Home Film “Call Jane” – das wahre Emanzipationsdrama ist genauso lehrreich wie unterhaltsam

“Call Jane” – das wahre Emanzipationsdrama ist genauso lehrreich wie unterhaltsam

Autor: Mick

"Call Jane" Filmplakat (© DCM / Wilson Webb)

Call Jane

Darsteller: Elizabeth Banks, Sigourney Weaver, Cory Michael Smith, Chris Messina
Regie: Phyllis Nagy
Dauer: 121 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: dcmstories.com/de/collection/call-jane
Facebook: facebook.com/dcmstories


Ende der 60er Jahre stand die Abtreibung noch in sämtlichen Staaten der USA unter Strafe. Durch Mundpropaganda immer weiter verbreitet, machte sich ab 1969 in Chicago aber das „Jane Collective“ oder einfach „Jane“ auf, all den Frauen einen Anlaufpunkt zu bieten, die einen Schwangerschaftsabbruch wünschten und sich verzweifelt nicht mehr anders zu helfen wussten, als um illegale Hilfe zu ersuchen. Phillys Nagy, die bisher einzig mit ihrem Drehbuch für die erfolgreiche Romanadaption „Carol“ (2015) auffällig wurde, nimmt die bemerkenswerte Geschichte der Frauenrechtlerinnen von „Jane“ als Grundlage für ihren neuen Film „Call Jane“, in dem sie diese mit dem Schicksal ihrer Hauptfigur Joy (Elizabeth Banks) fiktionalisiert.

Die führt 1968 eigentlich ein Bilderbuchleben als Hausfrau und Mutter einer 15-jährigen Tochter in ihrem typischen, bürgerlichen Chicagoer Vorstadtidyll. Sie hat einen liebevollen Ehemann und freut sich gemeinsam mit ihm auf ihr zweites Kind, als plötzlich unerwartet Komplikationen bei ihrer Schwangerschaft auftreten, die nicht nur das Leben ihres Babys sondern sogar ihr eigenes bedrohen. Die Entscheidung, eine Abtreibung anzustreben, wie es ihr ihr Arzt wegen des gewaltigen Risikos rät, macht sie sich bestimmt nicht leicht, doch auch der Staat Illinois untersagt dies strikt und beschneidet damit ihr Selbstbestimmungsrecht wesentlich. Als auch eine von ihrem Mann, einem Anwalt, erwirkte Anhörung vor einer selbstverständlich rein männlichen und weißen Ärztekommission keinen Erfolg bringt, stößt sie durch Zufall auf die Organisation „Jane“, die illegal Schwangerschaftsabbrüche durchführt um Frauen die Entscheidung über ihr Leben wieder selbst zu geben.

Was nach der Kontaktaufnahme – nicht zufällig heißt der Streifen ja „Call Jane“ – kommt, inszeniert Nagy übertrieben reißerisch als streng geheime Untergrundaktion inklusive anonymer Fahrerin und Augenbinde. Einmal im Haus der „Janes“ angekommen, ist davon allerdings nicht mehr viel zu spüren, fühlt sich Joy bei ihnen sichtlich wohl und auch in den Händen des jungen, pragmatischen Arztes Dean (Cory Michael Smith), der den Eingriff vornimmt, bestens aufgehoben. Das mutet angesichts des windigen Unterfangens und seiner Bedeutung für Joy doch merkwürdig harmonisch an, wie sonst aber hätte man dann Joys spontanes Engagement für die Janes erklären sollen, als deren Leiterin Victoria (Sigourney Weaver) sie nur kurze Zeit später um Mithilfe bittet.

"Call Jane" Szenenbild (© DCM / Wilson Webb)

Joy (Elizabeth Banks) – (© DCM / Wilson Webb)

Darin verpackt die Regisseurin nämlich wiederum einen großen Teil der zugrundeliegenden wahren Ereignisse, denn während Joy sich Stück für Stück von der Fahrerin bis zur Assistentin von Dr. Dean hocharbeitet, verselbstständigte sich auch bei den realen Janes der Prozess der Abtreibungen, als sich der behandelnde Arzt als Hochstapler und damit alles andere als unersetzlich herausstellte, und die Aktivistinnen das Durchführen der Abbrüche kurzerhand selbst erlernten. So tut sich Joy wegen ihrer eigenen Abtreibungsgeschichte sofort als außerordentlich einfühlsame Assistentin hervor, die schon bald in der Lage ist, den Eingriff selbst durchzuführen und ihr Wissen auch an andere Janes weiterzugeben. Waren sie vorher noch auf Deans Dienste angewiesen und mussten sich auch seinen Bedingungen bezüglich des Honorars beugen, konnten sie jetzt die Kosten selbst bestimmen und so mehr Frauen Zugang zu ihrem Service ermöglichen.

Das alles ist ungeheuer lehrreich und nimmt einen gerade wegen Nagys Fokussierung auf Joys Schicksal emotional unheimlich mit. Ihre Beschränkung auf Joys Mittelschichtsperspektive aber ist Fluch und Segen zugleich, denn die allgemeine Bedeutung der Arbeit des Jane Collective für die Frauenrechte gerät so ein wenig in den Hintergrund. Die wird allenfalls richtig deutlich, wenn sich die Aktivistinnen in Diskussionen um die Zugangsmodalitäten die Köpfe heiß reden oder selbst Polizisten bei Joy um Hilfe bitten. Dafür aber setzt die Regisseurin immer wieder gezielt auf seichten Humor und wird so mit der erzeugten Lockerheit dem ernsten Thema nicht immer voll gerecht. Damit ist ihr Abtreibungsfilm zwar überaus unterhaltsam, zum vollständig ergreifenden Drama jedoch fehlt ihm ein ganzes Stück.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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