Home MusikInterviews Liedermacher Klaus Hoffmann im Interview zu seinem 50. Album “Flügel” und vielem mehr (10/23)

Liedermacher Klaus Hoffmann im Interview zu seinem 50. Album “Flügel” und vielem mehr (10/23)

Autor: Tobi

Wenn Klaus Hoffmann am 17. November 2023 seinen neuen Longplayer “Flügel” veröffentlicht, dann handelt es sich hierbei um sein sage und schreibe 50. Album. Die Pandemie brachte den inzwischen 72-jährigen Berliner Liedermacher, der auch als Schauspieler und Autor aktiv war, zwar aus seinem üblichen Rhythmus, seiner Musik hat sie aber nicht schaden können, und so wissen auch die 14 neuen, abwechslungsreichen Stücke mit ansprechenden Texten über Aufbruch, Liebe und das Leben wieder zu überzeugen, mal beschwingt, mal von Melancholie geprägt – lies unsere Rezension zum neuen Album hier.

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Auch wenn das neue Album “Flügel” endlich wieder zusammen in Bandbesetzung in einem Raum eingespielt werden konnte, in nur einer intensiven Woche zusammen realisiert, ist Klaus Hoffmann gerade noch dabei, die Tour zur 2020er-Scheibe “Septemberherz” mit einigen Nachholterminen in kleiner Besetzung abzuschließen, begleitet nur von Hawo Bleich. Vor seinem Konzert in Leverkusen am 20. Oktober (lies unseren Livebericht hier), bei dem er wie immer durch zahlreiche Anekdoten zwischen den Liedern auch für viele heitere Momente sorgte, nutzten wir die Chance, den symphatischen und bodenständigen Künstler zu treffen und das allererste Interview zum neuen Longplayer zu führen, in dem es aber auch um viele andere Themen ging.

Klaus Hoffmann (Foto: © Malene)

(Foto: © Malene)

“In der Coronazeit habe ich aus Lust und aus Liebe gesagt, dass wir auch für 40 Leute spielen, nicht weil ich da viel Geld verdienen würde, sondern weil das die alte Leidenschaft war. Du fehlst mir einfach, ich muss dich ansingen – selbst maskiert.”

MUM: Klaus, heute habe ich ein altes Interview von dir gelesen, in dem du vor etwa 20 Jahren gesagt hast, du hättest Angst, dass dir die Zeit wegrennt.

KH: Echt? Damals schon…

MUM: Das ist doch aber vermutlich einem guten Gefühl gewichen, wenn du jetzt weißt, dass du 20 Jahre später nach wie vor auf der Bühne stehst und die Leute kommen.

KH: Das finde ich enorm, wenn du das trennen kannst und dich damit vor etwas anderem beruhigen kannst – dann ist das toll. Mein Publikum ist an sich das, um was es dann geht. Um diesen Typen mit seinen Liedern, aber dass die da sind, und die sind ja alle auch so alt wie ich oder einen Tick jünger.

MUM: Und die kommen ja immer wieder.

KH: Aber du hast ja eben was angesprochen, dass mich das irgendwie beruhigen müsste oder so. Nee, ab einem gewissen Alter bin ich froh, dass ich das mache, aber ich glaube mir nur, wenn ich’s mir glaube, das heißt da ist dieser Mensch, der vor vielen Jahren mit der Gitarre anfing und so spinnerte Ideen im Kopp hatte – ich folge meinen Füßen, ich folge mir da auch und bin distanziert und will sehen, was er dann noch so verzapft. Wenn das stimmt und echt ist, dann ist das gut.

MUM: Und solange die Ideen nicht ausgehen, ist das doch auch gut.

