingespielt.

Dies gleicht einer Sensation, wenn man bedenkt, dass “Sound of Freedom” überhaupt erst durch Crowdfunding in den Lichtspielhäusern landete – und das, obwohl für den im Sommer 2018 gedrehten Streifen doch bereits ein Vertrieb durch 20th Century Fox vereinbart war. Diese wurden dann jedoch von The Walt Disney Company übernommen, denen der Film offensichtlich nicht ins Konzept passte. Also wurden die Vertriebsrechte wieder veräußert und gingen schließlich an die kleinen Angel Studios, deren Crowdfunding-Kampagne in nur zwei Wochen die erforderlichen fünf Millionen Dollar einbrachte.

Der Film eröffnet damit, wie dem im zentralamerikanischen Honduras in ärmlichen Verhältnissen lebenden Roberto (José Zúñiga) von der ehemaligen Schönheitskönigin Giselle (Yessica Borroto) nahegelegt wird, seine Tochter Rocío (Cristal Aparicio) doch zu einem anstehenden Casting zu bringen, da junge Models gesucht würden, sie dem Anforderungsprofil entspräche und das Ganze schließlich auch ordentlich vergütet werden würde. Trotz einiger Skepsis willigt er ein und fährt seine natürlich sich geschmeichelt fühlende Tochter zur Wohnung, in der bereits diverse Kinder darauf warten, vom anwesenden Fotografen und Videofilmer für die Kartei abgelichtet zu werden. Da Giselle auch Rocíos weit schüchteren Bruder Miguel (Lucás Ávila) passend findet, lässt Roberto auch diesen vor Ort. Als er dann einige Stunden später pünktlich zum Abholen zurückkehrt, findet er nur noch einen leeren Raum vor und seine Kinder sind verschwunden.

Die Polizei vermutet, dass der verweifelte Vater auf Menschenhändler hereingefallen ist, die Kinder zumeist als Sexsklaven an Pädophile verkaufen, auch gerne ins Ausland. Mit solchen Fällen beschäftigt sich auch Tim Ballard (Jim Caviezel) als Spezialagent des US-amerikanischen Department of Homeland Security im kalifornischen Calexico. Nicht nur weil er selbst glücklicher Familienvater mehrerer Kinder ist belastet ihn das, was er tagtäglich am Computer heraus findet, extrem – vor allem, weil es nie wirklich um die Rettung der Kinder geht, sondern fast immer nur um das Aufspüren der Übeltäter, worauf ihn ein gefrusteter Kollege noch einmal eindringlich hinweist.

Die nächste Operation geht Ballard dann mal anders an, mit dem verstärkten Hintergedanken und Ziel, auch ein Kind zu befreien. Nach Überwältigung und Festnahme eines Pädophilen, der gerade Daten und Fotos zu mehreren verschleppten Kindern ins Netz geladen hatte, gibt er sich in einem nächtlichen Vier-Augen-Gespräch als Gleichgesinnter aus und verspricht Strafminderung, wenn der Gefasste ihm einen kleinen Spielgefährten vermitteln könnte. Hierauf fällt der Übeltäter herein und ordert über einen verkaufenden Mittelsmann die Lieferung des ausgesuchten Jungen. An der Grenze zwischen Mexiko und den USA gelingt es so, einen weiteren Schuldigen im großen Geflecht an Beteiligten dingfest zu machen, der in seinem Auto gerade den bestellten Miguel in die USA “liefern” wollte. Dieser Teilerfolg reicht Ballard aber nicht aus und er setzt alles daran, den hinter den letzten Entführungen steckenden Ring zu enttarnen und auch Rocío zu finden – denn Miguels Vater ist einerseits zwar glücklich, fragt Tim aber auch, wie er sich fühlen würde, wenn eines der Betten seiner Kinder zu Hause immernoch leer sei. Beim weiteren Vorgehen gegen die Verschlepper und Menschenhändler läuft Ballard aber bald schon die Zeit davon und seine Behörde will keine weiteren Sondereinsätze mehr genehmigen. Getrieben vom inneren Schmerz des bei seinen Recherchen Gesehenen, seinem Glauben und der Sehnsucht, mehr Peinigern das Handwerk zu legen und Rocío zu finden, kündigt Ballard seinen Job und begibt sich mit Hilfe des ebenfalls seit Längerem engagierten Privatmanns Vampiro (Bill Camp) auf eine gefährliche Mission.

"Sound of Freedom" Szenenbild (© Angel Studios / 24 Bilder)

(© Angel Studios / 24 Bilder)

“Sound of Freedom” unterlegt seine Titelsequenz mit realen Aufnahmen von Überwachungskameras, die zeigen, wie Kinder entführt werden. Gepaart mit den oben geschilderten Verschleppung von Rocío und Miguel wird man vom Start weg emotional stark berührt und fiebert mit Ballard mit, auch wenn der Film gegen Ende mit einem Sondereinsatz in den Tiefen des kolumbianischen Dschungels stark an Glaubhaftigkeit verliert und diese für die Dramaturgie hinzugedichteten Szenen doch eher unnötig erscheinen.

Dass die Themen Kindesentführung und -missbrauch aber von “Sound of Freedom” stärker ins Bewusstsein gerückt werden, ist sinnvoll – und wenn hierdurch auch nur einige Eltern zu mehr Vorsicht gebracht werden oder irgendjemand Pädophile oder die im wahrsten Sinne des Wortes handelnden Hintermänner und -frauen auffliegen lässt, dann hat sich der Film schon alleine hierfür gelohnt.

