Home Film “Tod auf dem Nil” – Kenneth Branaghs Neuverfilmung des Krimi-Klassikers weiß nicht wirklich zu überzeugen

“Tod auf dem Nil” – Kenneth Branaghs Neuverfilmung des Krimi-Klassikers weiß nicht wirklich zu überzeugen

Autor: Tobi

"Tod auf dem Nil" Filmplakat (© Disney)

Tod auf dem Nil

Darsteller: Kenneth Branagh, Gal Gadot, Armie Hammer, Annette Bening
Regie: Kenneth Branagh
Dauer: 127 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.20thcenturystudios.com/movies/death-on-the-nile
Facebook: facebook.com/20thCenturyStudiosDE


Als Kenneth Branagh 2017 Agatha Christies Krimi-Klassiker “Mord im Orient Express” als Regisseur, Produzent und auch Hauptdarsteller des Detektivs Hercule Poirot neu ins Kino brachte, war die Skepsis groß, das Remake wusste aber dank überzeugendem All-Star-Cast, toller, prunkvoller Ausstattung des Zugs, hervorragenden Kostümen und imposanten Bildern zu gefallen (lies unsere Filmkritik hier).

Im Vergleich zur ersten Verfilmung hatte Branagh zudem einige kleine, aber feinen Änderungen aufzubieten – wie Poirots noch mächtigeren Schnurrbart, der die den im 1974er-Film normalen Schnäuzer kritisierende Christie sicher zufrieden gestellt hätte. Über dessen Herkunft erfahren wir nun mehr in Branaghs zweiter Christie-Neuinszenierung “Tod auf dem Nil”, denn zu Beginn gibt es eine rückblickende Szene, die uns erklärt, warum sich Poirot einen amtlichen Moustache hat wachsen lassen.

Hierbei ging es vor allem um Liebe, und diese steht zunächst auch im Mittelpunkt der eigentlichen Handlung. Als die über alle Ohren verschossene Jacqueline de Bellefort (Emma Mackey) ihrer besten Freundin Linnet Ridgeway (Gal Gadot) ihren zukünftigen Ehemann Simon Doyle (Armie Hammer) im Rahmen eines hitzigen Tanzabends vorstellt, begeht sie einen großen Fehler. Auch wenn der finanziell wenig gut gestellte Doyle der bekannten Millionenerbin Linnet in puncto gesellschaftlichen Ansehens nicht das Wasser reichen kann, spannt sie Jacqueline den Verlobten aus, um ihn dann selbst zu heiraten.

Die Feierlichkeiten finden in einem schicken Nobelhotel im ägyptischen Assuan statt, und wie schon fast gewohnt taucht auch die unerwünschte Jacqueline auf, um alleine durch ihre Anwesenheit Unbehagen zu erzeugen und ihrem Missfallen Ausdruck zu verleihen. Auch um ihr zu entkommen, bucht sich die Gesellschaft auf einem Nil-Kreuzfahrtschiff ein und beginnt, die Schönheit des Flusslaufs mit gelegentlichem Besuch am Rande gelegener Denkmäler zu genießen, vor allem aber weiter gutgelaunt zu feiern.

Neben dem Paar sind diverse Gäste mit an Bord, wie die Malerin Euphemia (Annette Bening), ihr Sohn Bouc (Tom Bateman), Linnets Dienerin Louise Bourget (Rose Leslie), ihr Cousin und Anwalt Andrew Katchadourian (Ali Fazal), ihre Patin Marie Van Schuyler (Jennifer Saunders), deren Krankenbetreuerin Mrs. Bowers (Dawn French), Arzt Linus Windlesham (Russell Brand) oder die Musikerinnen Salome (Sophie Okonedo) und Rosalie Otterbourne (Letitia Wright) – sowie Vorzeigedetektiv Hercule Poirot als alter Bekannter, der nun noch rasch angeheuert wurde, um das Gefühl von Sicherheit zu verstärken.