KH: Die meisten denken immer, das sind Ideen und so. Es gibt einen schönen Film, die “Blues Brothers”, da sagen sie “es passiert im Namen des Herrn”, und diesen Spruch fand ich einfach sehr interessant, weil er so eine Distanz schafft. Aus welchem Grund machst du das, was du ein Leben lang machst? Und wenn du überlegst, dass wir uns nur für eine begrenzte Zeit sehen und treffen, Leute werden krank und älter, oder sterben, dann musst du langsam mal rausfinden “Warum ist das so passiert?”. Ich habe ja mal angefangen in Clubs, so wie hier, dann wurde ich durch Zufall ein Schauspieler, der noch ein Stipendium bekam, und hab vom Handwerk alles gelernt. Aber ich war so ein spinnerter Typ mit so eigenartigen Texten, die damals überhaupt nicht en vogue waren, unpolitisch oder nicht greifbar konkret einzuordnen in eine Richtung – das war ja immer mein großes Problem. Mit der Zeit hab ich’s gelernt. Ich hab einfach gelernt, dieser Figur oder diesem Typen, der sich seine Texte und seine Musik selber schreibt und dann noch Schauspieler ist, immer mehr Raum in Bühnenarbeit zu geben. Da liegt meine große Erfüllung, dass ich dich ansinge, aber auch nicht genau weiß, was du an mir findest. Diese schrägen Lieder wie “Blinde Katharina” und so, das war ja alles deswegen auch so zufällig gut, weil ich da nicht viel nachdachte. Ich bin durch den Kiez gegangen und hab gedacht “Ich schreib jetzt nen Hit”. Ich war bei der RCA, und da konnte man noch Singles machen, aber ich wusste gar nicht wie. Ich hab ‘ne Wohnung gehabt für 100 Mark mit einem Zimmer und ‘nem Zen-Garten. Zen-Buddhist war ich zu der Zeit, und dann habe ich “Blinde Katharina” glaube ich in so drei Stunden runtergerotzt. Diese Naivität, das war schon toll.

MUM: Hat sich der Prozess des Musikmachens mit dem Älterwerden für dich sehr viel geändert?

KH: Sagen wir mal so: Meine Jugend hat spät begonnen, und ich fange wieder an, so naiv zu versuchen, aber es gelingt mir nicht, weil ich blöderweise klüger geworden bin und kenne ja das Spiel. Aber es ist toll. Hawo, mein Begleiter und Pianist, hilft oft, weil er von außen rangeht wie ein blinder Fisch. Da muss ich sehr schnell auf den Punkt kommen, und dieses Schnelle obliegt meiner Ungeduld. Deswegen improvisiere ich auch gerne noch auf der Bühne, aber das Besteck muss da sein, als Sicherheitsanker. Ich werde nie wieder 15 sein können. Ich fand die Lieder auch gar nicht gut, diesen “Feuervogel” und so. Das beste fand ich, dass ich so verkleistert schrieb wie einer aus dem Osten, die hatten so eine Meta-Sprache – “du könntest mich dabei erwischen, dass ich die Wahrheit sage, und dann komme ich in den Knast”. Daraus entwickelte ich etwas, wo ja keiner reinkam und sagte “das kannst du, das solltest du weiter machen”. Und die Chance war in den 70ern, dass ich ein paar depperte Geschäftspartner in den Plattenfirmen hatte, die an mich glaubten, weil ich auch gleich unglaublich viele Platten verkaufte. Der Georg Baum, ein amerikanischer Jude, hat sich wirklich darin verliebt, der hat Dinge gesehen, die ich damals nicht verstand. Diese ganzen Traurigkeiten, die ich hatte, diesen Pathos. Diese komische Stimme, die knatterte da so rum – ich konnte das einfach nicht besser, und das war toll. Aber dadurch konnte ich es weiter machen und glaubte dann immer mehr an mich. Es ist gut, wenn du von dieser Seite im Geschäft jemanden hast, der dich bejaht und unterstützt.

MUM: Ist es heute schwieriger, Musik zur Unterhaltung zu machen bei all den Themen, die es in der Welt gibt?

