Home Film “The Northman” – das Wikinger-Epos könnte kaum blutrünstiger sein

“The Northman” – das Wikinger-Epos könnte kaum blutrünstiger sein

Autor: Mick

"The Northman" Filmplakat (©2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED)

The Northman

Darsteller: Alexander Skarsgård, Claes Bang, Anya Taylor-Joy, Nicole Kidman
Regie: Robert Eggers
Dauer: 136 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.upig.de/micro/the-northman
Facebook: facebook.com/Focus.Features.DE


Unser Bild der Wikinger ist angesichts verniedlichender Publikationen wie der Zeichentrickserie „Wickie“ oder auch Michael Herbigs Realverfilmungen derselben reichlich verklärt. Regisseur Robert Eggers, der in „The Witch“ schon tief ins Mittelalter eintauchte und kürzlich mit dem klaustrophoben „Der Leuchtturm“ ein bedrückendes Kammerspiel ablieferte, räumt nun in seinem Neuling „The Northman“ gründlich damit auf und bleibt so seiner Vorliebe für schwere Kost treu. Wahrscheinlich liegt er mit seinem grausamen Blick auf die Historie dabei sehr viel näher an der Realität, auch wenn der in Sachen Gewalttätigkeit teilweise die Grenze des Erträglichen kratzt.

Wir befinden uns im Irland des Jahres 895, als der heranwachsende Amleth (Oscar Novak) von seinem gerade genauso siegreich wie verwundet von einem Feldzug heimkehrenden Vater, König Aurvandill (Ethan Hawke), darauf eingeschworen wird, das Erbe der Familiendynastie zu verteidigen, sollte er selbst einmal nicht mehr dazu in der Lage sein. Dazu soll es schneller kommen als gedacht, denn Amleth muss schon am nächsten Morgen mitansehen, wie sein Vater in einem ersten Höhepunkt an Brutalität von dessen Bruder Fjölnir (Claes Bang) dahingemetzelt wird. Er selbst kann Fjölnirs Schergen nur knapp entkommen, indem er einem von ihnen im Bodenkampf mit seinem Dolch die Nase abschneidet.

Schon diese Eröffnung ist nichts für Zartbesaitete und bietet einen Vorgeschmack dessen, auf was man sich in den nächsten gut zwei Stunden einstellen muss. Bereits in der nächsten Szene nämlich wird man Zeuge eines Wikinger-Überfalls, die Amleth inzwischen aufgezogen und zur wahren Kampfmaschine entwickelt haben. Dieser Bezeichnung macht Alexander Skarsgård als Amleth wirklich alle Ehre, hat seit seiner Verkörperung des Tarzan 2016 sicherlich noch einige Kilo Muskelmasse draufgepackt und geht mit unglaublicher Physis wunderbar als gewissenloser Berserker durch. Das aber braucht es auch, will man Eggers‘ Germanen-Epos ernsthaft Glauben schenken, das dieser immer wieder eng mit der nordischen Mythologie verzahnt und seine Heldenfiguren nahezu als Gottheiten anlegt.

"The Northman" Szenenbild (©2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED)

(©2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED)

So wird Amleth vielsagend auch erst durch eine mystische Seherin an sein Rache-Versprechen erinnert, welches ihm einst sein Vater abgenommen hat, und das fortan seiner Brutalität mit der Sucht nach Vergeltung einen tieferen Sinn gibt. Von da an nimmt uns Eggers, zusammen mit dem dem Theater überaus zugetanen isländischen Schriftsteller Sjón Sigurdsson auch für das Drehbuch verantwortlich, mit auf Amleths Rachefeldzug, der deshalb nicht zufällig fast shakespearesche Züge annimmt, und nur noch den Tod von Fjölnir als Ziel kennt. Der führt ihn in Begleitung der Slavin Olga (Anya Taylor-Joy) und listig mit neuer Identität als Sklaven ausgestattet nach Island, wohin es den in der Zwischenzeit vom Norweger Harald vertriebenen Fjölnir verschlagen hat. Einmal in Fjölnirs Dorf eingeschlichen, treibt Amleth der theatralisch in Akte unterteilte Plot unaufhaltsam der ultimativen Konfrontation entgegen und folgt auch damit dem klassisch dramatischen Spannungsbogen, der dann auch symbolhaft im Zweikampf am Fuße eines ausbrechenden Vulkans, dem „Tor zur Hölle“ endet.

Mit erdigen Brauntönen und nicht enden wollender Schlammwüste der imposanten Landschaftsbilder von Stamm-Kameramann Jarin Blaschke schafft Eggers von der ersten Sekunde an eine düstere Atmosphäre, die einen einsaugt und mit unzähligen bestialischen Morden verziert nicht kalt lassen kann. Dass er dabei die Gewaltspirale bisweilen ein wenig überdreht, ist sicherlich dramaturgisches Kalkül, erzeugt jedoch durch den übermäßigen Gebrauch bald einen unangenehmen Sättigungseffekt. Trotzdem inszeniert Eggers sein mit spirituellen Elementen angereichertes Germanen-Epos dermaßen realistisch, dass es auf jeden Fall zu einer intensiven Erfahrung wird.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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