The French Dispatch
Darsteller: Benicio del Toro, Timothée Chalamet, Tilda Swinton, Frances McDormand
Regie: Wes Anderson
Dauer: 107 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Facebook: facebook.com/20thCenturyStudiosDE
Dass Filme von Wes Anderson in puncto Optik, Erzählweise und Skurrilität anders daher kommen als die Masse, das weiß man schon seit mehr als zwei Dekaden, in denen er mit Werken wie “Die Royal Tenenbaums” (2001), “Darjeeling Limited” (2007), “Moonrise Kingdom” (2012), “Grand Budapest Hotel” (2014) oder auch Animationsfilmen wie “Der fantastische Mr. Fox” (2009) und zuletzt “Isle of Dogs – Ataris Reise” (2018) zu unterhalten wusste.
Mit “The French Dispatch” legt der amerikanische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent nun seinen neuesten Film vor, und auch dieser ist äußerst sehenswert, und das nicht nur auf Grund seiner umwerfenden Liste an namhaften AkteurInnen, die alleine ja schon untermauert, wie beliebt Anderson auch unter DarstellerInnen ist. Hier sehen wir Benicio del Toro, Adrien Brody, Tilda Swinton, Léa Seydoux, Frances McDormand, Timothée Chalamet, Jeffrey Wright, Christoph Waltz, Mathieu Amalric, Edward Norton, Stephen Park, Anjelica Huston, Bill Murray, Lyna Khoudri, Elisabeth Moss und auch wieder Langzeit-Kollaborateur Owen Wilson.
Im Streifen geht es um die Zeitschrift “The French Dispatch of the Liberty, Kansas Evening Sun”, die als französisches Magazin mit amerikanischen Wurzeln eingestellt werden soll, da Gründer und Verleger Arthur Howitzer Jr. (Bill Murray) aus dem Leben geschieden ist. Dies steht allerdings erst bevor, und so sucht er selbst noch in staubtrockener, aber bestimmter Manier die richtigen Stories für die letzte Ausgabe aus.
Das Ganze ist in der fiktiven französischen Stadt Ennui-sur-Blasé im 20. Jahrhundert angesiedelt, und hier versammeln sich nun in der Redaktion seine handverlesenen Mitarbeiter, um die Geschichten zu besprechen. Der Film führt uns vom Vorwort über diese Erzählungen dann liebevoll arrangiert durch das Magazin, wobei wir die Diskussionen über die Stories genauso miterleben wie diese selbst.
Der radelnde Reporter Herbsaint Sazerac (Owen Wilson) nimmt einen mit auf eine Tour durch das Städtchen Ennui, das am Fluss Blasé auf einem Berg gelegen mit einer historischen Kathedrale, engen Kopfsteinpflastergassen und ebenso charmanten wie heruntergekommenen Häusern so typisch französisch ist. Kunstkritikerin J.K.L. Berensen (Tilda Swinton) hingegen hält eine Lobrede auf den kriminellen und geistesgestörten Maler Moses Rosenthaler (Benicio del Toro und Tony Revolori als junger Mann), der im Gefängnis seine wortkarte wie hübsche Wärterin Simone (Léa Seydoux) als Muse nutzt für ein Aktbild, welches sehr abstrakt daher kommt und zum Meisterwerk wird, dann aber zu einem weiteren Gemälde führt, das die Investoren um Kunsthändler Julian Cadazio (Adrien Brody) vor Probleme stellt.
Die eigenbrötlerische Essayistin Lucinda Krementz (Frances McDormand) erzählt in “Korrekturen eines Manifests” über die Nöte und Passionen der desillusionierten Jugend von Ennui, die vor allem durch den verträumten Zeffirelli (Timothée Chalamet) und die kompromisslose Juliette (Lyna Khoudri) vertreten in politischen wie sexuellen Wirren steckt und ihren erwachsenen Vormündern mit einem Manifest die Stirn bietet, damit eine Generalstreik auslöst. Schließlich hat sich Howitzer Jr. noch eine Geschichte über das Essen gewünscht im Land des Genusses, bekommt von Roebuck Wright (Jeffrey Wright) aber mit “Das private Speisezimmer des Polizeichefs” eher einen kruden Kriminalfall serviert, in dem der legendäre Koch Nescaffier (Stephen Park) für den Kommissar der Stadt (Mathieu Amalric) selbst dann noch anrichtet, als eine von “dem Fahrer” (Edward Norton) angeführte Gangsterbande mittels Kidnapping des Kommissar-Sohns eine Freilassung aus dem Gefängnis erpressen möchte.
“The French Dispatch” ist einfach herrlich und ein typischer Wes Anderson, der auch hier nicht enttäuscht. Im Gegenteil, untermalt mit einem wundervollen Score von Alexandre Desplat bekommt man interessante Geschichten geboten, die jede für sich ebenso viel Skurrilität und Kuriositäten bietet wie auch die Rahmenhandlung. In dieser gibt es dann trotz des Verlegers kritischer Auswahl des Teams auch einen fröhlichen Journalisten namens Wally Wolodarsky, der eigentlich immer nur in der Redaktion umher lungert und noch nie ein Wort geschrieben hat – gespielt von Andersons Freunde Wallace Wolodarsky, einem TV-Autor, der immer wieder mal Mini-Rollen in seinen Filmen übernimmt.
Tilda Swinton beschreibt den Film mit “Er ist Wes’ französischer Liebesbrief an die Internationale der Kultur und an die segensreiche Kunst des unabhängigen Journalismus”, und hierbei dachte Anderson vor allem an das The New Yorker Magazine, für ihn seit der Highschool das Nonplusultra des Journalismus: “Als ich im zehnten Schuljahr war, befand sich mein Klassenraum in Houston in der Bibliothek, und mir gegenüber standen Holzregale voller Magazine. Eines davon hatte eine Abbildung auf dem Cover, und ich habe mal hineingeschaut. So wurde ich, während ich auf den Unterrichtsbeginn wartete, zum ständigen Leser des The New Yorker. Ich begann auch die älteren Ausgaben zu lesen und suchte nach den Namen der Stammautoren. Ich wurde also wirklich angefixt.” Und Kumpel Owen Wilson fügt an: “Als wir im College einen Raum teilten, las er ständig den New Yorker, was ziemlich ungewöhnlich war. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er ein Abonnement hatte – das wäre wohl außerhalb der finanziellen Möglichkeiten gewesen – aber es war total sein Ding. Was für ein herzliches Geschenk an all diese Autoren.”
Andersons Liebeserklärung an den Independent-Journalismus ist zugleich eine an Frankreich und das französische Kino. Optisch ist das Ganze einfach nur wunderbar anzuschauen, wenn der Streifen uns in tollen Farbgebungen in verschiedene Ecken von Ennui-sur-Blasé mitnimmt, wobei alles so detailverliebt und warmherzig ausgestaltet ist, dass einem das Herz aufgeht. Abgerundet wie auch mitgetragen wird Andersons neuestes Meisterwerk von einem grandiosen Cast, bei dem man allen anmerkt, wie sehr sie in ihren Rollen und der Idee des Filmemachers aufgehen. Ein cineastischer Genuss mit jeder Menge Arthouse-Flair, auch wenn die Produktion diesem natürlich längst entwachsen ist.
Trailer:
Bewertung: 10 von 10 Punkten