KH: Wenn du deutsches Fernsehen siehst, dann siehst du ja vieles zwischen Arztserien und “Tatort”. Wo ist das gut, wo schlecht, wie ist das aufgeteilt? Dann gibt es Silbereisen und diese Menge an Schlager, die einen Platz einnehmen, und Roland Kaiser und dies und jenes, jetzt mal ganz ohne Wertung. Da ist es schwer, wenn so verrückte Typen reingehen, die finden kaum ein Forum. Vielleicht ein Mädchen, das romantisch daher kommt, Françoise Hardy zur Gitarre, sowas ist immer ein Garant, denn die Plattenleute, die unter Druck sind, heute kaum noch Platten zu verkaufen, wollen zeigen, dass sie das alles mitmachen wollen. Das ist schwer. Es kommt immer einer an mit einer Gitarre und will dir was erzählen. Du musst einfach diesen Drang haben, die Welt auseinanderzunehmen mit deinem komischen Lied. Die Vorgänge sind bei allen Kollegen, die ich bisher kannte, ähnlich: Es knallt nach oben, dann gehst du durch so Täler, dann fehlt Publikum, es kommen Krisen. Geld spielt eine große Rolle – ich bin ja sehr selbstständig mit meiner kleinen Firma. Dann kommt dein Leben noch, mit Krankheiten und so. Trotzdem gibt’s dann Leute wie Cocker, da musst du dich fragen, wieso hat der gesungen? Bei Jacques Brel kann man das verstehen, da sieht man einen Dichter, einen Belgier der auf die Marquesas will, der folgt diesem François Villon Weg. Bei Reinhard Mai siehst du das – wenn der stirbt, dann werden alle sagen, Goethe wäre gestorben. Das ist so vorgeprägt. Und wenn du dann fragst, ob die Träumer, die nicht mal rebellisch sein müssen, eine Chance haben, Bettina Wegner, die dann ein Glück sagte “Sind so kleine Hände” und einen Hit hatte, die haben heute kaum eine Chance. Aber das gehört sich auch so, dann müssen sie den Arsch hochkriegen und es selber machen.

MUM: Du fängst deine Konzerte immer an mit dem Spruch “So viele Gesichter, die ich überhaupt nicht kenne”, was ja nicht stimmt, wie du weißt. Du kannst ja froh sein, dass du eine Fangemeinde hast, bei der du schon sehr von deinem Stil abweichen müsstest, um sie zu verlieren.

KH: In der Coronazeit habe ich aus Lust und aus Liebe gesagt, dass wir auch für 40 Leute spielen, nicht weil ich da viel Geld verdienen würde, sondern weil das die alte Leidenschaft war. Du fehlst mir einfach, ich muss dich ansingen – selbst maskiert. Meine ganzer Werdegang ist der, um zu werden, der ich bin.

MUM: Würdest du dich freuen, manchmal jüngeres Publikum zu sehen?

KH: Das kommt auch, aber was bedeutet das, ob die nun jung oder alt sind? Gestern in Koblenz sagte mir eine Frau beim Signieren, sie habe mich begleitet seit “Die neuen Leiden des jungen W.” [Anmerkung: der Verflimung mit Hoffmann aus dem Jahr 1976]. Das ist schon bedeutsam. Ich kneife ja oft auch bei so einer Dichte. Ich gebe zwar vor “komm mir bloß nahe”, meine im Grunde aber “bleib mir bloß fern”. Junge Leute, hmm – ich glaube, ich drücke mich noch vor so einem Schritt, den Wecker zum Beispiel viel öfter gemacht hat, in so einer Radikalität eine Meinung zu haben für etwas, wo ich eher der Meinung bin, dass man vieles auch nicht immer sagen muss. Das ist ein inneres Gehäuse an Poesie, da bin ich Patty Smith näher als vielleicht einem politischen Lied oder so, und da gehen die Jungen im Moment natürlich genauso wirr herum, haben dann aber ja andere, einen Bendzko oder so.

MUM: Du gehst aber ja auch ganz bewusst nicht in die Richtung der Jüngeren, hast keine Social-Media-Kanäle, machst so gut wie keine Videos, um Songs zu begleiten. Weil du es nicht möchtest?

KH: Möchte ich schon. Wir machen es ja manchmal, aber weil ich vom Bild komme, vom Schauspielern, möchte ich es am liebsten autorenhaft haben. Das ist mir sonst zu wenig, ich möchte das als Geschichte noch größer machen. Jetzt das neue Album ist einfach ein Glücksfall, und da würde ich schon gerne ein Video machen. Ich bin erpicht zu sehen, wie es ankommt, wie wir es platzieren uns so.

MUM: Wenn du dir einen Song herauspicken würdest aus dem Album, der so dein Kernsong ist, du vielleicht ein Video machen würdest, welcher wäre das?

