Home Film “Babylon – Rausch der Ekstase” – ein unnötig langes Spektakel über das frühe Hollywood

“Babylon – Rausch der Ekstase” – ein unnötig langes Spektakel über das frühe Hollywood

Autor: Tobi

"Babylon – Rausch der Ekstase" Filmplakat (© Paramount Pictures Corporation)

Babylon – Rausch der Ekstase

Darsteller: Margot Robbie, Diego Calva, Brad Pitt, Jean Smart
Regie: Damien Chazelle
Dauer: 189 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: paramount.de/babylon-rausch-der-ekstase
Facebook: facebook.com/Paramount.Pictures.Germany.Kino


Mit “Babylon – Rausch der Ekstase” startet ein Film in unseren Lichtspielhäusern, der von vielen als eines der ersten Kino-Highlights des Jahres vermutet wurde, schließlich handelt es sich um das neueste, hochkarätig besetzte Werk des Oscar®-prämierten Regisseurs und Drehbuchautors Damien Chazelle (“Whiplash”, “La La Land”). Hohe Erwartungen bringen natürlich aber auch immer die Gefahr mit sich, den Saal enttäuscht zu verlassen, und auch wenn man hier beileibe keinen schlechten Film sieht, hätte man sich mehr erhofft.

Auf die Spielzeit bezieht sich dies nicht, beschert Chazelle doch einen mit mehr als drei Stunden ausgiebig langen Streifen. Diese Dauer schlaucht durchaus und ist auch nicht nötig, immerhin aber bietet sie die Gelegenheit, einen nach einer recht anstrengenden ersten Stunde doch noch mit mehr Handlung und Konzentration auf Einzelschicksale einzufangen.

Doch der Reihe nach. In den 1920er-Jahren sorgen mit Musik unterlegte Stummfilme für Begeisterung in den Kinosälen, und so blüht die Industrie richtig auf, besonders in Los Angeles, welches mit mehreren Studios zum Mekka der Branche wird. Hinter den Kulissen geht es wild zu, in mehrfacher Hinsicht. Zum einen laufen Dreharbeiten immer wieder mal aus dem Ruder und bringen einiges an Chaos mit sich, zum anderen schmeißen die Bosse ausschweifende Partys.

Zu einer solchen ist auch der Mexikaner Manny (Diego Calva) unterwegs, dem vom Hollywood-Mogul Don Wallach (Jeff Garlin) als Gastgeber aufgetragen wurde, einen Elefanten zu seiner abgelegenen Prunk-Villa zu bringen, um den bevorstehenden Abend noch extravaganter werden zu lassen. Der Transport über die umliegenden Hügel der Stadt gestaltet sich alles andere als einfach, mit ungewöhnlichen Methoden gelingt er aber doch.

Als die Feier startet, geht es hoch her. Eine schwarze Jazz-Combo sorgt für schwungvolle Musik, zu der getanzt wird, Alkohol fließt in Strömen, weitere Drogen sind fein sortiert im Nachbarraum vorbereitet und alle Hemmungen fallen … wenn es sie denn überhaupt gegeben hat, schließlich sind schnell auch Nackte im Raum und es werden munter Körpersäfte ausgetauscht, wobei diverse Sexpraktiken bis zum Extremen zu beobachten sind.

Als Nellie LaRoy (Margot Robbie) mit ihrem Wagen ankommt, wird dem gerade draußen rauchenden Manny schnell klar, dass sie nicht zu den Eingeladenen aus der High Society gehört, und doch hilft er der extrovertierten und von sich selbst überzeugten Hübschen, Zugang zu erlangen, träumt sie doch davon, hier den Start ihrer Filmkarriere initiieren zu können. Einfacher hat es da Jack Conrad (Brad Pitt), der längst ein großer Filmstar ist – wobei ihm seine wütende Frau Ina (Olivia Wilde) den Partyabend erst ein wenig zu vermasseln scheint, aber der von allen hofierte Jack weiß sich abzulenken.

Nellie gelingt es schließlich sogar, ein Vorsprechen und dann auch eine Filmrolle zu erhaschen, und so beginnt ihr Aufstieg zur gerne sexy agierenden Akteurin, während es für den viel zu oft besoffenen Jack langsam bergab zu gehen scheint, auch durch Artikel der Klatschkolumnistin Elinor St. John (Jean Smart) – obwohl er sich mit dem Zuschlagen der Filmklappe stets imposant zu fokussieren weiß. In Folge erfährt man, wie es mit den beiden weiter geht sowie Manny, der sich vom Helfer zum Filmemacher aufschwingt, und was die Erfindung des mit Ton versehenen Films für die Individuen und die Industrie an sich bedeutet.

