Home Film “Das Mädchen, das lesen konnte” – ein schön abgefilmter Männertraum als ideologisches Statement

“Das Mädchen, das lesen konnte” – ein schön abgefilmter Männertraum als ideologisches Statement

Autor: Mick

"Das Mädchen, das lesen konnte"

Das Mädchen, das lesen konnte

Darsteller: Pauline Burlet, Alban Lenoir, Géraldine Pailhas, Iliana Zabeth
Regie: Marine Francen
Dauer: 98 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.dasmädchendaslesenkonnte.de


Frankreich, 1851. Das zarte Pflänzchen der zweiten Republik, die sich gerade etablieren wollte, wird von Louis Napoleon jäh wieder zertreten, indem er erstmal mit Widerständlern im ganzen Land mit harter Hand aufräumt. Davon ist auch das kleine provençalische Bergdorf von Violette Ailhaud unmittelbar betroffen, was sie in einer Erzählung für die Nachwelt festgehalten hat. Diese hat nun die Regisseurin Marine Francen dazu inspiriert, mit ihrem Spielfilmdebüt “Das Mädchen, das lesen konnte” Violettes außergewöhnliche Geschichte auf die große Leinwand zu bringen.

Außergewöhnlich deshalb, weil von einem Tag auf den anderen alle Männer des Dorfes von Soldaten zur Überprüfung auf unabsehbare Zeit abgeholt werden. Was also tun, wo die Ernte ins Haus steht und die Arbeit allein kaum zu bewältigen ist? Alles stehen und liegen lassen und ein anderes Auskommen in der nächsten kaisertreuen Stadt zu suchen, ist für die nun ausschließlich weibliche Dorfgemeinschaft von vornherein keine Option. Also heißt es, Ärmel hochkrempeln und anpacken solange die Kräfte reichen.

Das alles fängt Francen mit wunderbaren Aufnahmen der jungen Frauen in der Landschaft der sommerlichen Provence ein, deren Schönheit hinter der harten Arbeit fast ein wenig verlorengeht. Doch die Arbeit ist bei weitem nicht das einzige Thema, das zumindest einem Teil der Mädels unter den Nägeln brennt. Alle im heiratsfähigen Alter, sehen die sich durch die kaiserliche Maßnahme nun urplötzlich ihrer Familienplanung beraubt und treffen eine noch außergewöhnlichere Vereinbarung: Sollte sich irgendwann in nächster Zeit tatsächlich wieder ein Mann in ihr Dorf verirren, so wird keine von ihnen Exklusivanspruch auf ihn erheben, sondern ganz nach dem Motto “Brüderlichkeit” der Revolution zum Zwecke des Fortbestehens auch allen anderen Zugang zu ihm ermöglichen.

Schon bald kommt in dem rätselhaften Jean (Alban Lenoir) ein wahres Prachtexemplar des Weges, dessen Herkunft zwar nebulös bleibt, der sich aber das Angebot der Frauen nicht entgehen lässt, für seinen Arbeitseinsatz bei ihnen unterzukommen. Was das für die großenteils hormongesteuerte Gemeinschaft bedeutet, vermittelt uns Marine Francen einfühlsam, erzeugt mit direkter Handkamera eine Nähe zu den Mädchen, die uns ihre Nöte hautnah nachempfinden lässt. Und muss das nicht der Traum eines jeden Mannes sein, Objekt der Begierde einer ganzen Gemeinde hübscher Mädels zu sein?

Daraus ergibt sich auch der vielleicht einzige große Kritikpunkt, sind doch neben der auch noch sensationell spielenden Pauline Burlet als Violette auch nahezu alle anderen Frauen ausnehmend hübsch. Das verstärkt selbstverständlich das romantische Potenzial der Situation und kann zufällig wirklich so gewesen sein, sorgt aber neben der reizvollen Optik vor allem für Stirnrunzeln.

Trotzdem gelingt es Francen mit diesem Film, den besonderen Feminismus der Dorfgemeinschaft herauszustellen, die ja eigentlich völlig unpolitisch ist, sich jedoch plötzlich in ihren freiheitlichen Grundrechten bedroht sieht. Dabei hängt sie das nicht allzu hoch, sondern verpackt ihre Botschaft geschickt in die schön anzuschauende Dorfromanze, in der Violette als einziges Mädchen, das lesen kann, Jeans Herz wie im Sturm erobert.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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