Home MusikCD-Rezensionen Die Editors bieten mit “EBM” eine Hommage an härtere elektronische Musik der 80er-Jahre

Die Editors bieten mit “EBM” eine Hommage an härtere elektronische Musik der 80er-Jahre

Autor: Tobi

Editors "EBM"

Editors

EBM

(CD, Play It Again Sam, 2022)

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Fans der Editors wurde es in den letzten Jahren nicht langweilig. Nachdem die Briten sich auf ihrem sechsten Studioalbum “Violence” (lies unsere Rezension hier) 2018 mal wieder in Bestform präsentierten und mit den “The Blanck Mass Sessions” (mehr hier) ein Jahr später experimentell-elektronische Versionen einiger Album-Tracks nachlegten, bescherten die Jungs nach sechs Alben in 14 Jahren im Herbst 2019 mit “Black Gold” ihre erste “Best Of”-Scheibe und veredelten diese mit drei gelungenen neuen Songs sowie in der Deluxe-Variante mit einer Akustik-Bonus-CD (lies unsere Rezension hier).

Kurz bevor das Coronavirus bei uns für das zwischenzeitliche Aussetzen alles öffentlichen Lebens und somit auch aller kulturellen Ereignisse sorgte, untermauerten die Editors im Januar und Februar 2020 noch einmal ihre Live-Qualitäten (lies unseren Konzertbericht). 2021 war es um die Band selbst mal ruhiger, dafür veröffentlichte Sänger/Gitarrist/Pianist Tom Smith zusammen mit Andy Burrows ein zweites Album als Smith & Burrows, und “Only Smith & Burrows Is Good Enough” (lies unsere Meinung zur Scheibe) bot tolle, abwechslungsreiche Pop-Songs mit eingängigen Melodien.

Editors (© Rahi Rezvani )

(© Rahi Rezvani )

Wir schreiben das Jahr 2022, Joe Biden hat die Pandemie zum Entsetzen vieler Experten kürzlich als beendet erklärt, na dann kann es ja weiter gehen mit den Editors. Dass die Indie-Rocker auch immer wieder mal elektronische Klänge in ihren Songs nutzen, das kennt man, nun aber widmen sie ihren siebten Longplayer “EBM” schon vom Titel her der Electronic Body Music – härterer elektronischer Musik, die in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre ihren kreativen wie kommerziellen Höhepunkt erlebte und sich zu Beginn der 90er-Jahre langsam aber sicher wieder in den Indie-Bereich zurückzog.

Den Ursprung der Idee alleine hierin zu suchen, dass Tom Smith, Russel Leetch (Bass, Synths), Ed Lay (Schlagzeug, Percussions), Justin Lockey (Gitarre) und Elliott Williams (Gitarre, Keyboard) kürzlich Komponist und Produzent Benjamin John Power alias Blanck Mass als sechstes Mitglied fest ins Line-Up aufgenommen haben, den man für seinen elektronischen Output und auch als Teil des Elektro-Duos Fuck Buttons kennt, wäre zu einfach, auch wenn der Albumtitel mit seinen drei Buchstaben auch für “Editors and Blanck Mass” steht und durch seinen Einstieg die Songstrukturen der Band erstmals nicht mehr ausschließlich von Smith stammen.

“Ben has certainly been a shot of adrenaline in our creative process,” lobt Tom und fügt an: “The songs are so immediate, and in your face.” Power selbst erklärt: “There is a strong physicality to this record. EBM started its life with the intention of connecting with people and filling a very physical space. There is also however an emotional physicality running throughout; An urgency and a sense of panic. An unease. Even in its more tender moments there is a yearning for connection.” Aber auch die anderen Mitglieder hatten Anteile an der Erarbeitung des neuen Materials, was gerade während der Lockdowns “a lifeline” bedeutete, wie Elliott klar macht, “something to totally get lost in.”

Als ersten Vorboten präsentierten die Editors im April “Heart Attack”, und mit seinen treibenden Beats, donnerndem Bass, elektronischen Klängen aber auch bandtypischen Gitarren bis hin zu harten Riffs ließ das Stück, das auch als Opener des Longplayers gewählt wurde, bereits erahnen, wie die Band Erinnerungen an alten Zeiten, in denen man im Trockennebel und Stroboskop-Gewitter zu Klängen von Front 242, Nitzer Ebb oder DAF abging, musikalisch aufgreifen würde. Die trotz gewisser Monotonie tollen letzten zwei Minuten des Stücks, in denen einem die Textzeile “No one will love you more than I do” förmlich eingehämmert wird, passt ganz hervorragend.

Knallig und laut geht es mit dem ebenfalls mächtig voranpumpenden “Picturesque” weiter, bevor die zweite Vorab-Auskopplung “Karma Climb” zwar ebenso flott, aber mit etwas mehr Wave-Ambiente daher kommt. “It’s about hedonistic escapism, not only from the world generally, but also from what people think of you”, erklärt Tom, der gesanglich mal wieder sehr facettenreich agiert und seine Klasse auf dem Album erneut unter Beweis stellt.

Auch die dritte Single “Kiss”, bei der die vielfältig eingebrachte Elektronik wieder mehr im Fokus steht, zeichnet sich durch ihre treibende Energie aus, kommt aber auch sehr melodisch daher, vor allem im Refrain. Der Track wird von einem filmisch inszenierten Video begleitet, dessen Idee von Gitarrist Justin Lockey stammt und die Tänzer Harry Ondrak-Wright und Rory Macleod in einer fesselden Choreographie einfängt. “The idea I landed on would be to show the story of two souls constantly attracting and repelling each other, never quite fully coming together… until ultimately they succumb to being intertwined together for better or for worse”, so Lockey.

Das folgende “Silence” setzt trotz zwirbelnder Klänge auf Atmosphäre und bietet immer wieder auch getragene Passagen, mal von Synthieflächen untermalt, mal von aufheulender Gitarre. Ganz konträr kommt “Strawberry Lemonade” danach als krachige Industrial-Nummer daher, die aber sehr interessant aufgebaut ist und auch einiges an Abwechslung bereit hält.

Geradlinig tanzbarer und durchaus poppig angehaucht offenbart sich “Vibe”, bevor es bei “Educate” wieder peitschender zugeht und man wieder mehr den Eindruck hat, eine Fusion aus Wave und EBM verabreicht zu bekommen. Abschließend gibt es noch “Strange Intimacy”, klanglich am deutlichsten von allen die Electronic Body Music aufgreifend, wobei auch hier Editors-typische Elemente mit eingebracht werden und es generell recht wild zugeht.

Insgesamt liegen 53 sehr interessante Minuten mit Inhalten über Liebe, das heute nicht mehr einfache, oft undurchschaubare Leben, eine sich voneinander entfernende Jugend und ein politisch zerrüttetes Großbritannien vor, mit denen sich die Editors nicht neu erfinden, die aber dem Titel entsprechend als Hommage an die EBM gut funktionieren, ohne die Identität der Band zu sehr zu verbiegen.

Hier sind die Editors im Oktober 2022 live zu sehen – Tickets gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink):

09.10.22 Hamburg – Edel-Optics Arena
10.10.22 Leipzig – Haus Auensee
13.10.22 Berlin – Max-Schmeling-Halle
17.10.22 A-Wien – Gasometer
23.10.22 München – Zenith
24.10.22 Düsseldorf – Mitsubishi Electric Halle

www.editorsofficial.com
facebook.com/editorsmusic

Bewertung: 8 von 10 Punkten

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