KH: Das ist so eine Sache. Da gibt es so ein pathetisches Lied von Aznavour und so, das kann man schneller spielen. Da würdest du mich fragen, warum denn nun gerade dieses, aber da kann ich mehr in die Maske gehen. Aber da gibt es auch ganz kleine Lieder. Ich muss erst einmal sagen, dass ich dieses Album liebe, mehr, als ich wahrscheinlich in einem halben Jahr sagen werde, wegen dieser ganzen Maschinerie, die da losgeht und wo dann jeder erzählt, wie er es findet. Das erste Lied war “Bin nicht Meer, bin nicht Strand”, eigenartiges Lied, habe ich mir abgebrochen vor zwei Jahren. Ich wusste nur, ich möchte was über diesen Jungen singen in dieser Nachkriegszeit, und jetzt die Kriege um uns herum, die selben Ängste und Verluste, und der selbe Antrieb, also “Flügel”, raus. Ein Lied – da würde ich wahrscheinlich diesen Helden nehmen, aber das ist ja auch schon lanciert, weil es am lautesten ist.

MUM: Das ist ja über einen Soldaten, und zusammen mit “Bin nicht Meer, bin nicht Strand” die einzigen politischeren Lieder. Würdest du mir da recht geben?

KH: Hoffmann geht generell hier mal raus aus seiner eigenen Befindlichkeit, vielleicht in das Gemeinnützige, aber da bin ich noch heftiger, das imponiert mir nicht. Auf der vorletzten Platte hatte ich aus Goodwill ein Lied über den Hass oder so. Für mich war das Grütze, aber manche Leute finden es gut. Ich würde gerne noch freier sein wollen. Der Held ist eben einfach auch eine Befindlichkeit dieses Kindes, das ich immer war, aber ich konnte es nicht formulieren. Martin Walser würde geschrieben haben “Ich streite um den Behalt meiner Kindheit”, ja, ich kämpfe um dieses Grundgefühl. Ich war nie ein Held, habe mir immer in die Hosen geschissen, hatte immer Angst vor Gewalt. Und ein Glück musste ich als West-Berliner nicht entscheiden, ob ich Kriegsdienst verweigere. Ich wollte zur Bundeswehr, wollte da hin, aufgefangen sein in einer Gruppe. Ein Glück nicht, sonst wäre ich wahrscheinlich tot. Deswegen bin ich nach Afghanistan zweimal. Also das sind alles Widersprüche. Wenn das politisch ist – wunderbar. Dass die Zeit danach schreit, dass man mit einfachen Wagenknecht-Vokabeln nur für eine Gruppe noch da sein kann und Merz arbeitet eben an so einer anderen Politik. So baue ich mir meine eigene Sicht der Welt, die vielleicht sehr humanistisch ist. Wenn du mich aber fragen würdest, ob ich ein Pazifist bin, dann würde ich versuchen, um diesen Begriff herum zu krabbeln, weil es gibt Situationen, da würde ich dir das nicht bejahen.

MUM: Wenn wir kurz beim Thema Heimat bleiben. Berlin war früher sehr präsent in deinen Liedern, taucht im neuen Album aber wenig auf.

KH: Ich setze es voraus, dass du mich erdest. Die Wurzeln sind schon da, auch dieser Kind-Gedanke ist geerdet in der Stadt Berlin. Aber ich benenne es nicht mehr so, mache keine “Glory glory Berlin”-Lieder mehr. Das hat sich verändert. Irgendwann habe ich entschieden, dass dieses Album “Flügel” heißt und wusste nicht einmal, warum, weil es kein Lied hierzu gibt. Es war eine Bewegung – das hätte auch “Flügelschlag” heißen können, “Flügelwärts” oder irgendwie so.

MUM: Du bist ja auch ausgezeichnet worden, 2019 mit dem Verdienstorden der Stadt Berlin und nun dieses Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande. Was bedeutet dir das?

KH: Das Erste, aus der Heimat Berlin, das fand ich toll. Da kriege ich einen Orden. Wir saßen da, meine Frau Malene und Natalie aus dem Büro, und ich war Piefke, unter 24 Leuten, ein Glück, da konnte ich den Protestanten beruhigen, damit er hier nicht so eitel aus der Rolle fällt. Und dann kam dieses Bundesverdienstkreuz. Nun kenne ich Frank-Walter Steinmeier auch, und ich wusste schon, dass diese Dinge alle echt sind. Jim Rakete würde sagen “ich bin kein Ordensträger”, und ich drücke mich da auch vor diesen protestantischen Begriffen, Feigheit, Stolz, Eitelkeit – das ist ja alles besetzt, bei so Leuten um die 70 noch viel mehr. Ich würde aber nicht sagen, dass es mir nichts bedeutet. Es bedeutet mir viel. Ich wurde gesehen, das ist das Wichtigste. Als ich ausgezeichnet wurde, hatte ich eine Zeit lang Mühe, weil ich glaubte, ich müsste nun aufhören, weil es nun genug wäre. Du hast ‘nen Fahrtenschwimmer, bist eingesegnet worden, nun kriegst du ‘nen Orden – und dann stellen sie dich in die Bücherei oder so.

