Home MusikKonzertberichte Placebo – Kritik des Konzerts in Köln am 4. Dezember 2010

Placebo – Kritik des Konzerts in Köln am 4. Dezember 2010

Autor: Tobi

Ausverkauft ist sie nicht, die bis zu 18.000 Zuschauer fassende Lanxess Arena in Köln, aber doch gut gefüllt, als Placebo an diesem regnerischen, kühlen Abend Anfang Dezember auf dem Programm stehen. Mit Expatriate und den Silversun Pickups haben sie gleich zwei Vorbands mit am Start – wobei Expatriate der etwas unglückliche Eröffnungsteil überlassen wurde. Unglücklich, weil sie bereits vor 20 Uhr spielten und viele der Zuschauer daher noch gar nicht in der Halle angekommen waren, um ihre 25 Minuten anzuschauen. Nun, da haben sie etwas verpasst – die inzwischen in Berlin ansässigen Australier heizten mit Tracks aus ihrem gelungenen Debütalbum “In The Midst Of This” den Abend gut an. Ihr alternativer Wave-Rock mit guten Melodien wusste zu gefallen, Frontmann Ben King hat auch live eine sehr anständige Stimme, und Songs wie “Gotta Get Home” oder “Crazy” kommen durchaus eingängig daher.

Nach einigen Kurzfilmen aus dem Placebo Film Festival, die jeweils in den Umbaupausen auf den Großleinwänden links und rechts der Bühne gezeigt wurden und unter denen man seinen Favoriten über die Website wählen sollte (“Le Petit Dragon” war hierbei auffallend gut), ging es mit den Silversun Pickups weiter. Im Vergleich zu Expatriate wussten diese nicht so richtig zu überzeugen. Okay, die Musik des Quartetts war durchaus okay, aber ihr fehlte der Kick, einen mitzureißen – könnte ein Live-Problem sein, auf CD mag die Band mehr fesseln. Zudem kamen die vier Musiker optisch absolut unharmonisch daher. Sänger Brian Aubert, der mit seinem Versuchen, das Publikum zu animieren, etwas anstrengend daher kam, passte noch am besten zum Alternative-Pop-Rock der Band. Bassistin Nikki Monninger hingegen wirkt in ihrem Blümchenkleid und mit ihrer sehr schüchternen Art irgendwie fehl am Platz, während Keyboarder Joe Lester hinter seinen Tasten klemmte und so verschroben aussah, als würde er beim E-Doppelgänger-Wettbewerb dem Eels-Mastermind nacheifern, und Drummer Christopher Guanlao so headbangte, als befände er sich in einer schwer abrockenden Metal-Band. Hmm, schwer einzuordnen, die Band aus Los Angeles, deren aktuelles Album “Swoon” ihnen doch tatsächlich Platz 7 in den US-Album-Charts und eine Grammy-Nominierung als “Best New Artist” einbrachte – was sie hier nicht bestätigen konnten.

Um 21.30 Uhr dann kamen Placebo schwer umjubelt auf die Bühne. Sänger und Gitarrist Brian Molko, Bassist Stefan Olsdal und Drummer Steven Forrest hatten mit Bill Lloyd (Gitarre, Bass, Keyboard), Alex Lee (Gitarre, Keyboard) und Fiona Brice (Keyboard, Violine, Percussions, Background-Gesang) einige Verstärkung mit und rockten direkt vom Start weg mächtig los. Erstmal unbekanntere Songs und am Ende die Highlights – bei Placebo bedarf es dieser Taktik nicht, dafür haben sie zu viele hochwertige Songs im Laufe ihrer 15 Bandjahre erschaffen. So eröffneten sie dann auch gleich mit dem Hit “For What It’s Worth” aus dem aktuellen Album “Battle For The Sun” und ließen die zweite Single “Ashtray Heart” gleich folgen. Mit diesem gefangen nehmenden Titeln hatten sie die Fans sofort in ihrer Hand und gaben sie auch nicht mehr her – das gesamte Konzert über wurde die Band umjubelt und gefeiert, die Stimmung war bestens. Frontmann Molko bewies, dass er nicht nur ein hervorragender Sänger mit einer herrlich individuellen Stimme ist, sondern auch noch sehr gutes Deutsch spricht, was er zwischen den Tracks immer wieder anbrachte, ohne zu lange Reden zu schwingen. Bassist Olsdal setzte seiner eher spacken Figur eine fette Ausstrahlung entgegen, und der neue Drummer Forrest zeigte, dass er der Band nochmal eine ganze Portion an Energie zuschustern konnte – er wirbelte mächtig ab und war ein echtes Tier am Schlagzeug. Dass er extrem unter Strom stand sah man besonders, als er einmal mit dem falschen Beat eröffnete und sich hierfür am liebsten selbst zerrissen hätte, während die Kollegen nur kurz beruhigend auf ihn einredeten, damit es dann schnell in richtiger Reihenfolge weiter gehen konnte. Placebo spielten ein gutes Set, wobei sie vom aktuellen Album nur drei Songs ausließen, trotzdem aber noch viele alte Hits einstreuten, von denen “Every You Every Me”, “Special K” und “Taste In Men” wohl am frenetischsten gefeiert wurden. Für die ruhigeren Stücke “Because I Want You” und “Twenty Years” – von Molko als “Rock n’ Schwul” angekündigt – tauschte Olsdal den Bass gegen ein Piano, ansonsten wurde die ganze Zeit gut abgerockt und einigermaßen erfolgreich gegen den bekanntlich miesen Konzert-Sound der Lanxess Arena angekämpft. Zu erwähnen sind auch die sehr gut gemachten Projektionen auf den großen Leinwänden links und rechts der Bühne, von LED-Wänden darüber noch vervollständigt. Hier wurden Liveaufnahmen in schwarz-weiß mit diversen Mustern, Filmclips und Effekten vermischt, was dem Ganzen eine besondere und überzeugende Note gab – oder es liefen zum Song passende Bilder wie eine Inderin in Großaufnahme zu “The Never-Ending Why”, von Molko als Buddha-Song angekündigt. Nach fast zwei Stunden wurde das starke Konzert mit “Taste In Men” beendet und als Fan ging man wohl bester Laune nach Hause, da man einen tollen Abend verlebt hatte.

Die komplette Setlist von Placebo:
For What It´s Worth
Ashtray Heart
Battle For The Sun
Soulmates Never Die
Speak In Tongues
Follow The Cops Back Home
Every You Every Me
Special Needs
Breathe Underwater
Because I Want You
Twenty Years
Julien
The Never-Ending Why
Blind
Devil In The Details
Meds
Song To Say Goodbye
———
Bright Lights
Special K
The Bitter End
———
Infra-Red
Taste In Men

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Links:
Website von Placebo
Website der Silversun Pickups
Website von Expatriate
Homepage der Lanxess Arena Köln

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