"Babylon – Rausch der Ekstase" Szenenbild (© Paramount Pictures Corporation)

(© Paramount Pictures Corporation)

Dass der fünffach nominierte “Babylon – Rausch der Ekstase” bei der Verleihung der Golden Globes lediglich für den wahrlich mitreißenden Soundtrack von Justin Hurwitz ausgezeichnet wurde, ist durchaus als Anzeichen zu deuten, dass der ganz große Hype hier nicht entstehen wird.

“Ich wollte unter dem Mikroskop auf die frühen Jahren einer Kunstform und Industrie schauen, als beide noch ihre Grundlagen entdeckten”, erklärt Chazelle, “und auf tieferer Ebene gefiel mir die Idee, auf eine Gesellschaft im Wandel zu blicken. Hollywood erlebte in den 20ern eine Reihe an rasanten und gleichzeitig scheinbar verheerenden Veränderungen, und einige Leute überlebten, andere nicht.”

Der Ansatz des Regisseurs und Drehbuchautors wird mehr als deutlich, und doch weiß der Film nicht zu fesseln. Das größte Problem ist hierbei eine erste Stunde, in der es immer wieder überzeichnet zugeht. Dass die Party von Wallach ausschweift und es hier in allen Belangen wild zugeht, bis hin zu abstoßenden Szenen, das mag noch unterhaltend einzuordnen sein – angelehnt an die Schilderungen im 1959 veröffentlichten und ab dem US-Erscheinen 1965 zehn Jahre lang verbotenen Sachbuch “Hollywood Babylon” von Kenneth Anger. Dass der Elefant aber nur nach massiver Darmentleerung auf Manny und seinen Helfer den Berg hinauf kommt, dass Nellie bei ihrer Ankunft eine Statue umfährt oder dass das Filmset Feuer fängt – zu viel Spektakel, zu wenig Witz.

Die Einblicke, dass solche dekadente und exzessive Feiern zum Hollywood vor 100 Jahren gehörten, dass bei Stummfilm-Drehs ein Live-Orchester für Stimmung sorgte, dass die richtigen Kameras manchmal rar waren, dass schlecht bezahlte Statisten durchaus mal aufmüpfig wurden, dass im Kino noch gejubelt wurde und vor allem, wie neue Technologien so viel für alle an einer Filmproduktion Beteiligten veränderten und erschwerten – hier ist der Streifen sehenswert.

Viel stärker wird er, als es um die weitere Entwicklung der einzelnen Charaktere geht, wie die stimmlich nicht jedem gefallende Nellie und den gegen seinen Niedergang ankämpfenden Jack, dessen Aussehen und Beliebtheit an alte Haudegen wie Clarke Gable angelehnt ist. Hier spielt dann auch der schwarze Jazz-Trompeter Sidney Palmer (Jovan Adepo) eine interessante Rolle, der – auch dank dem immer weiter aufsteigenden Manny – vom Party-Musiker zum angesehenen, reichen Musikfilm-Star wird, bis er sich, um im Scheinwerferglanz nicht zu hell zu wirken, beim Dreh zusätzlich schwarze Farbe ins Gesicht schmieren soll.

Das Ensemble um Margot Robbie, Diego Calva, Brad Pitt und Jean Smart spielt durchaus gut, und mit Li Jun Li als zuerst fernöstlichen Flair bringende, dann den Durchblick behaltende Lady Fay Zhu, Olivia Hamilton als durchgreifende Regisseurin Ruth Adler oder später Tobey Maguire als psychopathischen Casino-Besitzer James McKay gibt es noch einige weitere Figuren.

Der Film wird dann also weit interessanter, ist insgesamt aber doch viel zu lang geraten, um einen noch fesseln zu können, und auch in seinen letzten zwei Stunden gibt es immer wieder mal Momente, die man als verzichtbar einordnet. “Babylon – Rausch der Ekstase” ist zwar keine große Enttäuschung, erzeugt aber auch keine Begeisterung.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

Related Articles