Nachdem es beim Besuch des legendären Tempels von Abu Simbel zu einem Anschlag auf Linnet und Simon kommt, fällt der Verdacht natürlich wieder auf die eifersüchtige Verfolgerin Jacqueline – umso mehr, als diese dann kurz darauf auch noch als neue Passagierin an Bord eincheckt. Dann kommt es bald tatsächlich zum Mord – Linnet wird erschossen in ihrem Bett aufgefunden. Auch wenn Hercule Poirot von Schuldgefühlen geplagt ist, sie nicht genug beschützt zu haben, beginnt er die Ermittlungen, und da Jacqueline ein wasserdichtes Alibi besitzt, stellt sich bald die Frage, wer von den Anwesenden an Bord den Mord begangen haben könnte, und warum.

"Tod auf dem Nil" Szenenbild (© Disney)

(© Disney)

Nachdem Branaghs “Mord im Orient Express” bei einem Budget von 55 Millionen US-Dollar mehr als 350 Millionen Dollar einzuspielen wusste, war zu vermuten, dass eine weitere Christie-Neuverfilmung nicht lange auf sich warten lässt. Auch der Roman “Tod auf dem Nil” aus dem Jahr 1937 wurde bereits 1978 für die Leinwand adaptiert, hier nun also die Neuauflage.

Gefilmt wurde mit 65mm Panavision-Kameras, mit denen Haris Zambarloukos die Reise in die 1930-Jahre noch authentischer aussehen lassen wollte. Die Optik der Neuauflage weiß dann auch in ihren weit aufgezogenen Szenen durchaus zu gefallen und macht Lust auf Ägypten – wobei die Nicht-Studio-Szenen tatsächlich in Marokko gedreht wurden und daher einige zu sehr auf Schönheit polierte und daher künstlich erscheinende, Sonnenlicht-gleißende Landschaftsaufnahmen aus dem Computer das Ganze komplettieren. Das Schiff S.S. Karnak bietet hingegen eine im Vergleich zum detailreich ausgestatteten Orient Express etwas lieblose Kulisse, und auch wenn mit einigen Stilmitteln wie dem Blick durch Scheiben versucht wird, das Ganze aufzupeppen, geht hier doch einiges an Reiz verloren.

Bereits in “Mord im Orient Express” sahen wir Poirot selbstverliebter und kauziger als einst – hier nun versucht sich Branagh daran, ihm neben Selbstherrlichkeit auch einiges an Zweifel zu verpassen, an Schuldgefühlen und angedeuteten Momenten von kurzer Unsicherheit. Dies wirkt allerdings abgesehen von der gut gelungenen Anfangssequenz mit Poirot als das richtige Gespür und die richtige Beobachtungsgabe beweisendem Soldat im Ersten Weltkrieg, dessen Plan dann doch nicht ganz aufgeht, nicht wirklich glaubwürdig und lenkt etwas von dem ab, was eigentlich ja zentral sein sollte, nämlich dem Miträtseln.

Falls Zuschauer weder das Buch noch den alten Film kennen sollten, bleibt für sie natürlich eine gewisse Spannung erhalten, für alle anderen aber bietet der Streifen vielleicht doch zu wenig Reizvolles, auch weil die verschiedenen Charaktere trotz der mehr als zwei Stunden Spieldauer nicht genug ausgemalt werden, was bei Verdächtigten natürlich umso mehr ins Gewicht fällt.

Auch die Besetzung weiß nicht komplett zu überzeugen. Neben dem gut spielenden Kenneth Branagh wissen Emma Mackey und vor allem die tolle Annette Bening zwar zu gefallen, Gal Gadot, Ali Fazal, Russell Brand und andere bleiben hingegen eher blass, und bei Armie Hammer bekommt man natürlich die 2021 aufgekommenen, verstörenden Missbrauchsvorwürfe nicht aus dem Kopf – er hatte aber eine zu präsente Rolle, um ihn im eigentlich für 2020 geplanten und Pandemie-bedingt dann immens verschobenen Streifen noch zu ersetzen.

Alles in allem sicher kein totaler Reinfall, dieser Film, aber im Gegensatz zu “Mord im Orient Express” geht man hier nicht mit dem Gefühl aus dem Kino, dass der Streifen eine Neuinszenierung gewinnbringend gebraucht hätte.

Trailer:

Bewertung: 5 von 10 Punkten

 

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