MUM: Aber es hat dich gefreut?

KH: Es hat mich total gefreut. Aber ich komme immer wieder zu diesem Kind. Das sind Kindergefühle, die ich heute noch hege, und ich wette sogar, das ist auch noch das Spontanste an der Musik, der spontanste Ausdruck, theatralisch, pathetisch, kitschig damit umzugehen, mit den vielen Einflüssen.

MUM: Du singst ja auch immer wieder über Kinder. Du hast selbst eine Tochter, die du lange nicht gesehen hast, als sie aufgewachsen ist. Jetzt beendest du das Lied “Kinder” mit “Glück ist zu singen für ein Kind”.

KH: Ja, vielleicht ein bisschen dick, aber es ist Glück.

MUM: Inzwischen hast du ja auf “Septemberherz” sogar ein Lied mit deiner Tochter gesungen. Gab es die Überlegung, dies auf dem neuen Album auch wieder zu machen?

KH: Ja, sie hatte aber keine Lust und keine Zeit. Das fand ich auch gut. Dann kam die Caroline, die ich lange kenne. Diese Produktion war einfach toll, weil wir alle im Kreis saßen. Walter Keiser ist ja jetzt statt Stephan Genze am Schlagzeug, und wir haben alles Hand in Hand eingespielt.

MUM: Es war ja vor allem nach Corona sicher wieder schön, zusammen aufzunehmen.

KH: Ja, die Atmosphäre war wirklich so, wie ich sie mir gewünscht habe, zumal alle gütig waren, diesen alten weißen Mann zu fordern. Ich bin ja kein großer Gitarrist, aber sie haben mich gefordert, zu sagen “jetzt spielst du mal Gitarre” und immer wieder, und “wir spielen auch das ganze Gedöns, was du da im Moment hast”, und das war ein Geschenk. Ich weiß noch, Micha Brandt sagte dann irgendwann “wir spielen genau das, was Klaus jetzt will”, und das ist auch ein Orden. Das sind ja alles auch alte Männer, die haben ja auch was anderes zu tun als diese Musik – wenn ich die dann charmant um den Finger wickel und wir im Weryton sitzen. Das selbe beim Abmischen im Weryton, ich habe dann gesagt “Berthold, pass auf, das Ding muss durchsichtig und rough sein und ich brauche Stimme”, und dann bin ich durch den Englischen Garten gegangen. Dann hat der das Zeug in die Hand genommen – das sind auch Flügel.

MUM: Das einzige nicht so abgemischte Lied, “Manchmal”, finde ich sehr berührend, weil es äußerst emotional wirkt. Im Booklet schreibst du “Für Antje” – ist das der verstorbenen Antje Vollmer gewidmet?

KH: Ja, das habe ich ihr sogar noch vorgespielt, also ich habe es ihr geschickt, als sie schon dabei war, sich zu verabschieden. Da war ich auf der Terrasse und habe das wie J. J. Cale aufgenommen, den ich mal sehr bewunderte, mit dem Handy. Ich wollte das auch ungemischt auf der Scheibe haben, aber da mussten wir schon noch was machen, weil man hinten ja auch die Kinder und Vögel hört. Ein Glück bin ich sehr weit vorne mit der Stimme. Das ist mir fast schon zu dicht, aber es ist okay.

MUM: Du bist jetzt noch in den Abschlusskonzerten zu “Septemberherz” und beginnst gleichzeitig die Promo für “Flügel”. Spielst du schon was vom neuen Album?

KH: Ich werde heute vielleicht mal einen Song machen, aber generell nicht. Das hat mir mal Herman van Veen beigebracht, der hat gesagt “du gehst aus einer Show raus, gehst in die andere rein”. Du kannst das auch kritisieren, aber mich trägt die Geschichte. Der Sänger, der für mich eher ein Bild ist für einen Erzähler, geht jetzt mit dem großen Glück, dass ihm die Leute noch zuhören, von einer Geschichte in die andere, aber es ist immer wieder seine Geschichte. Die Geschichte, die ich kenne. Und gerade jetzt, das ist doch unfassbar, wie ein Krieg in den nächsten übergeht. Israel ist davor, einzumarschieren, das Gemetzel geht dann weiter, und in der Ukraine ist es parallel genauso. Irgendwann lässt dieser Putin einfach die Kriege walten.

