Home Film “Waren einmal Revoluzzer” – die Tragikomödie zeigt eindrücklich, wozu Hilfsbereitschaft führen kann

“Waren einmal Revoluzzer” – die Tragikomödie zeigt eindrücklich, wozu Hilfsbereitschaft führen kann

Autor: Mick

"Waren einmal Revoluzzer" Filmplakat (© jip film & verleih)

Waren einmal Revoluzzer

Darsteller: Julia Jentsch, Marcel Mohab, Manuel Rubey, Tambet Tuisk
Regie: Johanna Moder
Dauer: 104 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: jip-film.de/waren-einmal-revoluzzer
Facebook: facebook.com/jipfilm


Waren wir nicht alle einmal Revoluzzer, als das Leben noch so schön unbeschwert war, und gesellschaftliche Schranken einzig dafür da waren durchbrochen zu werden? Als sich die Regierung tadellos zum Feindbild heranziehen ließ, und man noch ohne jegliche Verlustängste die Bekämpfung sozialer Missstände angehen konnte? Einem ähnlichen Umfeld entstammt Helene (Julia Jentsch), die es allerdings mit 40 inzwischen in Wien zur Richterin und zweifachen Mutter gebracht hat und deren Gedanken daher um weit banalere Dinge kreisen als die Verbesserung der Welt. Doch in all ihrem Stress, den Alltag einigermaßen zu managen, wird sie plötzlich von ihrer Vergangenheit eingeholt.

Die Österreicherin Johanna Moder nimmt uns in ihrer Sozialsatire „Waren einmal Revoluzzer“ mit in Helenes wohlsituierte Mittelschicht, in der der Idealismus früherer Tage längst Luxusproblemen gewichen ist, die inzwischen das Leben bestimmen. Als Helene aber der Hilferuf ihres Ex-Freunds Pavel (Tambet Tuisk) erreicht, der in Russland als Dissident verfolgt wird, ist das für sie die willkommene Möglichkeit, aus dem täglichen Wahnsinn auszubrechen. Da trifft es sich gut, dass ihr alter gemeinsamer Freund Volker (Marcel Mohab) einen Geschäftstermin in Moskau hat und so erste Hilfe in Form einer Geldübergabe unkompliziert übernimmt. Doch auch ihn befällt vor Ort das Abenteuervirus und kurzerhand ist ein Projekt zur Rettung von Pavel aus der Taufe gehoben.

Abenteuerlust ist aber zumeist kein guter Ratgeber, und so ist nicht nur bei Helene die Überraschung groß, als sie neben Pavel auch noch dessen kleinen Sohn nebst dazugehöriger, auch noch per internationalem Haftbefehl gesuchter, Mutter vom Zug abholt. Und schon sind sie vorprogrammiert, die Auseinandersetzungen in der hippen Wohnung, die auf einmal zusätzlich eine Kleinfamilie beherbergen soll. Und das, wo sich auch so schon die Spannungen zwischen Helene und ihrem Lebensgefährten Jakob (Manuel Rubey), einem tief in einer Schaffenskrise steckenden Musiker, kaum noch beherrschen lassen.

"Waren einmal Revoluzzer" Szenenbild (© jip film & verleih)

(© jip film & verleih)

Das alles fängt Johanna Moder ungemein direkt ein, lässt uns hautnah Helenes Enttäuschung spüren, die sich von der Rettung Pavels vielleicht ein wenig mehr versprochen hat als nur die Unterstützung der russischen Opposition. Von Pavel aber derart ausgenutzt, der bald auch noch fast dreiste Forderungen stellt, schlägt ihre Hilfsbereitschaft schnell in Selbstschutz um. So beginnt ein unheimlich unterhaltsames, weil nur allzu nachvollziehbares, Gezerre um die Unterbringung der alles andere als pflegeleichten Exilanten, die abwechselnd bei Helene, Volker und dem inzwischen zur ungestörten Arbeit ins ländliche Zweitdomizil geflüchteten Jakob untergebracht werden.

Richtig willkommen jedoch sind sie eigentlich nirgendwo, was uns immer wieder fein pointiert im Geschacher der doch so politisch korrekten Freunde um die jeweiligen Anteile an der Hilfestellung vorgeführt wird. Da geht das selbstlose Engagement für die politische Sache halt immer nur soweit, wie es die eingerichtete Komfortzone zulässt. Währenddessen seziert Moder geradezu genüsslich die Beziehungen aller zueinander, die hier einer gewaltigen Belastungsprobe unterzogen werden, und offenbart dabei unterstützt von ihren wundervollen Schauspielern die eine oder andere Charakterschwäche ihrer Figuren.

Wäre man aber selbst bereit, den einen entscheidenden Schritt weiter zu gehen, oder wäre man auch nur der Lampenputzer aus dem titelgebenden Gedicht „Der Revoluzzer“ des Kommunisten Erich Mühsam aus dem Jahr 1907, der letztlich zu sehr in seiner bürgerlichen Existenz gefangen ist, um grundlegende Veränderungen herbeizuführen? Statt Vorwürfen an ihre hin- und hergerissenen Charaktere generiert Johanna Moder so vielmehr Fragen nach gesellschaftlichen Defiziten und der eigenen Konsequenz, die angenehm für Nachdenklichkeit sorgen.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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