Home Film “Poor Things” – Emma Stone brilliert in Yorgos Lanthimos’ ebenso skurrilem wie unterhaltsamem Meisterwerk

“Poor Things” – Emma Stone brilliert in Yorgos Lanthimos’ ebenso skurrilem wie unterhaltsamem Meisterwerk

Autor: Tobi
"Poor Things" Filmplakat (© Disney)

(© Disney)

Poor Things

Darsteller: Emma Stone, Mark Ruffalo, Willem Dafoe, Ramy Youssef
Regie: Yorgos Lanthimos
Dauer: 141 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.searchlightpictures.com/films/poor-things
Facebook: facebook.com/20thCenturyStudiosDE
Kinostart: 18. Januar 2024


Mit “Poor Things” startet einer der Oscar®-Favoriten 2024 in unseren Kinos, wurde der neue Film des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos (“The Favourite – Intrigen und Irrsinn”, “The Killing Of A Sacred Deer”, “The Lobster: Eine unkonventionelle Liebesgeschichte”) doch nicht nur bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 2023 mit dem Goldenen Löwen als “Bester Film” ausgezeichnet, sondern auch mit zwei Golden Globes in den Kategorien “Bester Film – Komödie/Musical” und “Beste Hauptdarstellerin – Komödie/Musical”, den Emma Stone mit nach Hause nehmen konnte, die auch als Mit-Produzentin fungierte.

Hierbei zeigt sich “Poor Things” nicht als erster Streifen als gutes Beispiel dafür, dass die bei den Golden Globes vorgenommene Genre-Aufteilung in “Drama” und “Komödie/Musical” nicht immer sinnvoll ist, handelt es sich doch um eine wunderbar gelungene Fusion aus Drama und Komödie, was ja auch gerne als Dramedy bzw. eingedeutscht Dramödie in einem reichlich unschönen Wort zusammengefasst wird. Vergessen wir also kurz mal Genres und widmen uns dem Werk an sich, welches trotz hochklassiger Konkurrenz das bislang beste von Lanthimos darstellt.

Emma Stone sehen wir in der Rolle der Bella, die im London Ende des 19. Jahrhunderts zwar immer noch als junge Frau bezeichnet werden muss, aber vom Wissenschaftler Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe) bereits von den Toten wiedererweckt wurde, nachdem sie sich schwanger von der Tower Bridge stürzte. Körperlich scheint sie nach und nach wieder fit zu werden, geistig allerdings befindet sie sich auf dem Niveau eines Kindes, was sich später sinnreich aufklären soll. Immerhin, während beim ebenso genialen wie unorthodoxen und exzentrischen, selbst optisch zusammengeflickten Baxter Mischwesen wie ein Ziegenkörper mit Entenkopf oder ein Hühnerkörper mit Hundekopf durch Haus und Garten rennen, ist Bella eindeutig ein Mensch, wissbegierig zu lernen und die Welt zu entdecken.

Baxter versucht, Schaden und Böses von ihr fern zu halten, unterrichtet Bella zusammen mit seiner Haushälterin Mrs. Prim (Vicki Pepperdine) in seinem Anwesen. Als Bella und sein neuer, ebenfalls noch recht junger und zurückhaltend netter Assistent Max McCandles (Ramy Youssef) sich ineinander verlieben, beäugt Baxter dies zunächst kritisch, erteilt beiden aber dann seinen Segen, zu heiraten, solange das Paar bei ihm wohnen bleibt. Um die Hochzeit juristisch zu vollziehen, kommt Anwalt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo) ins Spiel, und dieser entpuppt sich als zwielichtig und verschlagen, verführt er Bella doch nicht nur, mit ihm und Baxters ungerne erteilter Erlaubnis geht sie auf Reisen, um mehr von der Welt zu sehen – wobei sie sich auch sexuell sehr offen zeigt und neue Erfahrungen machen möchte, die dann auch Wedderburn überfordern.

"Poor Things" Szenenbild (© Disney)

(© Disney)

Mit “Poor Things” legt Yorgos Lanthimos einen Film vor, der optisch äußerst aufregend und überwältigend daher kommt, mit grandiosen Ideen gespickt, einer großartigen Ausstattung aufwartend, mit Schwarz-Weiß-Bildern ebenso wie farbenprächtig umwerfenden Szenerien besticht, dazu eine Welt präsentiert, wie man sie sich im 19. Jahrhundert als moderne Zukunft vorgestellt hat, wobei es ja nicht auf London beschränkt bleibt.

Zu starker, passenderweise auch mal schräg daher kommender, musikalischer Untermalung von Jerskin Fendrix hat die Zusammenarbeit mit dem irischen Kameramann Robbie Ryan voll gefruchtet, mit dem Lanthimos auch bereits für “The Favourite – Intrigen und Irrsinn” kollaborierte, genauso wie mit Yorgos Mavropsaridis, der für einen aufregenden Schnitt des Streifens gesorgt hat, und Drehbuchautor Tony McNamara, der auf dem gleichnamigen Roman von Alasdair Gray basierend eine immer interessante, trotz der langen Spieldauer von 141 Minuten stets kurzweilige Geschichte erschaffen hat.

Es ist in jedem Fall skurril und speziell, was uns hier geboten wird, aber so gut und unterhaltsam, wenn wir Bella dabei zuschauen, wie sie kindlich unbedarft das Leben aufsaugt, Mitmenschen (sogar wörtlich) auch mal vor den Kopf stößt und mit immenser Neugierde beginnt, eigene Entscheidungen durchzusetzen, sich hierbei auch von den Zwängen der Normen der Zeit zu befreien, Tabus zu brechen und für Gleichheit zu plädieren, wobei sie mit ihrer ungezügelten Ehrlichkeit der Gesellschaft und vor allem den besitzergreifenden Männern einen Spiegel vorhält.

Emma Stone brilliert in der Rolle, die beim Entdecken von Masturbation und wildem, statt auf Zärtlichkeit und Emotionen nur sachlich auf körperliches Wohlgefühl ausgelegtem Sex auch einiges an freizügigen Szenen mit sich bringt. Neben ihr wissen aber auch Willem Dafoe als an Frankenstein erinnernder Wissenschaftler, Mark Ruffalo als berechnender Anwalt und Ramy Youssef als liebevoller Schwarm Bellas zu überzeugen, schauspielerisch wird hier also ebenso großes Kino geboten wie in jedem anderen Punkt.

Trailer:

Bewertung: 10 von 10 Punkten

 

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