Home Film “Semper Fi” – das Drama um Brüderlichkeit kommt zu konstruiert daher

“Semper Fi” – das Drama um Brüderlichkeit kommt zu konstruiert daher

Autor: Tobi

"Semper Fi" Filmplakat (© Kinostar)

Semper Fi

Darsteller: Jai Courtney, Nat Wolff, Finn Wittrock, Beau Knapp
Regie: Henry Alex Rubin
Dauer: 100 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: semper-fi.kinostar.com
Facebook: facebook.com/KinostarFilmverleih


Wenn “Semper Fi” Anfang Juli in unseren Kinos startet, dann profitiert der Streifen vermutlich zum einen davon, dass nach dem Lockdown die Konkurrenz wirklich neu startender Filme noch nicht wieder so groß ist, und zum anderen ist die Kino-Lust von Cineasten so immens wie wohl nie zuvor. Diese kommen allerdings nicht voll auf ihre Kosten beim zweiten Spielfilm von Regisseur Henry Alex Rubin nach “Disconnect” (2012).

Nachdem sich Cal (Jai Courtney) schon seit Jahren als Vormund um seinen jüngerer Halb-Bruder Oyster (Nat Wolff) kümmert, nachdem ihnen keine Eltern geblieben sind, springt ihr Verhältnis zueinander munter zwischen lustigem Zusammensein und Streitereien hin und her. Wenn sie mit ihren besten Kumpels Milk (Beau Knapp), Snowball (Arturo Castro) und Jaeger (Finn Wittrock) um die Häuser ziehen, Bowling spielen oder in Bars beim Bierchen Mädels anbaggern, steht Spaß im Mittelpunkt.

Es kommt zwischen den Brüdern aber immer wieder mal zu Reibereien, vor allem weil Cal sehr besonnen agiert und als Polizist auf das Einhalten von Regeln und Gesetzen pocht, während Oyster gerne mal über die Stränge schlägt. Auch auf dem Marine-Stützpunkt, wo die Fünf als Reservisten am Wochenende für einen etwaigen Einsatz gedrillt werden, schlagen sich die unterschiedlichen Charaktere nieder, wenn Cal oberen Ranges seinen Halbbruder nicht zum ersten Mal disziplinieren muss.

Zur Eskalation kommt es im Jahr 2005, als Oyster in eine Schlägerei gerät und einen Kontrahenten so wegstößt, dass dieser unglücklich stürzt und schließlich stirbt. Cal sorgt dafür, dass Oyster nicht fliehen kann, und so landet dieser vor dem Richter und schließlich – weil es nicht sein erster Gesetztesbruch war – für 25 Jahre im Gefängnis, was er dem Bruder nicht verzeiht. Währenddessen werden Cal und die drei freien Kumpels eingezogen und in den Irak geschickt, wo Jaeger bei einem Anschlag ein Bein verliert hat. In der Summe reicht dies für Cal, um seine Prinzipien über den Haufen zu werfen und hier wie auch zurück in der Heimat Dinge zu tun, die er nicht für möglich gehalten hätte.

"Semper Fi" Szenenbild (© Kinostar)

(© Kinostar)

“Semper Fi” ist als Ablürzung für “Semper fidelis” (lateinisch für “immer treu”) ein Motto des United States Marine Corps, und dieses hat sich Cal auf die Unterarme tätowieren lassen. Wem aber gilt seine Treue? Recht, Ordnung und dem Land zunächst einmal mehr als der eigenen Familie, aber das ändert sich im Verlauf des Streifens.

Der Film macht es einem zunächst gar nicht mal leicht, eine Identifikationsperson zu finden, startet er doch mit einer extrem nervigen Bowling-Session, bei der sich alle fünf Kumpels so dämlich verhalten, wie man es sonst nur aus den schlimmsten Screwball-Komödien kannte. Im Verlauf zeigt Cal, ordentlich gespielt von Jai Courtney (“Suicide Squad”, “Jack Reacher”), dann aber doch einiges an Profil, und auch in Oyster steckt mehr Warmherzigkeit und Intellekt, als man zunächst vermuten konnte.

Auch wenn Regisseur Henry Alex Rubin, der zusammen mit Sean Mullin auch das Drehbuch verfasst hat, das Ganze im Abspann dem Zusammenhalt der Marines widmet, stehen diese doch nur als ein zusätzliches Bindeglied der fünf Protagonisten, schließlich sind sie alle in einer Kleinstadt im Bundesstaat New York aufgewachsen und seit Kindestagen beste Kumpels. Die nur kurz gezeigten Kriegsszenen im Irak dienen neben einer großen Schippe an amerikanischem Patriotismus dann vor allem als Anstoß für die Neuausrichtung Cals und natürlich der Tatsache, dass gerade Schönling Jaeger fortan mit Behinderung leben muss, was ihn auf der Beliebtheitsskala der immernoch angehimmelten Ex Clara (Leighton Meester) aber durchaus nach oben bringt.

Es geht um Freundschaft, Zusammenhalt und eben Brüderlichkeit im wörtlichen Sinne – wobei Oyster, dem es im Knast nicht allzu rosig ergeht, von Cal nichts mehr wissen möchte. Das macht diesen wütend und lässt ihn verzweifelt eine Sinneswandlung durchleben, die man ihm als Zuschauer nicht abnimmt, auch wenn es der Spannung des Films und der Ausrichtung auf ein solide gezimmertes Finale dient. Auch das schwammige Hin und Her von Milk zwischen dem Freundeskreis und dem heimischen Familiendasein als junger Vater wirkt überzogen, so dass Snowball als inhaltlich blasseste Figur der Jungs manchmal schon erschreckend angenehm wirkt.

“Semper Fi” ist kein mieser Film, die Handlung wirkt aber doch zu konstruiert und versäumt es hierbei, den Charakteren genug Tiefe zu verleihen oder – abgesehen von den letzten 20 Minuten – durch besondere inszenierungstechnische Highlights zu packen. Zudem wird man das Gefühl nicht los, dass der Film vielleicht ohne den immer wieder aufgedrückten Armee-Stempel besser funktioniert hätte, schließlich reichen die langjährige Freundschaft der Jungs und das Verhältnis von Cal und Oyster voll aus, um die Geschichte zu tragen.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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