Home MusikInterviews Mesh zu ihrem Album “Fragmente” (08/98)

Mesh zu ihrem Album “Fragmente” (08/98)

Autor: Tobi

Mesh gehören mit Sicherheit zu den besten Synthiepopbands, die die letzten Jahre hervorgebracht haben. Neil Taylor, Mark Hockings und Richard Silverthorn erspielten sich mit ihren CDs “Fragile” und “In This Place Forever” eine feste Fangemeinde unter den Elektrofreaks, denen sowohl harte als auch softe Töne angenehm sind, denn Mesh bieten beides. Auf der nur in Deutschland erschienenen CD “Fragmente” konnte man kürzlich noch einmal Songs aus den Alben und Auskopplungen hören, dazu noch ein paar neue welche, und allesamt waren sie eher der poppigen Seite von Meshs Musik zuzuordnen. Tolle Melodien, Strukturen und Sounds – Musik, die begeistert – Mesh, immer ein Interview wert.

Mesh "Fragmente" Jetzt bestellen bei Amazon.de

“Die englische Musik-Presse ist immernoch sehr auf Gitarrenmusik oder Dance fokussiert, für sie ist elektronische Musik immernoch gleich Depeche Mode.”

MUM: In Deutschland habt Ihr kürzlich die CD “Fragmente” veröffentlicht, mit Stücken aus Eurer Karriere. Warum?

Mesh: Das geschah auf Anfrage unserer Plattenfirma, die ein neues Produkt zur Tour mit De/Vision auf den Markt bringen wollte. Sie dachten da an eine Kollektion einiger unserer eher melodischen Songs, eben Sachen, die die leichtere Seite unseres Sounds zeigen. Wir waren nicht so sicher, ob wir das auch wollten, am Anfang jedenfalls, aber im Endeffekt sind wir zufrieden mit der Scheibe, da sie Material aus allen unseren bisherigen Releases bietet, auch die neue Single, und außerdem zum Billigpreis angeboten wird.

MUM: Ist die melodischere, ruhigere Schiene die Richtung, in die Ihr auch tendiert?

Mesh: Nein, das war nur für die Scheibe so. Das nächste Album wird wieder den gewohnten Mix aus energetischem Stoff, melodischen Sachen und anderen, interessanten Spielereien bieten.

MUM: Ich finde, daß Ihr eine der doch recht wenigen Bands seid, die wirklich faszinierende elektronische Musik machen und sich dadurch von der Masse der langweiligen Produktionen abheben. Was ist für Euch wichtig, wenn Ihr Musik macht?

Mesh: Die Tatsache, daß es auf Anhieb ein guter Song sein muß. Wir halten nichts von komplizierten Produktionen, die das Fehlen vom Einklang zwischen Song und Melodie zu verstecken suchen. Wir wollen gute Songs mit interessanten Sounds und ebensolcher Produktion verbinden. Wenn wir einen Song nicht mögen, dann lassen wir ihn lieber beiseite, anstatt ihn irgendwie mit starken Klängen aufzumöbeln.

MUM: Was wollt Ihr den Hörern mit Euren Texten sagen?

Mesh: Mark schreibt bei uns alle Texte, und diese sind eine Kombination aus Erlebnissen, Beobachtungen und Fiktivem. Die Texte sind uns sehr wichtig, wie wohl auch für unsere Fans, da wir viele Briefe bekommen, daß sie sich mit unseren Worten identifizieren oder mehr über ein Thema wissen wollen.

MUM: Ihr habt ja eine Tour zusammen mit De/Vision gespielt, wie war das?

Mesh: Brilliant! Die ganze Tour war ein riesiger Erfolg für uns. Wir haben viele neue Fans gewonnen, auch viele getroffen, außerdem viele CDs verkauft. Für uns persönlich war die Tour eine tolle Erfahrung. Jeder, der daran beteiligt war, hat viel Spaß gehabt. Es war für uns bisher die beste Tour, an der wir teilgenommen haben. De/Vision sind eine tolle Band und nun auch gute Freunde von uns. Ihre nächste Single “Strange Affection” wird einen Remix von uns enthalten.

MUM: Ihr seid ja hundert Lichtjahre kraftvoller und meiner Meinung nach auch klar besser als De/Vision. Haben die Zuschauer auf beide Bands verschieden reagiert? Und wer hat den wohl nicht existenten Zweikampf der Bands gewonnen?

Mesh: Natürlich kamen die meisten Leute, um De/Vision zu sehen, daher weiß man als Support nie so recht, was einen erwartet. Wir hatten aber nie negative Reaktionen, eher das totale Gegenteil. Der massige Verkauf an CDs nach unseren Gigs hat jeden überrascht, uns auch. Die Idee war, daß beide Bands sich komplettieren, also kein Zweikampf. Wir klingen anders als De/Vision, die ja eher melancholischen Pop machen, wenn man das so nennen kann. Schwer zu beschreiben, aber vielleicht sind wir etwas mehr packend, wenn wir live spielen. Wir konzentrieren uns dann mehr auf die schnelleren, energetischen Songs.

MUM: Wie bekannt seid Ihr eigentlich in England?

Mesh: Nicht so sehr. Wir haben viele Fans, aber da wir keinen Vertrieb in England haben, ist es schwer, und teilweise ja auch sinnlos, viel Promotion zu machen, wenn die Leute unsere Musik nicht kaufen können. In England spielen wir vielleicht sechsmal im jahr, die meisten Gigs finden im Ausland statt. Die englische Musik-Presse ist immernoch sehr auf Gitarrenmusik oder Dance fokussiert, für sie ist elektronische Musik immernoch gleich Depeche Mode. Aber das wird sich auch ändern. Es gibt Anzeichen, daß eine neue Elektrodelika vor der Tür steht, warten wir’s ab.