Warum also wird er so kontrovers diskutiert? Zum einen sind da die angewandten Methoden, ZuschauerInnen ins Kino zu locken, gibt es im Abspann doch eine für Eindringlichkeit sehr pathetisch aufgemachte Direkt-Ansprache von Jim Caviezel, der dazu auffordert, den Film weiterzuempfehlen oder sogar besser noch direkt Tickets für ihn zu kaufen und dann an andere zu verschenken. Außerdem kamen ominös entstandene Gerüchte auf, Hollywood wolle diesen Film nicht im Kino sehen, was natürlich zur Reaktion führte, dass gerade dann aus Protest natürlich viele Tickets abgesetzt wurden.

Viel mehr aber noch sorgten der Hauptdarsteller und der reale Tim Ballard für fragwürdige Schlagzeilen. Der auch auf Grund seines mehrfach kommunizierten Glaubens für die Rolle des ebenfalls sehr gläubigen Ballard gecastete Jim Caviezel – u.a. bekannt als Jesus von Nazareth in Mel Gibsons “Die Passion Christi” (2004) – entpuppte sich spätestens 2021 als Unterstützer der von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen gestützten QAnon-Theorie, nach der aus dem Blut von gerne auch unterirdisch gefangen gehaltenen Kindern für elitäre Kreise von Reichen und Fanatiker das Stoffwechselprodukt Adrenochrom gewonnen wird, um den Alterungsprozess zu verlangsamen.

Ballard distanzierte sich zwar hiervon, sprach andererseits aber auch schon davon, dass Adrenochrom-Geschäfte real seien. Dass Caviezel und er im Sommer zu einer von Donald Trump initiierten Spezial-Vorführung des Films in seinem Golfclub gingen und ihn somit politisch durchaus unterstützten, stellte sich im Nachhinein noch als Ballards kleinstes Problem in 2023 heraus. Er, der nach seinem Ausscheiden aus dem Job bei Homeland Security 2013 die gemeinnützigen Organisation “O. U. R.” (Operation Underground Railroad) gründete, die verdeckte Operationen zur Befreiung verschleppter Kinder und auch entführter Erwachsener in Südamerika durchführt, trat er aus dieser zurück, nachdem Vorwürfe publik wurden, im Rahmen der Missionen habe er Mitarbeiterinnen sexuell belästigt.

Den riesigen Erfolg des Streifens konnte dies nicht mehr schaden, man muss aber auch festhalten, dass dieser hiermit nichts zu tun hat, ebenso wie mit QAnon-Theorien, die hier keineswegs kolportiert werden. Ja, in “Sound of Freedom” werden Kinder auch für Reiche verschleppt und es kommt zu einer Szene, in der eine Gruppe Wohlhabender auf eine Insel gelockt wird, um mit einer Gruppe von Kindern sexuell aktiv zu werden – aber dass es in solchen Kreisen zu organisierten Übergriffen wie diesen kommt, weiß man ja spätestens vom Epstein-Fall um den Missbrauch Minderjähriger.

Umso schlimmer ist es also, dass “Sound of Freedom” von einigen Medien als Film der Rechten und der Verschwörungstheoretiker bezeichnet wird, ist das Bewusstmachen von Menschenhandel und die Bekämpfung desselben doch wichtig. Regisseur und Drehbuchautor Alejandro Monteverde hat sich klar von den QAnon-Äußerungen Caviezels distanziert und darauf verwiesen, dass der Streifen vor selbigen realisiert wurde und nichts mit Verschwörungstheorien zu tun habe, auch nicht politisch sei. Analog äußerte sich auch der deutsche Verleiher 24 Bilder, der weder hinter politischer Instrumentalisierung des Films stehe noch hinter Äußerungen einzelner Beteiligter, denen man keinerlei Plattform bieten möchte. Ehrlich gesagt wirkt es nach intensiver Recherche zum Film noch am ungelenksten, dass der mexikanische Schauspieler und Sänger Eduardo Verástegui als Produzent wie auch Darsteller beteiligt war, der schon mehrfach mit rechten Ansichten auffiel und für die mexikanischen Präsidentschaftswahlen in 2024 als unabhängiger Kandidat an den Start gehen will.

Der weitere Kritikpunkt, dass diverse gezeigte Dinge erfunden seien, muss weniger diskutiert werden, schließlich wird nie vermittelt, dass es sich um komplette Faktenschilderung handelt – und doch ist der Film von der Wahrheit inspiriert. Das anfängliche, durchaus realisitsch erscheinende und ähnlich sicherlich schon diverse Male vollzogene Casting gab es vielleicht im konkreten Fall so nicht, wohl aber die Entführung des kleinen Jungen, den Ballard dann an der Grenze nach der Befreiung in den Armen halten konnte. Auch die Geheimoperation auf der Insel gab es, bei der allerdings neben Kindern auch Erwachsene befreit wurden und die Zahl der Geretteten somit sogar größer war als gezeigt. Darüber, dass die fiktive Dschungelmission unnötig war, haben wir uns oben schon ausgelassen, und ob nun jede der am Ende genannten Zahlen genau stimmt, können andere diskutieren – mit Sicherheit aber ist die Zahl der Verschleppungen hoch, viel zu hoch.

Was bleibt ist ein berührender und bewegender, in vielen Punkten zu Unrecht kritisierter Film zu einem oft tabuisierten Thema, und als dieser ist “Sound of Freedom” sehenswert, gut inszeniert und von allen Beteiligten auch gut gespielt.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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