Home MusikCD-Rezensionen Daniel Hope nimmt uns geigend mit nach “America” und präsentiert vielseitige Stücke

Daniel Hope nimmt uns geigend mit nach “America” und präsentiert vielseitige Stücke

Autor: Tobi

Daniel Hope "America"

Daniel Hope

“America”

(CD, Deutsche Grammophon, 2022)

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Über mangelnde Abwechslung kann man sich bei Daniel Hope nicht beklagen. Beispielhaft hierfür stehen die letzten vier Jahre seiner Karriere: Nachdem uns der Star-Geiger auf seinem Album “Journey to Mozart” (lies unsere Rezension hier) 2018 mit auf eine Reise nahm, die zu Mozart und seinen Zeitgenossen Haydn, Salomon, Mysliveček und Gluck führte, sich dann 2020 der “Belle Epoque” widmete, “Hope@Home” Livestream-Konzerte in der Pandemie und “Christmas with Hope” bescherte, dann noch “Serenades” einspielte und 2021 “Alfred Schnittke: Werke für Violine und Klavier” veröffentlichte, bringt er uns mit seinem neuen Album nun nach “America”.

Für die 82 Minuten der prall gefüllten CD hat der in Berlin lebende Musiker zusammen mit dem Zürcher Kammerorchester, dessen Music Director er seit 2016 ist, und einigen Gästen amerikanische Musik erkundet. “Wir erkennen, dass ein Stück aus Amerika stammt, sobald wir es hören”, erklärt Hope. “Aber was ist es, dass Musik amerikanisch klingen lässt?”

Daniel Hope (© Erik Almås)

(© Erik Almås)

22 Tracks findet man auf der CD, wobei es manchmal Werke sind, von denen Teile hier eingespielt wurden. Los geht es mit fünf Stücken von George Gershwin als “Gershwin Song Suite”, in neuen Arrangements von Paul Bateman, der alle Stücke des Albums arrangiert hat. Für diese hat Hope sich mit dem amerikanischen Marcus Roberts Trio verstärkt, zu dem neben dem gefeierten Jazzpianisten und Komponisten auch Bassist Rodney Jordan und Schlagzeuger Jason Marsalis gehören. Zumeist geht es stimmungsvoll im Swing-Jazz zu wie beim bekannten “Summertime” aus “Porgy And Bess”, mal aber auch getragen wie beim Beginn von “‘S Wonderful” aus “Funny Face”.

Hope und Roberts sind schon oft gemeinsam aufgetreten. “Die klassische Musik und die Jazz-Welt kommen nur selten wirklich zusammen, aber wir haben es in Form eines musikalischen Dialogs ermöglicht”, sagt Hope. “Jetzt machen wir das mit diesem Album erneut.” Gemeinsam setzen sie sich außerdem für das Schaffen afroamerikanischer KomponistInnen ein und erinnern daran, wie deren Arbeit dazu beigetragen hat, die amerikanische Musik zu dem zu machen, was sie heute ist. “Eines der zentralen Dinge, die man als Musiker lernt, ist die Fähigkeit, anderen zuzuhören und von ihnen zu lernen”, erklärt Roberts. “Wir sollten uns also den Werken dieser Menschen widmen und herausfinden, warum und auf welche Weise sie unsere Anerkennung verdient haben – nicht nur deshalb, weil sie vergessen waren, sondern weil ihre Musik eine wichtige Botschaft enthält, aus der wir heute noch lernen und Nutzen ziehen können. Das wäre ein wunderbarer Weg, ihnen etwas Gutes zu tun und uns gleich mit.”

Für Sam Cookes “A Change Is Gonna Come” als einziger vokaler Nummer hat Hope sich neben der brasilianischen Pianistin Sylvia Thereza mit Joy Denalane auch eine bekannte Stimme an Bord geholt, und Bateman hat den Dreien ein feines, blues-souliges Arrangement gebastelt.

Die nächsten sieben Tracks passen wunderbar zur aktuellen Kino-Landschaft, wo Steven Spielberg uns ja gerade erst mit einer fulminanten Neuauflage der “West Side Story” zu begeistern wusste (lies unsere Filmkritik hier). Hier nun finden wir in der “West Side Story Suite” die bekanntesten Melodien aus dem tollen Musical von Leonard Bernstein für Violine und Streichorchester arrangiert. “America”, “Maria”, “Tonight”, “Somewhere”, “A Boy Like That”, “I Have A Love” und “Mambo” lassen sich so bestens anhören, mal verträumt, mal verliebt, mal dramatisch.

Auch das getragen dahin fließende “Adoration” von Florence Price hat Bateman für Violine und Streichorchester aufbereitet, ebenso wie Aaron Coplands “At The River” aus den “Old American Songs”, und dazu gibt es noch das mal gallopierende, mal energetisch wilde “Hoe-Down” aus Coplands “Rodeo”. Weiter geht es mit Duke Ellingtons “Come Sunday” – ja, ebenfalls von Bateman für Violine und Streichorchester arrangiert, hierbei sanft ins Ohr fließend.

Dann widmet sich Hope Kurt Weill und hat vier Stücke von ihm in der “American Song Suite” zusammen gefasst, diesmal von Bateman für Violine und Kammerorchester arrangiert – aufgenommen mit dem deutschen Jazzgitarristen Joscho Stephan und der Perkussionisten Alexander Ponet als Gästen. Zu den nun wieder jazzigen, insgesamt zumeist sanft anmutenden Songs gehören das bekannte, in seinem Verlauf zunehmend flotter beschwingte “Mack The Knife” aus der Dreigroschenoper, der “September Song” aus “Knickerbocker Holiday” oder “My Ship” aus dem Broadway-Musical “Lady In The Dark”, das auch in dessen Verfilmung aus dem Jahre 1944 enthalten war im Gegegnsatz zu vielen anderen Liedern. Abschließend gibt es noch Samuel A. Wards “America The Beautiful”, das als patriotisches Lied so etwas wie eine zweite (oder zusammen mit “God Bless America” auch dritte) Nationalhymne der USA geworden ist.

Ein weiteres gutes Album von Daniel Hope, dessen Geigenkünste unbestritten sind und der hier erneut groß aufspielt, auch dank Batemans starker Arrangements. Zudem hat er auch wichtige Hintergründe amerikanischer Musik im Auge behalten und bietet von großen Broadway-Hits bis zu einzelnen Stücken wichtiger KünstlerInnen eine breite Palette. Mit Blick auf Dvořák, der vor mehr als einem Jahrhundert eine politische Debatte entfachte, als er afroamerikanische Melodien als Inspirationsquelle nannte, hat Hope hier also ganz bewusst Werke von Florence Price, Duke Ellington und Sam Cooke aufgenommen, die sich Gehör verschafften in einer Zeit der Rassentrennung und sozialen Ungerechtigkeit.

www.danielhope.com
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Bewertung: 8 von 10 Punkten

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