Home Film “Sisi & Ich” – das satirische Historiendrama ermöglicht einen neuen Blick auf die Kaiserin

“Sisi & Ich” – das satirische Historiendrama ermöglicht einen neuen Blick auf die Kaiserin

Autor: Mick

"Sisi & ich" Filmplakat (© DCM)

Sisi & Ich

Darsteller: Susanne Wolff, Sandra Hüller, Stefan Kurt, Johanna Wokalek
Regie: Frauke Finsterwalder
Dauer: 132 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: dcmstories.com/de/collection/sisi-ich
Facebook: facebook.com/dcmstories


Noch ein weiterer Sisi-Film? Reichen alle vorangegangenen Werke über die legendäre österreichische Kaiserin Elisabeth vom kitschigen Dreiteiler aus den 50er Jahren mit Romy Schneider in der Hauptrolle bis zu Michael Herbigs alberner Zeichentrickadaption „Lissi und der wilde Kaiser“ (2007) wirklich noch nicht aus? Mitnichten, dachte sich wohl Regisseurin Frauke Finsterwalder und präsentiert uns jetzt in ihrem „Sisi & Ich“ wie schon vor kurzem Marie Kreutzer in ihrem Drama „Corsage“ eine ganz andere Elisabeth, als sie uns vor allem durch Romy Schneider in Erinnerung ist. Von der hebt sich Finsterwalder schon allein dadurch ab, dass sie im Titel ein S einspart und somit etwaigen Verwechslungen mit der populären aber romantisch-verklärten Sissi-Variante gezielt vorbeugt. Das soll sich dann auch inhaltlich fortsetzen, denn sie wählt eine komplett andere Herangehensweise als alle anderen vor ihr, indem sie sich der Monarchin durch eine fiktive Person nähert, die dann auch das „Ich“ im Titel erklärt.

Dabei handelt es sich um die 42-jährige Irma Gräfin von Sztáray (Sandra Hüller), die wir kennenlernen, als sie von ihrer ambitioniert-handgreiflichen Mutter zur Bewerbung als Hofdame bei Sisi (Susanne Wolff) gedrängt wird, noch weit bevor wir die Kaiserin überhaupt das erste Mal zu Gesicht bekommen. Mit ihren überraschend komischen Zügen irritiert schon die Eingangssequenz, in der sich das Mutter-Tochter-Gespann nach allen Regeln der Kunst anbiedert. Da weiß man lange nicht so recht, wo die Regisseurin mit frechen Dialogen und für das Historienstück eher zu schlichter Ausstattung mit einem hinwill und ist durchaus gespannt auf die weiteren Entwicklungen.

Die führen Irma nach überstandenem Auswahlprozess an Sisis Sommerresidenz in Griechenland, wo die es sich schon in ihrer fortgeschrittenen Lebensphase fernab der strengen Etikette des Wiener Hofes gutgehen lässt. Und dabei scheint sie an ihre Gesellschaft durchaus gehobene Ansprüche zu stellen, muss sich doch Irma, kaum im heißen Süden angekommen, noch in unpraktischer Reisegarderobe gegenüber dem unerbittlichen Bediensteten Graf von Berseviczy (Stefan Kurt) erstmal in etlichen sportlichen Prüfungen beweisen. Von Anfang an stellt hier Finsterwalder klar, wie sie die Beziehung zwischen Irma und Sisi anlegt, um die sich ihre Tragikomödie als zentrales Thema dreht. Da begegnen sich zwei Frauen gleichen Alters nicht etwa auf Augenhöhe, sondern kann sich Irma glücklich schätzen, in der Nähe der von ihr bewunderten, exzentrischen Kaiserin überhaupt geduldet zu werden. So lässt sie auch manch demütigende Maßnahme klaglos über sich ergehen und weiß nur zu genau, dass die unattraktive Alternative für eine Frau ihres Alters höchstwahrscheinlich den Gang ins Kloster darstellt.

"Sisi & ich" Szenenbild (© DCM / Bernd Spauke)

(© DCM / Bernd Spauke)

Dabei aber will es die Regisseurin nicht belassen, findet doch auch die launische Sisi schon nach den ersten Begegnungen Gefallen an der neuen Gefährtin, die sich schon nach kurzer Zeit unsterblich in die selbstbewusste Monarchin verliebt. Zwar buhlt Irma sofort um ihre Zuneigung, redet ihr aber nicht nur nach dem Mund und kann vor allem in puncto Spontanität und Aktionismus mit der rastlosen Kaiserin mithalten. Das zeigt uns Finsterwalder einzig durch Irmas Perspektive, setzt immer mehr auf eine moderne Ausstattung und zeigt uns Sisi von einer Seite, die noch weit über die aus Kreutzers „Corsage“ hinausgeht. Man kann es beinahe als rotzig bezeichnen, wie sie uns die sprunghafte, bulimische Kaiserin fast als Punk präsentiert, die zwischen nächtlichen Fressattacken mit folgenden Kotzorgien und lesbischen Liebeleien ihre Macht durchaus einzusetzen weiß, trotzdem aber vom langen Leben am Hof gezeichnet scheint, wie ein spontaner Besuch ihres Gatten Franz Josef beweist.

Das alles transportieren Sandra Hüller und Susanne Wolff in ihrem harmonischen Miteinander dermaßen glaubhaft, dass allein das durch deren Spiel erlebte Mäandern zwischen Eitelkeiten, Anbiedern und sich langsam entwickelnder Freundschaft enorme Freude bereitet. Ob nun Finsterwalder dabei immer historisch korrekt bleibt, darf bezweifelt werden, dafür räumt ihr frisches, mit Punkmusik unterlegtes Sisi-Porträt ein für alle Mal mit dem heuchlerisch-romantisierten Bild aus den Fünfzigern auf.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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