Home Film “The Farewell” – Lulu Wangs einfühlsames Drama wirft grundsätzliche Fragen auf

“The Farewell” – Lulu Wangs einfühlsames Drama wirft grundsätzliche Fragen auf

Autor: Mick

"The Farewell" Filmplakat (© DCM A24)

The Farewell

Darsteller: Awkwafina, Shuzhen Zhao, Diana Lin, Tzi Ma
Regie: Lulu Wang
Dauer: 100 Minuten
FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung
Website: dcmworld.com/portfolio/the-farewell
Facebook: facebook.com/dcmworld


Das Problem mit asiatischen Filmen ist sehr oft, dass man sich erst einmal in die ungewohnten Verhältnisse einer völlig fremden Kultur hineindenken muss. Hier allerdings bekommen wir von Regisseurin Lulu Wang in ihrem zweiten Langfilm “The Farewell” enorme Starthilfe, denn ihre wie sie selbst zu großen Teilen in den USA aufgewachsene New Yorker Protagonistin Billi (Awkwafina) fungiert darin wunderbar als Brückenglied zwischen den so unterschiedlichen Welten und erleichtert uns den Einstieg damit ungemein. Indem Wang sie dabei obendrein als Alter Ego in ihrem autobiografischen Drama benutzt, zeigt sie uns nur allzu deutlich ihre eigene innere Zerrissenheit, mit der sie sich als Wanderin zwischen zwei Welten hier beschäftigt.

Alles fängt mit einer Krebsdiagnose für Billis Oma Nai Nai (Shuzhen Zhao) an, die dieser nach alter chinesischer Tradition vorenthalten wird, um sie nicht zu beunruhigen. Das jedoch beschäftigt Billi umso mehr. Die ist zwar in New York ziemlich weit vom Geschehen weg, pflegt aber trotz aller Entfernung nach wie vor über das Telefon eine innige Beziehung zu ihrer geliebten Großmutter. Die Nachricht von deren verbleibender Lebenszeit weniger Monate ist für sie ein Schock und mit dem Umgang der Familie mit der so einschneidenden Tatsache kann sie sich als überwiegend westlich sozialisierter Mensch nur schwer anfreunden. Die Familie nämlich lässt das heimliche Oberhaupt nicht nur im Unwissen über ihren Gesundheitszustand, sondern organisiert zusätzlich auch noch ein Abschiedstreffen der weit verstreuten Angehörigen mit ihr, wozu die lang geplante Hochzeit von Billis japanischem Cousin Hao Hao (Han Chen) einen gelegenen Anlass bietet. Hin- und hergerissen, wie sie sich angesichts des Vertrauensverhältnisses zu ihrer Oma verhalten soll, bleibt Billi erstmal in New York, weil auch ihre Eltern um das bei ihr schlecht aufgehobene Geheimnis besorgt sind.

"The Farewell" Szenenbild (© DCM A24 / Photo by Nick West)

(© DCM A24 / Photo by Nick West)

Es verwundert nicht, dass Wang uns Billis Zwiespalt eindringlich vermitteln kann, und die ebenfalls mit unterschiedlichen Wurzeln ausgestattete Awkwafina ihr dabei als Billi wundervoll in die Karten spielt. Aber dass sie nach Billis Ankunft mitten in den Vorbereitungen des chinesischen Familienfests trotz allen Tiefgangs der tragischen Umstände ein derart leichtfüßiges Stück rund um die lebenslustige Nai Nai inszenieren kann, überrascht dann doch positiv. Billis Oma hat nämlich im Trubel der Hochzeitsorganisation die Fäden fest in der Hand und gibt so gar nicht das Bild einer todgeweihten, schwerkranken Frau ab.

Das setzt auch bei uns unweigerlich den Denkprozess in Gang, denn so falsch kann doch dieser Umgang mit dem Thema Tod nicht sein, wenn der Betroffene bis zu dessen Eintritt einfach eine unbeschwerte, schöne Zeit verlebt. Und so ganz nebenbei bekommen wir noch dazu einen praktischen Schnellkurs zum Verständnis der chinesischen Gesellschaft, wenn sich die Familie abseits von Omas Schicksal ein ums andere Mal über so banale Themen wie Ambition, Perspektive und Reichtum in Rage redet.

Über allen unterhaltsamen, kleinen Scharmützeln, die eine Zusammenkunft der Familie, ob in Asien oder Europa, so mit sich bringt, schwebt aber jederzeit das äußerst fragile Geheimnis um Omas Diagnose. Das ist so eng mit ihrem Wohlbefinden und dem Gelingen des Fests verknüpft, dass es einen angenehmen Spannungsbogen aufspannt, der all die philosophische Auseinandersetzung mit dem Tod erst möglich macht. So ist die titelgebende Abschiedsfeier außer einem kurzweiligen Exkurs in die chinesische Kultur vor allem empathische Beschäftigung mit dem Verhältnis zu unseren Liebsten, bei der Shuzhen Zhao als herzensgute Nai Nai nachhaltig in Erinnerung bleibt.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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