Home MusikKonzertberichte Puff Daddy – Kritik des Konzerts in Berlin am 24. März 2000

Puff Daddy – Kritik des Konzerts in Berlin am 24. März 2000

Autor: Tobi

Das Konzert von Puff Daddy in der Arena in Berlin-Treptow beginnt noch lange nicht, doch vor den Toren ist bereits ein buntes Treiben zu beobachten. Neben “normalem” Konzertpublikum haben sich einige gang-artige Gruppen eingefunden, die sich wichtig machen oder dieses wenigstens versuchen. Zusätzlich sieht man viele Schwarze in teuren Anzügen mit edel in schwarzem Leder eingepackten Frauen am Arm zur Halle pilgern. Der Schwarzhandel blüht, denn das Konzert ist nicht ausverkauft. Bis auf 25 DM gehen diejenigen, die noch Tickets loswerden wollen, schließlich runter, ein echtes Schnäppchen also. Einige aufgeschnappte Konversationen zeigen schon die leicht merkwürdige Stimmung vor der Halle. “Alter, hast du noch Ticket?” fragt ein sich selbst für hart haltender junger Ausländer. “Ja, eines”, antwortet ein nett aussehender Mann, “was willst du denn zahlen?”. “Ich zahl nix. Ich warte da hinten, hau dir auf Maul und zieh die Karte ab, wirst du sehen.” Na wenn das nicht nett ist. Eine mehr als fette Limousine mit ca. 800 Türen auf jeder Seite (na gut, es waren weniger) fährt vor und verschwindet im Backstage-Bereich. Puffy? Keine Ahnung, ist aber auch völlig schnurz, außerdem fahren mehrere Autos, teilweise sogar mit leibwächterartigen Begleitern versehen, hinter die Halle. Ein offensichtlich zur Crew gehörender, korpulent kräftiger, goldbehangener Schwarzer verkauft ebenfalls einige Tickets für den Backstage-Bereich, bis er keine Lust mehr hat und den Rest (sicherlich 20 bis 30 Stück) einfach zerreißt und in die Luft wirft. Man hat’s ja!

Zum Konzert. Da ist er also, Puff Daddy, in den Staaten mit dem Gesetz in Konflikt (kürzlich noch nach einer Schießerei in seinen Kreisen wegen unerlaubten Waffenbesitzes im Knast), aber sowohl dort als auch hierzulande ein absoluter Superstar. Was Puffy anpackt, wird zu Gold, auch wenn er dabei nicht unbedingt immer viel Kreativität zeigt und sich mehr als oft an alten Klassikern bedient, um Elemente derselben in seine Songs einfließen zu lassen. So richtig Rap ist das ja dann auch nicht, was der Lover von Jennifer Lopez zu bieten hat, eher Hip-Pop, um mal ein zugegebenermaßen beschränkt witziges Wortspiel zu betreiben, was aber die Musik von Puff Daddy gar nicht schlecht beschreibt. Die Credibility eines wahren Großmeisters wie Dr. Dre besitzt er nicht, die wahren HipHop-Freunde wie Notorious B.I.G. werden ihm von der Seite geschossen. Aber auch hieraus macht Sean Combs, so Puffys bürgerlicher Name, Geld, wie seine Hommage an “Biggy”, das weltweit erfolgreiche “I’ll Be Missing You” (das mit dem “Every Breat You Take”-Sample von Police), zeigt. Auch heute erinnert Puff Daddy an den verstorbenen Freund, und das eigentlich die ganze Zeit. Biggys Stimme wird in den Saal geblasen, Biggy erscheint auf der Videoleinwand und Puffy fordert das Publikum mit “make some noise for B.I.G.!” auf, dem toten Freund zu huldigen. Nun gut, vielleicht war dieser Puffy wirklich so wichtig, dass er seine Message nun rund um die Welt trägt.

Das Publikum in der nur halb gefüllten Halle scheint begeistert, ob der Show und ob der Musik. Nach einem “Put your hands in the air” werden die Arme hin und her geworfen, die Stimmung ist gut. Auf Nachfrage wird Gottverbundenheit demonstriert, und auch Puff Daddy widmet dem Herrn im Himmel gerne mal einen Song. Zu allem Superstar-Gehabe, in dem sich Combs sonnt, explodieren Feuerwerkskörper, werden Konfettisalven ins Publikum geschossen und schwingen diverse Tänzerinnen die Hüften. Dessen nicht genug. Bei “Come With Me” schwenkt Puff Daddy die Deutschland-Fahne – fragt sich nur warum, eine solche Peinlichkeit würde sich eine glaubwürdige deutsche HipHop-Combo nämlich nie getrauen. Aber so sind sie eben, die Amerikaner. Gott, die Nation und die Familie bestimmen die Werte der Gesellschaft. Apropos Family, diese wird von Lil Cease, Carl Thomas und 112 vertreten, die neben einem DJ den Meister auf der Bühne unterstützen. Mit “We Are Family” von Sister Sledge wird dann auch der gestenreiche Abend abgeschlossen, nachdem sich Puff Daddy durch seine Songs gearbeitet und seinem Größenwahn Ausdruck verliehen hat. Oder ist er doch nur der nette Bube, der das Spiel Showbusiness mitspielt?

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