MUM: In welche Richtung hat sich die elektronische Musik in England denn dieses Jahr entwickelt?

Mesh: In England gibt es nicht die gleiche Art Szene wie in Zenntral-Europa. Da gibt es Gothic-Nächte und Industrial-Parties, und natürlich die Dance Clubs. Eine Depeche Mode-Party würde es in England nicht geben. Die Entwicklung der elektronischen Musik spiegelt sich für uns in Geschichten wie dem neuen Madonna-Album wieder, oder dem von Massive Attack. Diese Scheiben sind sehr elektronisch, man benutzt Synthesizer und Sampler, und trotzdem denkt man in Europa bei diesen Geräten gleich an Synthiepop-Bands. Vielleicht ist dies der Fortschritt, die Integration in den Mainstream, weg vom Image der 80er-Jahre Synthie-Bands.

MUM: Was hört Ihr privat für Musik?

Mesh: Momentan Massive Attack, Sneaker Pimps, Radiohead, Garbage, Duffy, Bernard Butler, Madonna und De/Vision!

MUM: Welche Bands haben Euch beeinflußt?

Mesh: Als wir angefangen haben, da waren es die frühen, elektronischen Bands, wie Yazoo. Nun inspiriert uns alles, z.B. die Sachen, die ich eben genannt habe. Gute Songs mit interessanter, stimulierender Produktion. Sachen, die etwas Neues bieten.

MUM: Was macht Ihr sonst so, wenn Ihr mal nicht musikalisch aktiv seid? Wie verlebt Ihr den Tag, was trinkt Ihr am liebsten, eben sowas…?

Mesh: Wir leben alle in der Gegend von Bristol, nur 6 Kilometer voneinander entfernt. Wenn wir nicht Musik machen, hmmm?!? Rich fährt Mountain Bike irgendwelche Berge runter, hört Musik oder entspannt sich bei einem guten Guiness. Neil sitzt viel zu viel vor dem Computer, macht dort Artwork, Videos oder Sounds, trinkt gerne einen und drückt sich vor dem Abwasch. Am liebsten trinkt er John Smiths Extra Smooth. Mark liest viel, geht Essen oder fleht das Sequenzerprogramm Cubase VST an, zu funktionieren. Er trinkt am liebsten Whisky.

MUM: Woran arbeitet Ihr gerade?

Mesh: Momentan daran, das nächste Album fertig zu stellen, das eigentlich noch vor Herbst erscheinen soll. Wir bereiten auch eine weitere Single vor und kümmern uns darum, daß unser Label auch alles für uns tut. Wir haben gerade einen Remix für De/Vision fertig gemacht. Im Oktober/November planen wir eine Tour. Schaut am besten auf unsere Homepage www.mesh.co.uk für nähere Details.

MUM: Nennt mir bitte jeder Eure drei Lieblingsscheiben aller Zeiten.

Rich: Nine Inch Nails – “Wish”, Yazoo – “Upstairs At Eric’s”, Beloved – “Happiness”.

Neil: Als Singles Yazoo – “Only You” und Garbage – “Only Happy When It Rains”, als Alben Clash – “London Calling”, KLF – “White Room” und ELO – “Out of the Blue”.

Mark: Radiohead – “OK Computer”, das letzte Foo Fighters-Album und “YMCA” von den Village People.

MUM: Wenn Ihr – alte Frage – drei Dinge auf eine einsame Insel mitnehmen könntet, was würdet Ihr greifen?

Rich: Also angenommen, es gäbe dort Elektrizität – ansonsten wäre wohl ein Sonnenlicht Generator eines Mountain Bike, CD-Player und eine Box voller Magazine

Mark: Streichholzschachteln, einen Kompass und ein Zelt.

Neil: Mein Funktelefon – und das Aufladegerät -, einen Stereo-Radio/Cassetten/CD-Player und, ach ja, meine Freundin – denke ich mal!

MUM: Seid Ihr gerne in Deutschland? Was gefällt Euch hier, was nicht?

Mesh: Ja, wir sind gerne hier. Das Touren macht uns Spaß, das Leben im Tourbus, und das Stöbern in Kaufhäusern. Das ist verrückt, weil alles wie eine kleine Flucht für uns ist – in einem fremden Land zu touren, da sieht man neue Orte, trifft neue Leute und macht neue Erfahrungen. Die schlechteste Erfahrung war, als wir versuchten, etwas zu kaufen, und keiner nahm VISA, nur diesen fucking EC-Kram. Noch wichtiger sicher, wir sind nicht so begeistert über die anwachsende Zahl an Nazis hier, aber das ist eben ein freies Land, was?

MUM: Habt Ihr eigentlich unter allen Euren Tracks einen Favoriten?

Rich: “In the light of day”- das ist die B-Seite von “You Didn’t Want me”, aber auch auf dem “Fragmente”-Albu.

Neil: Das war “Confined”, wurde aber nun am Spitzenplatz abgelöst von “My Defender”.

Mark: Die bisher unveröffentlichte Coverversion von “YMCA”.

_____________________

MUM: Mucke und mehr

Mehr zu Mesh auf www.mesh.co.uk.

Related Articles