MUM: Hast du Angst vor einem Weltkrieg?

KH: Eine Zeit lang ja. Ich bin der Meinung, wir sind sogar ein Stück weit schon mittendrin, aber das äußert sich vielleicht anders. Aber natürlich, ich hab totale Angst, aber das ist meine kleine Existenz. Ich möchte das nicht haben, kann mich kaum positionieren. Du kannst an sich nur für den Menschen sein. Das Bemühen dieser armen oder reichen, verblödeten und klugen Politiker, ich bin froh, dass ich das nicht verwalten muss.

MUM: Du hast auf der neuen Platte erneut ein Lied von Michel Legrand interpretiert – als Hommage, weil er 2019 verstorben ist, faszinieren dich die Filme, oder war das Zufall, dass du zwei Alben hintereinander seine Stücke ausgewählt hast?

KH: Ich sitze manchmal vor dem PC, wenn ich Ruhe habe, und picke ein Lied, und über die englische oder französische Übersetzung kriege ich heraus, dass ich dieses gesucht habe, ohne es zu verstehen, und das ist wirklich eigenartig. “Was machst du mit dem Rest deiner Zeit”, “What will you do with the rest of your life” heißt es ja, wo die Franzosen auch schon zuckten, es mir zu geben, weil meine Metrik anders ist, ein bisschen flacher auch, und dann merkte ich “das ist ja ein Legrand”. Bei Aznavour kriege ich das schneller hin.

MUM: Hast du manchmal drüber nachgedacht, noch einmal zu schauspielern?

KH: Ja, würde ich gerne, klar.

MUM: Du warst ja sehr erfolgreich, hast aber aufgehört.

KH: Ich habe schon noch ein paar Filme gemacht, die keiner kennt. Ich glaube, das war auch so eine Fügung. Jetzt bin ich sehr starker Sänger als Typus, auch alt. Ich würde gerne einen Erzähler finden, nicht unbedingt eine Arztserie spielen, das können andere, die sehen auch besser aus. Ich bin eben so geworden. Ich würde schon gerne spielen, ich spiele ja auf der Bühne als Schauspieler – nicht so abgedroschen, wie es jetzt klingt, ich bin das schon, aber der hilft mir einfach, dieser Typ im Anzug.

MUM: Du hattest ja lange Zeit den Rhythmus, alle zwei Jahre ein Studioalbum zu veröffentlichen, dazwischen eine Live-Scheibe. Die ist durch Corona vermutlich zuletzt weggefallen, und “Flügel” kommt nun nach drei Jahren. Ist der Rhythmus vorbei?

KH: Es gehören immer drei Platten zusammen bei mir. “Septemberherz”, jetzt diese, dann vielleicht auch mal wieder eine Liveplatte.

MUM: Du hast noch keine neue Tour verkündet, die ist aber sicher in Planung für 2024, oder?

KH: Das hoffe ich. Wir krabbeln da nach und das verschiebt dann auch wieder etwas bis zum nächsten Herbst hin, aber doch, wir fangen in Berlin mit “Flügel” an und dann geht das weiter.

MUM: Planst du sonst noch irgendetwas Außergewöhnliches? Du hast Bücher geschrieben, das Brel-Musical gemacht – ist da irgendwas Besonderes, oder kommen eine Tour, eine Liveplatte und das dritte Album dieser Reihe?

KH: Vielleicht schreibe ich ein Buch, aber das soll sich jetzt erst einmal öffnen. Ich weiß noch nicht. Aber ich will mit ‘nem Orchester was machen, gerne mal mehr kommen lassen. Aber ich werde erst einmal die nächste Show schreiben.

MUM: Ist das konkret mit dem Orchester?

KH: Ziemlich, obwohl, konkret noch nicht. Lass mal das nächste Jahr kommen. Die Ganze Welt brennt und wir schmieden Pläne, schräg.

MUM: Aber wäre ja schade, wenn wir das nicht machen würden.

KH: Ja, du musst das machen.

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KH: Klaus Hoffmann
MUM: Mucke und mehr

Mehr Informationen zu Klaus Hoffmann findet man auf seiner Website.

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